Entscheidungsstichwort (Thema)
Terminsgebühr im Wohnungseigentumsverfahren auch ohne mündliche Verhandlung
Leitsatz (amtlich)
In den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Wohnungseigentumssachen entsteht die Terminsgebühr auch dann, wenn im Einverständnis mit den Beteiligten oder aus besonderen Gründen ausnahmsweise ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (Festhaltung an BGH, Beschl. v. 24.7.2003 - V ZB 12/03, BGHReport 2003, 1311 = MDR 2003, 1317 = NJW 2003, 3133, zu § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO).
Normenkette
RVG-VV Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Beschluss vom 18.08.2005; Aktenzeichen 25 T 436/05) |
AG Düsseldorf (Beschluss vom 24.06.2005; Aktenzeichen 291 II 32/05) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) werden der Beschluss der 25. Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 18.8.2005 aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Düsseldorf vom 24.6.2005 abgeändert.
Aufgrund des Beschlusses des AG Düsseldorf vom 5.4.2005 sind der Beteiligten zu 1) von dem Beteiligten zu 2) an Kosten 572,65 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 22.4.2005 zu erstatten.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Beteiligte zu 2).
Die Nebenintervention wird auf Kosten der Nebenintervenienten als unzulässig zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 225,17 EUR.
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1) ist Verwalterin für eine Wohnungseigentümergemeinschaft in Düsseldorf. Sie machte im eigenen Namen für die Gemeinschaft gegen den Beteiligten zu 2) rückständige Hausgelder nach den Wirtschaftsplänen für 2004 und 2005 geltend. Der Beteiligte zu 2) hat gegen diese Forderung Einwendungen erhoben, die er mit Schadensersatzansprüchen gegen die Beteiligte zu 1) wegen nicht geltend gemachter Gewährleistungsansprüche begründet hat. Das AG hat den Beteiligten zu 2) ohne vorherige mündliche Verhandlung zur Zahlung gemäß dem gestellten Antrag verpflichtet.
Die Beteiligte zu 1) hat in ihrem Kostenfestsetzungsantrag neben der Verfahrensgebühr auch eine Terminsgebühr i.H.v. 193,20 EUR zzgl. anteiliger Umsatzsteuer in Ansatz gebracht. Das AG hat im Kostenfestsetzungsbeschluss diese Gebühr als nicht entstanden erachtet und daher nicht in Ansatz gebracht. Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss erhobene sofortige Beschwerde hat das LG zurückgewiesen.
Im Rechtsbeschwerdeverfahren haben die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) in den Tatsacheninstanzen ihren Beitritt zu dem Verfahren erklärt und neben der Beteiligten zu 1) selbst das Rechtsmittel eingelegt. Die Beteiligte zu 1) hält die Nebenintervention ihrer Anwälte für unzulässig.
II.
1. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und zulässige Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1) ist begründet. Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht die Erstattungsfähigkeit einer Terminsgebühr nach der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zu § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG verneint. Die Vorschrift bestimmt, dass die Terminsgebühr auch dann entsteht, wenn in einem Verfahren, für das die mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder aufgrund besonderer gesetzlicher Anordnung ausnahmsweise ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. Dieser Gebührentatbestand wird auch verwirklicht, wenn in den in § 43 Abs. 1 WEG bezeichneten Verfahren ausnahmsweise eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht.
a) Eine der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV für die Terminsgebühr entsprechende Bestimmung für die damalige Verhandlungsgebühr gab es auch in § 35 der bis zum 30.6.2004 geltenden Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung. Der Senat hat in einer Entscheidung zu dieser Vorschrift dahin erkannt, dass in einer Wohnungseigentumssache die Verhandlungsgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) gem. § 63 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 35 BRAGO auch dann entstand, wenn von der nach § 44 Abs. 1 WEG für die Tatsacheninstanzen grundsätzlich vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung ausnahmsweise abgesehen wurde und eine abschließende Entscheidung ergangen war (BGH, Beschl. v. 24.7.2003 - V ZB 12/03, BGHReport 2003, 1311 = MDR 2003, 1317 = NJW 2003, 3133). Der Senat hat darauf verwiesen, dass die Sollbestimmung in § 44 Abs. 1 WEG wie die Vorschrift in § 128 Abs. 1 ZPO dahin auszulegen sei, dass in Wohnungseigentumssachen - anders als in anderen Verfahren nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - eine mündliche Verhandlung grundsätzlich stattfinden müsse. Das Gericht dürfe auf eine mündliche Verhandlung nur mit dem Einverständnis der Beteiligten oder aus besonderen, in dem Beschluss darzustellenden Gründen verzichten, wenn eine weitere Sachaufklärung nicht erwartet und die Gewährung des rechtlichen Gehörs auf andere Weise sichergestellt werden könne (BGH v. 10.9.1998 - V ZB 11/98, BGHZ 139, 288 [290] = MDR 1999, 28 m. Anm. Riecke). Die Anwendung der Vorschrift sei auch nach dem Zweck des Gebührentatbestandes geboten, mit dem der besondere Aufwand des Rechtsanwalts für die Vorbereitung einer zu verhandelnden Sache auch dann vergütet werden solle, wenn ausnahmsweise ohne eine mündliche Verhandlung entschieden werden könne.
