Verfahrensgang
LG Dresden (Entscheidung vom 19.01.2023; Aktenzeichen 4 T 378/22) |
AG Dresden (Entscheidung vom 04.07.2022; Aktenzeichen 143 C 3619/21) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 19. Januar 2023 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 759,10 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Klägerin, eine Wohnungsbaugesellschaft mit Sitz in Dresden, nahm den Beklagten auf Zahlung rückständiger Miete vor dem Amtsgericht Dresden in Anspruch. Mit ihrer Vertretung in diesem Verfahren beauftragte sie eine in Essen ansässige Rechtsanwaltskanzlei.
Rz. 2
Das Amtsgericht gab der Klage im Wege eines im schriftlichen Vorverfahren erlassenen Versäumnisurteils statt und legte dem Beklagten die Kosten des Verfahrens auf. In dem Termin zur mündlichen Verhandlung über den von dem Beklagten gegen das Versäumnisurteil eingelegten Einspruch wurde die Klägerin durch einen Unterbevollmächtigten aus Dresden vertreten.
Rz. 3
Nachdem der Beklagte seinen Einspruch zurückgenommen hatte, erklärte das Amtsgericht den Beklagten dieses Rechtsbehelfs für verlustig und erlegte ihm die weiteren Kosten des Verfahrens auf.
Rz. 4
Das Amtsgericht hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 4. Juli 2022 antragsgemäß neben den Gerichtskosten und den Kosten des Hauptbevollmächtigten der Klägerin auch die Kosten für die Terminsvertretung durch den Unterbevollmächtigten in Höhe von insgesamt 759,10 €, bestehend aus einer 0,65-fachen Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3401, 3100 VV RVG in Höhe von 217,10 €, einer 1,2-fachen Terminsgebühr gemäß Nr. 3402, 3104 VV RVG in Höhe von 400,80 € und der Auslagenpauschale in Höhe von 20 €, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer, festgesetzt.
Rz. 5
Die gegen die Festsetzung der durch die Beauftragung des "auswärtigen" Bevollmächtigten entstandenen Mehrkosten gerichtete sofortige Beschwerde des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Rz. 6
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Beklagte die Zurückweisung des auf Festsetzung der "Kosten des Unterbevollmächtigten" gerichteten Antrags der Klägerin.
II.
Rz. 7
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, § 575 ZPO). Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Rz. 8
a) Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse - im Wesentlichen damit begründet, dass eine bundesweit tätige Verwalterin mit Sitz in Bochum nahezu die gesamte Verwaltung für die Klägerin wahrnehme. Diese Verwalterin beauftrage regelmäßig den Hauptbevollmächtigten in Essen als spezialisierten Rechtsanwalt, der nicht nur im Gerichtsbezirk des Beschwerdegerichts für die Klägerin, sondern auch in anderen Gerichtsbezirken für weitere von der Verwalterin betreute Unternehmen als Prozessbevollmächtigter auftrete. Als verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei habe die Klägerin die Beauftragung des Hauptbevollmächtigten aus der Sicht ex ante deshalb auch im vorliegenden Fall als sachdienlich ansehen dürfen. Die Klägerin sei nicht gehalten gewesen, für die Vielzahl von im gesamten Bundesgebiet zu führenden ähnlich gelagerten Prozessen jeweils gesondert einen Prozessbevollmächtigten am Prozessort zu beauftragen und zu instruieren.
Rz. 9
b) Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Beschwerdegericht hat im Ergebnis frei von Rechtsfehlern einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der durch die Beauftragung des Unterbevollmächtigten angefallenen Kosten gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO bejaht.
Rz. 10
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen die Kosten eines Unterbevollmächtigten dann notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO dar, wenn durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten in vergleichbarer Höhe erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. August 2022 - VIII ZB 87/20, NJW-RR 2023, 205 Rn. 12; vom 9. Mai 2023 - VIII ZB 53/21, NJW 2023, 2126 Rn. 12; jeweils mwN).
Rz. 11
bb) Nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind Reisekosten eines Rechtsanwalts der obsiegenden Partei, der - wie im vorliegenden Fall - nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit zu erstatten, als dessen Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig war. Bei der Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren, kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig handelnde Partei die kostenauslösende Maßnahme aus der Sicht ex ante als sachdienlich ansehen durfte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Februar 2018 - II ZB 23/16, NJW 2018, 1693 Rn. 10; vom 14. September 2021 - VIII ZB 85/20, NJW 2021, 3663 Rn. 10; vom 5. Juli 2022 - VIII ZB 33/21, NJW-RR 2022, 1436 Rn. 12). Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Sie ist lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Februar 2018 - II ZB 23/16, aaO; vom 5. Juli 2022 - VIII ZB 33/21, aaO). Unter diesen Voraussetzungen kann unter Umständen auch die Beauftragung eines auswärtigen Anwalts als notwendig anzusehen sein (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Juli 2022 - VIII ZB 33/21, aaO).
