Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestellung zum Insolvenzverwalter bei charakterlicher Ungeeignetheit zur Verwaltung fremden Vermögens. Wegfall des Vergütungsanspruchs
Leitsatz (amtlich)
Wer aufgrund schwerwiegender Straftaten charakterlich ungeeignet ist, fremdes Vermögen zu verwalten, und gleichwohl die Bestellung zum Insolvenzverwalter annimmt, kann von einer Vergütung ausgeschlossen sein.
Normenkette
InsO § 63 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hannover (Beschluss vom 19.10.2009; Aktenzeichen 11 T 5/09) |
AG Hannover (Entscheidung vom 25.11.2008; Aktenzeichen 903 IN 526/01-0) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des LG Hannover vom 19.10.2010 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 2) zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 64.856,22 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Auf Eigenantrag der Schuldnerin ordnete das Insolvenzgericht am 10.8.2001 vorläufige Maßnahmen an und bestellte R. M. zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Am 1.10.2001 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der vorläufige Verwalter zum Insolvenzverwalter bestimmt. In diesem sowie auch in anderen Insolvenzverfahren führte er unbefugt den Titel Diplom-Betriebswirt. Mit Schreiben vom 28.6.2005 erklärte er mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt als Insolvenzverwalter. Wenige Tage zuvor hatte er bei der Staatsanwaltschaft Selbstanzeige erstattet. Mit rechtskräftigem Urteil des LG Hildesheim vom 16.10.2007 wurde er wegen Untreue in 106 Fällen, bezogen jeweils auf andere Insolvenzverfahren, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Nach den Feststellungen veruntreute er erstmals 1998 ihm als Insolvenzverwalter zur Verfügung stehende Gelder. In der Folgezeit nahm er im Rahmen eines sog. Cash-Poolings und durch die Errichtung von Sammelkonten in erheblichem Maße Veruntreuungen von Insolvenzgeldern vor, um insb. wirtschaftliche Schwierigkeiten einer von ihm und Familienangehörigen errichteten Immobilien-Beteiligungsgesellschaft auszugleichen. Bis zu seiner Ernennung zum Insolvenzverwalter im vorliegenden Verfahren hatte er insgesamt etwa 20.600.000 EUR veruntreut. Der veruntreute Gesamtbetrag belief sich bis Mitte 2005 auf 43.000.000 EUR.
Rz. 2
Die Vergütungsansprüche des vormaligen Insolvenzverwalters werden nunmehr, nachdem über dessen Vermögen selbst das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, von dem weiteren Beteiligten zu 2) als Insolvenzverwalter weiterverfolgt. Das AG hat den auf 64.856,22 EUR bezifferten Festsetzungsantrag wegen Verwirkung (Rechtsgedanke des § 654 BGB) abgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der weitere Beteiligte zu 2) den Vergütungsanspruch weiter.
II.
Rz. 3
Die gem. §§ 6, 7, 64 Abs. 3 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.
Rz. 4
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, der frühere Verwalter habe sich bereits vor seiner Bestellung zum Insolvenzverwalter in diesem Verfahren, in ganz erheblichem Maße strafbar gemacht. Im Hinblick auf das von ihm betriebene System der Veruntreuung anvertrauter Insolvenzgelder müsse davon ausgegangen werden, dass er bereits seit seiner Bestellung zum vorläufigen und sodann endgültigen Verwalter in diesem Verfahren den Willen gehabt habe, ggf. auch auf die Massegelder dieses Verfahrens zuzugreifen. Ihm müsse daher als eine zur Verwirkung eines Vergütungsanspruchs führende schwere Pflichtverletzung angelastet werden, durch die Annahme der Bestellung eine solche konkrete Gefährdung der Masse herbeigeführt zu haben.
Rz. 5
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
Rz. 6
a) Die Versagung der Vergütung des Insolvenzverwalters kommt in entsprechender Anwendung des Grundgedankens des § 654 BGB bei gewichtigen, vorsätzlichen oder zumindest leichtfertigen Pflichtenverstößen des Insolvenzverwalters in Betracht. Hierbei gebietet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine enge Begrenzung der Fälle, in denen ein Anspruch auf Vergütung ausgeschlossen ist (BGH, Beschl. v. 6.5.2004 - IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122 [132]). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass zu den persönlichen Anforderungen an den Insolvenzverwalter neben der fachlichen Qualifikation auch seine persönliche Integrität, insb. seine Ehrlichkeit gehört (BGH, Beschl. v. 6.5.2004 - IX ZB 349/02, a.a.O., S. 129; v. 17.3.2011 - IX ZB 192/10, WM 2011, 663 Rz. 20). Darum können strafbare Handlungen eines Verwalters zum Nachteil der Masse seine Entlassung rechtfertigen. Dabei erfordert die Entlassung nicht, dass die strafbare Pflichtverletzung im Rahmen des konkreten Verfahrens erfolgte. Vielmehr genügt es, wenn eine in anderen Verfahren verübte Straftat die charakterliche Eignung des Verwalters, fremdes Vermögen zu verwalten, entfallen lässt (BGH, Beschl. v. 17.3.2011 - IX ZB 192/10, a.a.O.).
Rz. 7
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze konnte das Beschwerdegericht im Hinblick auf die von ihm festgestellten Umstände zum Zeitpunkt der Ernennung im Oktober 2001, die von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt werden, annehmen, der pflichtwidrigen Annahme der Bestellung als Insolvenzverwalter komme ein so erhebliches Gewicht zu, dass ein Ausschluss von der Vergütungsfestsetzung nicht unverhältnismäßig sei. In diesem Zusammenhang kann jedenfalls im Rahmen einer Gesamtschau auch berücksichtigt werden, dass im Einzelfall die Verwirkung auch schon wegen unerlaubten Führens eines akademischen Titels in Betracht kommen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 23.9.2009 - V ZB 90/09, NJW-RR 2009, 1710 Rz. 19 ff.).
Fundstellen
DB 2012, 49 |
NJW 2011, 8 |
NWB 2011, 3088 |
EBE/BGH 2011 |
StuB 2011, 847 |
WM 2011, 1522 |
ZAP 2011, 914 |
ZIP 2011, 1526 |
DZWir 2011, 475 |
MDR 2011, 1265 |
NZI 2011, 760 |
ZInsO 2011, 1520 |
NWB direkt 2011, 984 |
ZBB 2011, 407 |