Daran wird auch für die Terminsgebühr nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz festgehalten. Der Senat kann auf die Begründung in dem zitierten Beschluss Bezug nehmen, da sich weder der einschlägige Gebührentatbestand noch die bei dessen Anwendung zugrunde zu legenden Verfahrensvorschriften im Wohnungseigentumsgesetz verändert haben. Der Wortlaut des Abs. 1 Nr. 1 der Nr. 3104 VV zu § 2 Abs. 2 RVG stimmt mit dem von § 35 BRAGO überein. Nach der Begründung zum Entwurf des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes sollte damit die frühere Regelung des § 35 BRAGO in das Vergütungsverzeichnis übernommen werden (BT-Drucks. 14/9037, 76 f.). Auch die Vorschrift über die mündliche Verhandlung in § 44 Abs. 1 WEG gilt unverändert.
b) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem von dem Beschwerdegericht unter Bezugnahme auf Müller-Rabe (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., 3104 VV Rz. 32) gegebenen Hinweis, dass der Gebührentatbestand im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV unmittelbar und nicht mehr wie derjenige nach § 35 BRAGO über § 63 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO nur sinngemäß anzuwenden sei, womit die Grundlage für eine entsprechende Anwendung des Gebührentatbestands entfallen sei. Dies ist schon methodisch fehlerhaft. Die sinngemäße Anwendung des § 35 BRAGO beruhte nicht auf einer Lücke im Gebührentatbestand, sondern auf der gesetzlichen Anordnung zur Heranziehung der allein für die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten bestimmten Gebührenregelung. Dieses Regelungssystem in der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung hatte seinen Grund darin, dass der dritte Abschnitt jenes Gesetzes (§§ 31 ff.) nur für diese Tätigkeiten des Rechtsanwalts eine detaillierte Regelung bereitstellte. Nach der Neuregelung gelten die im Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses beschriebenen Gebührentatbestände dagegen aus Gründen der Vereinfachung und Vereinheitlichung (BT-Drucks. 14/9037, 50 und 74) für die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten sowie diejenigen nach dem Strafvollzugsgesetz gleichermaßen. Dies macht eine entsprechende Anwendung von Gebührenvorschriften in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für eine anwaltliche Tätigkeit unter einer anderen Verfahrensordnung überflüssig, besagt jedoch nichts darüber, ob bei der Anwendung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV im Falle der Sollvorschrift in § 44 WEG von einer dem Richter vorgeschriebenen oder ihm freigestellten mündlichen Verhandlung auszugehen ist. Da § 44 Abs. 1 WEG die mündliche Verhandlung den Richter grundsätzlich nicht freistellt und auch nicht von einem Antrag eines Verfahrensbeteiligten abhängig macht (Staudinger/Wenzel, 2005, § 44 WEG Rz. 12; KK-WEG/Abramenko, § 44 Rz. 5), ist für den Gebührentatbestand auch weiterhin von einer vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung auszugehen.
Für den von dem Beschwerdegericht mit der Erwägung begründeten Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber den Fall der ausgebliebenen Verhandlung in Wohnungseigentumssachen in dem Gebührentatbestand ausdrücklich erwähnt hätte, wenn er denn diesen Fall im Sinne der umstrittenen bisherigen Praxis zur Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung hätte regeln wollen, geben dagegen weder der Gesetzestext noch die Materialien etwas her. Die vom Gesetzgeber bekundeten allgemeinen Ziele der Neuregelung (Vereinfachung, Erhöhung der Transparenz durch Angleichung der Gebührentatbestände in den verschiedenen Verfahrensarten sowie mehr leistungsorientierte Gebühren; vgl. BT-Drucks, 14/9037, 49, 51) sprechen eher dafür, die Honorierung des Rechtsanwalts in ZPO-Verfahren und in WEG-Verfahren nach denselben Grundsätzen zu behandeln, wenn die Sache ausnahmsweise ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.
2. Die angefochtene Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht mithin auf einer Rechtsverletzung und ist daher aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 1. Halbs. ZPO). Der Senat hat selbst in der Sache zu entscheiden, da diese zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).