Rz. 12
Eine solche Notwendigkeit hat das Beschwerdegericht im Streitfall rechtsfehlerfrei bejaht.
Rz. 13
(1) Handelt es sich um eine Sache, deren vorangegangene unternehmensinterne Bearbeitung an einem Ort stattgefunden hat, an dem das Unternehmen weder seinen Hauptsitz noch eine Zweigniederlassung unterhält, sind die Reisekosten, die dem Unternehmen durch die Beauftragung eines am Bearbeitungsort ansässigen Rechtsanwalts entstanden sind, nach denselben Grundsätzen zu erstatten wie sonst im Fall der Beauftragung eines am Sitz des Unternehmens ansässigen Rechtsanwalts (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Mai 2008 VIII ZB 92/07, NJW-RR 2009, 283 Rn. 7; vom 12. November 2009 - I ZB 101/08, NJW 2010, 1882 Rn. 11; vom 13. September 2011 - VI ZB 42/10, NJW 2011, 3521 Rn. 8). Dies gilt auch, wenn die verwaltende Stelle nicht Unternehmensteil der Prozesspartei ist, sondern von dieser extern beauftragt wurde (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Juni 2011 - VIII ZB 102/08, NJW-RR 2011, 1430 Rn. 10; vom 13. September 2011 - VI ZB 42/10, aaO). Denn im Rahmen des Kostenerstattungsrechts kommt es darauf an, wie eine Partei die sie betreffenden Angelegenheiten tatsächlich organisiert, und nicht darauf, welche Organisation unter Erstattungsgesichtspunkten zweckmäßiger oder günstiger gewesen wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Mai 2008 - VIII ZB 92/07, aaO; vom 12. November 2009 - I ZB 101/18, aaO).
Rz. 14
(2) Nach diesen Grundsätzen hat das Beschwerdegericht zu Recht hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit (fiktiver) Reisekosten der Hauptbevollmächtigten hier auf die Verwalterin abgestellt. Denn die Klägerin hat die in Bochum ansässige Verwalterin nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Beschwerdegerichts im vorliegenden Fall mit der Bearbeitung der streitgegenständlichen Sache beauftragt (hierzu unter (a)). Ebenfalls ohne Rechtsfehler hat das Beschwerdegericht angenommen, dass unter den hier gegebenen Umständen die seitens der Verwalterin vorgenommene Beauftragung einer Kanzlei in Essen eine Maßnahme zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt (hierzu unter (b)).
Rz. 15
(a) Das Beschwerdegericht hat - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht lediglich die Feststellungen der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dresden wiedergegeben, sondern eigene Feststellungen dahingehend getroffen, dass die Klägerin "praktisch" ihre gesamte Verwaltung durch die bundesweit tätige Verwalterin in Bochum wahrnehme. Das Beschwerdegericht hat entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde diesbezüglich auch weder den Beibringungsgrundsatz verletzt noch in gehörsverletzender Weise entscheidungserheblichen Vortrag des Beklagten nicht berücksichtigt.
Rz. 16
(aa) Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, es fehle bereits an Vortrag der Klägerin, dass der Wohnungsbestand (vollständig) von der Verwalterin betreut werde, übergeht sie, dass die Klägerin sich die Ausführungen der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dresden in deren Beschlüssen vom 9. April 2021 (6 T 653/20), vom 3. August 2021 (6 T 592/20), vom 14. Dezember 2021 (6 T 424/21) und vom 24. November 2022 (6 T 729/20) - wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend ausführt - ausdrücklich zu eigen gemacht hat. Die 6. Zivilkammer hat jedoch in diesen Verfahren festgestellt, dass am Sitz der Klägerin und ihrer Schwestergesellschaft keinerlei operative Geschäfte mehr ausgeführt würden. Hierbei hat sie unter anderem das Vorbringen der Schwestergesellschaft zugrunde gelegt, wonach alle zum Konzernverbund der V. gehörenden Gesellschaften, die Eigentümer und Vermieter von Grundstücken seien, - und damit auch die Klägerin - nach der bestehenden Organisationsstruktur für die Vermietung und das operative Geschäft stets die Verwalterin beauftragten.
