Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Entscheidung vom 14.11.2022; Aktenzeichen 11 T 230/22) |
AG Karlsruhe (Entscheidung vom 17.10.2022; Aktenzeichen 715 XIV 80/22 B) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichts Karlsruhe - Zivilkammer XI - vom 14. November 2022 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
Gründe
Rz. 1
I. Der Betroffene, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste 2016 in das Bundesgebiet ein. Seinen am 12. September 2016 gestellten Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 3. August 2020 ab, forderte den Betroffenen zur Ausreise auf und drohte ihm die Abschiebung nach Pakistan an.
Rz. 2
Nach dem Scheitern mehrerer Abschiebemaßnahmen ordneten die befassten Amtsgerichte, zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung und später im Hauptsacheverfahren, antragsgemäß Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen bis zuletzt 17. Oktober 2022 an. Vom 26. September 2022 bis zum 7. November 2022 befand sich der Betroffene in Strafhaft, sodann wieder in der Abschiebehafteinrichtung. Eine für den 11. Oktober 2022 geplante Überstellung wurde nicht durchgeführt, weil der Betroffene nach Kontakt zu einem Mitgefangenen mit einer hochansteckenden Hauterkrankung isoliert und vorsorglich behandelt wurde.
Rz. 3
Auf Antrag der beteiligten Behörde vom 13. Oktober 2022 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 17. Oktober 2022 die Sicherungshaft des Betroffenen bis zum 21. November 2022 verlängert. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit Beschluss vom 14. November 2022 zurückgewiesen. Der Betroffene ist am 10. November 2022 aus der Sicherungshaft entlassen worden. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt er nunmehr noch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der verlängerten Sicherungshaft.
Rz. 4
II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 5
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Haftverlängerungsantrag sei zulässig, da er den Anforderungen des § 417 Abs. 2 FamFG entsprochen habe. Die Anordnung der Haft sei auch materiell rechtmäßig gewesen, insbesondere habe der Haftgrund der Fluchtgefahr vorgelegen. Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot und gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens seien nicht festzustellen.
Rz. 6
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Ein zulässiger Haftantrag liegt vor.
Rz. 7
a) Ein zulässiger Haftantrag der beteiligten Behörde ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, InfAuslR 2012, 25 Rn. 8; vom 12. November 2019 - XIII ZB 5/19, InfAuslR 2020, 165 Rn. 8; vom 14. Juli 2020 - XIII ZB 74/19, juris Rn. 7). Erforderlich sind Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungs- oder Überstellungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung oder Überstellung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Diese Darlegungen dürfen zwar knapp gehalten sein; sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, InfAuslR 2012, 25 Rn. 8; vom 12. November 2019 - XIII ZB 5/19, InfAuslR 2020, 165 Rn. 8; vom 14. Juli 2020 - XIII ZB 74/19, juris Rn. 7; vom 25. Oktober 2022 - XIII ZB 116/19, juris Rn. 7). Dazu müssen die Darlegungen auf den konkreten Fall bezogen sein und dürfen sich nicht in Leerformeln erschöpfen (st. Rspr. vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 13; vom 25. Oktober 2022 - XIII ZB 116/19, juris Rn. 7 mwN; vom 20. Dezember 2022 - XIII ZB 40/20, juris Rn. 7).
Rz. 8
b) Diesen Anforderungen wird der Haftverlängerungsantrag vom 13. Oktober 2022 gerecht.
Rz. 9
aa) Die beteiligte Behörde führt zur beantragten Haftdauer aus, im Rahmen der zwangsweisen Passbeschaffung sei die richtige Identität des Betroffenen festgestellt worden. Inzwischen liege eine Passersatzpapierzusage der pakistanischen Behörden vor. Es sei geplant, den Betroffenen auf einer Chartermaßnahme am 15. November 2022 abzuschieben. Das dem Regierungspräsidium vorliegende Passersatzpapier werde den pakistanischen Behörden zur Verlängerung geschickt. Die Verlängerung dauere erfahrungsgemäß vier Wochen. Das Passersatzpapier werde daher rechtzeitig zum Abschiebungstermin bereitliegen. Es stehe ein Flugplatz auf einer Chartermaßnahme am 15. November 2022 zur Verfügung. Dies sei der frühestmögliche Flugtermin unter Berücksichtigung der Dauer der Verlängerung des Passersatzpapiers.
Rz. 10
bb) Es ist nicht ersichtlich, was die beteiligte Behörde zusätzlich hätte vortragen können. Die Abschiebung war bereits organisiert und der Betroffene auf einen knapp fünf Wochen später erfolgenden Sammelcharter gebucht. Ein Passersatzpapier lag vor und war lediglich noch auf das konkrete Flugdatum zu verlängern. Die Angaben reichen daher zur Erklärung der beantragten Dauer der Haft aus. Sie erlauben dem Haftgericht konkrete Nachfragen und genügen den Anforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 FamFG. Eine Erwähnung des zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Islamischen Republik Pakistan geschlossenen Rücknahmeübereinkommens vom 26. Oktober 2009 (ABl. EU Nr. L 287 vom 4. November 2010, S. 52) ist bei einer solchen Sachlage - anders als es etwa bei danach noch durchzuführenden Bearbeitungsschritten der Fall sein kann (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 38/19, juris Rn. 8 bis 11; vom 6. Oktober 2020 - XIII ZB 114/19, juris Rn. 10) - nicht erforderlich. Soweit der Entscheidung vom 7. April 2020 (XIII ZB 28/19, juris Rn. 8 bis 10) etwas Anderes entnommen werden könnte, hält der Senat daran nicht fest.
Rz. 11
2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Rz. 12
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
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Fundstellen
Dokument-Index HI16193321 |