Unter Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 24.6.2005 ist die mit dem Antrag vom 8.4.2005 geltend gemachte Terminsgebühr zusätzlich in Ansatz zu bringen. Bei einem Geschäftswert von 2.397,97 EUR errechnen sich danach die nach § 104 Abs. 1 Satz 1 ZPO festzusetzenden Kosten auf 572,65 EUR.
III.
Der Beitritt der Nebenintervenienten in dem Kostenfestsetzungsverfahren ist als unzulässig zurückzuweisen.
1. Dies kann zusammen mit der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde erfolgen, weil die Nebenintervenienten ihren Beitritt erst in der Rechtsbeschwerdeinstanz erklärt haben, weiterer Sachvortrag nicht erfolgen kann und die Sache selbst entscheidungsreif ist (BGH, Urt. v. 11.2.1982 - III ZR 184/80, MDR 1982, 650 = NJW 1982, 2070; OLG Düsseldorf v. 27.5.1997 - 4 U 126/96, OLGReport Düsseldorf 1997, 352 = NJW-RR 1998, 606).
Für die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Nebenintervention nach den §§ 66 ff. ZPO im Kostenfestsetzungsverfahren kann dahinstehen, ob diese von Amts wegen außerhalb des in § 71 ZPO vorgesehenen Verfahrens (so Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 66 Rz. 5) oder nur auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten auf Zurückweisung der Intervention nach § 71 ZPO (OLG Köln v. 19.10.1992 - 9 W 64/92, OLGReport Köln 1993, 79 = NJW 1993, 1661 [1662]) zu prüfen ist. Beides führt hier zu demselben Ergebnis. Die Beteiligte zu 1) hat die Zulässigkeit des Beitritts der Streithelfer gerügt. Das ist als ein Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention auszulegen.
2. Die Auffassung der Beteiligten zu 1) trifft zu. Die Vorschriften über die Streithilfe finden im Kostenfestsetzungsverfahren keine Anwendung (OLG Karlsruhe Rpfleger 1996, 53; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 66 Rz. 3; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 66 Rz. 6a). Der Senat teilt - auch unter Berücksichtigung der von den Nebenintervenienten vorgebrachten Erwägungen - diese in Rechtsprechung und Schrifttum bisher ohne Gegenstimmen vertretene Rechtsauffassung.
Das Kostenfestsetzungsverfahren ist kein für eine Intervention geeignetes Verfahren (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 66 Rz. 6). Der Anwalt hat kein eigenes rechtliches Interesse am Ausgang des Kostenfestsetzungsverfahrens seiner Partei ggü. dem Gegner, das nach § 66 Abs. 1 ZPO Voraussetzung für eine Nebenintervention ist.
a) Der Ausgang des Kostenfestsetzungsverfahrens betrifft den Anspruch des Anwalts auf seine Vergütung nicht. Der Anwalt hat aus eigenem Recht keine Kostenansprüche gegen den ehemaligen Prozessgegner seines Mandanten, die Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens sind (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 103 Rz. 8). Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist insoweit eine Fortsetzung der zwischen den Prozessparteien ergangenen Kostengrundentscheidung (Rennen, MDR 1973, 644). Er unterscheidet sich schon dadurch wesentlich von einem Beschluss im Vergütungsfestsetzungsverfahren des Rechtsanwalts gegenüber seinem Auftraggeber nach § 11 RVG (OLG Hamm Rpfleger 1977, 456, zu § 19 BRAGO).
Ein Interventionsgrund liegt auch deshalb nicht vor, weil die Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren keine dem § 68 ZPO entsprechende Interventionswirkung in dem Verfahren über die Festsetzung der anwaltlichen Vergütung ggü. dem Auftraggeber nach § 11 RVG auslöst (OLG Hamburg JurBüro 1981, 1402), wie auch eine Entscheidung über die Vergütung des Rechtsanwalts nach § 11 RVG keine Auswirkungen auf den nach §§ 103 ff. KostO festzusetzenden Kostenerstattungsanspruch des Mandanten ggü. dem Gegner hat (Mayer/Kroiß, RVG, § 11 Rz. 97).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, 2 ZPO, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 3 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1500958 |
NJW 2006, 2495 |
BGHR 2006, 881 |
DWW 2006, 215 |
FGPrax 2006, 178 |
JurBüro 2006, 362 |
NZM 2006, 660 |
ZMR 2006, 539 |
ZfIR 2006, 488 |
AnwBl 2006, 494 |
MDR 2006, 1134 |
WuM 2006, 274 |
Info M 2006, 153 |
MietRB 2006, 246 |
NJW-Spezial 2006, 341 |
RVGreport 2006, 225 |
IMR 2006, 57 |
IWR 2006, 70 |
MK 2006, 111 |