Rz. 17
(bb) Das Berufungsgericht hat - anders als die Rechtsbeschwerde meint - das rechtliche Gehör des Beklagten nicht dadurch verletzt, dass es von dem Erfordernis einer Glaubhaftmachung dieses Vorbringens der Klägerin abgesehen hat. Der Beklagte hat zwar bestritten, dass die Klägerin keinerlei operative Geschäfte mehr ausführe, und geltend gemacht, dass die Klägerin und ihre in Dresden tätigen Schwestergesellschaften noch im Rahmen der Parkraumbewirtschaftung aktiv seien. Er hat jedoch nicht in Abrede gestellt, dass die Betreuung des zwischen ihm und der Klägerin bestehenden Mietverhältnisses nach den konzerninternen Strukturen der Verwalterin obliegt. Nach den vorstehend aufgezeigten Grundsätzen bedarf es aber nicht einer vollständigen Übertragung sämtlicher Verwaltungsangelegenheiten auf das verwaltende Unternehmen. Vielmehr reicht es aus, dass die Verwalterin nach der von der Klägerin gewählten Organisation mit der vorprozessualen Bearbeitung der streitgegenständlichen Angelegenheit betraut worden ist.
Rz. 18
(b) Die Verwalterin durfte auch eine Rechtsanwaltskanzlei hinzuziehen, die nicht an ihrem Sitz (Bochum) tätig ist, weil es sich bei der in Essen ansässigen Rechtsanwaltskanzlei um eine Kanzlei ihres Vertrauens handelt, die sie für eine Vielzahl im ganzen Bundesgebiet zu führender, ähnlich gelagerter rechtlicher Streitigkeiten beauftragt und die deshalb insoweit auf diese Fälle spezialisiert ist.
Rz. 19
(aa) Die Zuziehung eines in der Nähe des eigenen Wohn- oder Geschäftsorts ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei ist im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898 unter B II 2 b bb (1); vom 8. März 2012 - IX ZB 174/10, ZIP 2012, 697 Rn. 8; vom 27. Februar 2018 - II ZB 23/16, NJW 2018, 1693 Rn. 11; jeweils mwN). Dieser Grundsatz erfährt eine Ausnahme, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. März 2012 - IX ZB 174/10, aaO Rn. 9; vom 27. Februar 2018 - II ZB 23/16, aaO). Dies schließt auf den Einzelfall bezogene Erwägungen zur sachlichen Rechtfertigung der Beauftragung eines nicht am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts indes nicht aus, etwa, wenn sich diese aus der Komplexität der jeweiligen Rechtsstreitigkeit ergibt oder wenn mehrere gleichgelagerte Rechtsstreitigkeiten bei verschiedenen Gerichten zu führen sind und die Partei aus diesem Grund die Wahrnehmung ihrer Belange durch einen Rechtsanwalt als sachdienlich ansehen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Februar 2018 - II ZB 23/16, aaO; vom 5. Juli 2022 - VIII ZB 33/21, NJW-RR 2022, 1436 Rn. 14).
Rz. 20
(bb) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei die Zuziehung des in Essen ansässigen Prozessbevollmächtigten mit der Begründung als notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO bewertet, die Verwalterin sei bundesweit tätig und der in Essen ansässige Hauptbevollmächtigte würde von dieser regelmäßig mit der Vertretung in verschiedenen Gerichtsbezirken in ähnlich gelagerten Fällen beauftragt. Es kommt insofern - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht darauf an, dass die Verwalterin selbst nicht Partei des vorliegenden Rechtsstreits ist. Denn die Klägerin hat sich für eine Übertragung jedenfalls eines Teils der ihren Wohnungsbestand betreffenden Verwaltung und Abwicklung - insbesondere auch der streitgegenständlichen Angelegenheit - auf die Verwalterin entschieden (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Juni 2011 - VIII ZB 102/08, NJW-RR 2011, 1430 Rn. 10; BeckOK-ZPO/Jaspersen, Stand: 1. September 2023, § 91 Rn. 169.1). Sie hat deshalb ein berechtigtes Interesse daran, dass die Verwalterin die ihr von der Klägerin und deren Schwestergesellschaften übertragenen mietrechtlichen Angelegenheiten effektiv und mit möglichst geringem Kosten- und Verwaltungsaufwand wahrnimmt. Aus der ex-ante-Sicht der Klägerin als vernünftiger und wirtschaftlich handelnder Partei war es deshalb als sachdienlich anzusehen, dass die Verwalterin nicht eine Vielzahl von am jeweiligen Gerichtsort ansässigen Rechtsanwälten in den von ihr bundesweit geführten Verfahren - verbunden mit einem entsprechenden Mehraufwand - einsetzt.
Rz. 21
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Rechtsbeschwerde angeführten Beschluss des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 13. September 2011 (VI ZB 42/10, NJW 2011, 3521 Rn. 13), dem - wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung mit Recht geltend macht - eine andere, speziell das Recht der Haftpflichtversicherung betreffende Sachverhaltskonstellation zugrunde lag.
Rz. 22
Der Umstand, dass eine auf das Mietrecht spezialisierte Kanzlei auch in Dresden hätte beauftragt werden können, ist aus den vorgenannten Gründen - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - ebenfalls nicht von Bedeutung. Dies gilt auch für die von ihr aufgeworfene Frage, ob die Klägerin oder die Verwalterin über eine Rechtsabteilung verfügten und deshalb ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich gewesen wäre (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2011 - VIII ZB 93/10, NJW-RR 2012, 695 Rn. 14; vom 8. März 2012 - IX ZB 174/10, ZIP 2012, 697 Rn. 9; jeweils mwN).
Rz. 23
cc) Das Beschwerdegericht hat im Ergebnis auch zu Recht angenommen, dass die Kosten, die durch die Beauftragung des Unterbevollmächtigten entstanden sind, die erstattungsfähigen (fiktiven) Reisekosten des Hauptbevollmächtigten nicht übersteigen und deshalb als notwendige Kosten im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzusehen sind. Die Bemessung der Höhe dieser fiktiven Kosten durch das Beschwerdegericht ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
Rz. 24
(1) Ersatz der Kosten für den mit der Terminswahrnehmung beauftragten Unterbevollmächtigten kann insoweit beansprucht werden, als diese Kosten die ersparten Reisekosten nicht wesentlich übersteigen. Eine wesentliche Überschreitung wird im Regelfall anzunehmen sein, wenn die Kosten des Unterbevollmächtigten die ersparten Reisekosten des Hauptbevollmächtigten um mehr als 1/10 überschreiten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. November 2014 - I ZB 38/14, NJW-RR 2015, 761 Rn. 16 f.; vom 30. August 2022 - VIII ZB 87/20, NJW-RR 2023, 205 Rn. 19; vom 9. Mai 2023 - VIII ZB 53/21, NJW 2023, 2126 Rn. 12; jeweils mwN).
Rz. 25
(2) Eine solche Überschreitung liegt im vorliegenden Fall, wie das Beschwerdegericht im Ergebnis rechtsfehlerfrei festgestellt hat, nicht vor. Für die Beauftragung des Unterbevollmächtigten sind Kosten in Höhe von insgesamt 759,10 € angefallen, wobei - was das Beschwerdegericht übersehen hat - zu berücksichtigen ist, dass bei einer Terminswahrnehmung durch den Hauptbevollmächtigten ebenfalls eine 1,2-fache Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG in Höhe des von dem Unterbevollmächtigten abgerechneten Betrags von 476,95 € brutto angefallen wäre. Für die Vergleichsrechnung ist deshalb lediglich die von dem Unterbevollmächtigten beanspruchte 0,65-fache Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3401, 3100 VV RVG nebst der Auslagenpauschale in Höhe von insgesamt 282,15 € brutto den (fiktiven) Reisekosten des Hauptbevollmächtigten gegenüber zu stellen (vgl. zur Vergleichsrechnung im Allgemeinen MünchKommZPO/Schulz, 6. Aufl., § 91 Rn. 82; BeckOK-ZPO/Jaspersen, Stand: 1. September 2023, § 91 Rn. 174.5).
Rz. 26
Letztere hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei mit 702 € bemessen. Insbesondere hat es - anders als die Rechtsbeschwerde meint - ohne Rechtsfehler davon abgesehen, die fiktiven Reisekosten anteilig zu reduzieren, weil nach dem Vorbringen des Beklagten an fast jedem Tag der Woche mehrere Fälle der Unternehmen des V. -Konzerns vor dem Amtsgericht Dresden verhandelt würden. Zwar sind gemäß der Vorbemerkung 7 Absatz 3 VV RVG die entstandenen Auslagen nach dem Verhältnis der Kosten zu verteilen, die bei gesonderter Ausführung der einzelnen Geschäfte entstanden wären, wenn eine Reise mehreren Geschäften dient. Der insofern mit der Darlegung und Glaubhaftmachung (vgl. hierzu BeckOK-ZPO/Jaspersen, Stand: 1. September 2023, § 104 Rn. 4) belastete Beklagte hat aber wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend geltend macht - bereits nicht dargelegt, dass an dem Sitzungstag, an dem die hier streitgegenständliche Sache verhandelt worden ist, weitere Termine der Klägerin vor dem Amtsgericht stattgefunden haben, die von einem Prozessbevollmächtigten der Essener Kanzlei hätten wahrgenommen werden können.
Rz. 27
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Bünger Dr. Liebert Dr. Schmidt
Wiegand Dr. Matussek
Fundstellen
Haufe-Index 16155377 |
WuM 2024, 99 |