Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfallen der Terminsgebühr für den Prozeßbevollmächtigten des Streithelfers, wenn sich dieser im Termin zur mündlichen Verhandlung vom Prozeßbevollmächtigten der unterstützten Prozeßpartei verteten läßt

 

Leitsatz (amtlich)

Zur gebührenrechtlichen Auswirkung einer Vertretung des Streithelfers bei der Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits durch einen Rechtsanwalt der unterstützten Prozesspartei auf die Terminsgebühr und zur Abgrenzung von einer weitergehenden Beauftragung mit einer Einzeltätigkeit nach Teil 3 Abschnitt 4 VV-RVG.

 

Normenkette

RVG § 5; RVG VV Nr. 3202; RVG VV § 3402

 

Verfahrensgang

LG Zwickau (Beschluss vom 14.02.2006; Aktenzeichen 8 T 498/05)

AG Zwickau (Entscheidung vom 14.11.2005; Aktenzeichen 17 C 3230/03)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Streithelferin der Klägerin wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des LG Zwickau vom 14.2.2006 aufgehoben, soweit er zum Nachteil der Streithelferin ergangen ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 294 EUR

 

Gründe

[1]I.

Das AG hat die Beklagten mit Urteil vom 17.6.2004 als Gesamtschuldner zur Zahlung an den Rechtsvorgänger der Klägerin verurteilt. Gegen dieses Urteil legten die Beklagten Berufung ein. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 2.8.2004 beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Der Prozessbevollmächtigte der Streithelferin der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 15.2.2005 gleichfalls beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 10.6.2005 ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sowohl für diese wie auch für den Prozessbevollmächtigten der Streithelferin aufgetreten. Er hat für die Klägerin auf die Anträge in seinem Schriftsatz vom 2.8.2004 Bezug genommen und darüber hinaus für die Streithelferin die Zurückweisung der Berufung beantragt. Nach Rücknahme der Berufung hat das LG den Beklagten als Gesamtschuldnern mit Beschluss vom 10.6.2005 die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention auferlegt.

[2]Das AG hat mit Beschluss vom 8.9.2005 die Kosten der Klägerin gegen die Beklagten unter Einschluss einer Terminsgebühr für die Berufungsverhandlung gem. § 13 RVG, VV-RVG 3202 festgesetzt. Dem Antrag der Streitgehilfin auf Festsetzung ihrer Kosten hat es mit Beschluss vom 14.11.2005 entsprochen, jedoch die beantragte Terminsgebühr von 294 EUR nebst Zinsen abgesetzt, weil keine Teilnahme am Termin erfolgt sei.

[3]Gegen den am 6.12.2005 zugestellten Beschluss hat die Streithelferin am 9.12.2005 "Erinnerung" erhoben. Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Das LG hat die sofortige Beschwerde mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Der Beschluss ist der Streithelferin am 26.2.2006 zugestellt worden. Mit der vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde vom 22.3.2006 verfolgt die Streithelferin ihre Schlussanträge aus der Beschwerdeinstanz weiter.

[4]II.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, nach der amtlichen Vorbemerkung Teil 3 Abs. 3 VV-RVG entstehe die Terminsgebühr u.a. für die Vertretung in einem Verhandlungstermin. Der Prozessbevollmächtigte der Streithelferin habe jedoch nicht am Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht teilgenommen. Dass er den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit der Terminswahrnehmung beauftragt, dieser den Termin auch für die Streithelferin wahrgenommen und für sie Anträge gestellt habe, könne nicht zur Entstehung einer Terminsgebühr führen. Die Vertretung mehrerer Parteien in der Berufungsverhandlung könne allenfalls zu einer erhöhten Verfahrensgebühr für den Prozessbevollmächtigten der Klägerin führen.

[5]2. Die Ausführungen des Beschwerdegerichts halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

[6]a) Die Rechtsbeschwerde ist nach Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und zulässig, insb. form- und fristgerecht (§§ 567 Abs. 2, 575 ZPO) eingelegt und begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

[7]b) Auch Rechtsanwälten von Streithelfern erwächst die Terminsgebühr bei Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung (vgl. Gebauer/Schneider/Onderlo/N. Schneider, RVG, VV Vorbem. 3 Rz. 151; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3104 Rz. 10).

[8]c) Der Prozessbevollmächtigte der Streithelferin hat sich im Termin zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits vor dem Berufungsgericht am 10.6.2005 durch den Rechtsanwalt der Klägerin vertreten lassen. Mit dem Auftreten eines Terminsvertreters für den Prozessbevollmächtigten (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.2000 - I ZR 122/98 - NJW 2001, 753, 754 unter II. 2. b) bb)) der Streithelferin in der mündlichen Verhandlung ist für diesen die Terminsgebühr nach VV-RVG 3202 i.V.m. Vorbem. 3 (3) VV-RVG entstanden, als ob er selbst aufgetreten wäre. Eine höchstpersönliche Wahrnehmung des Termins durch den Prozessbevollmächtigten der Streithelferin ist nicht Voraussetzung für den Anfall der Gebühr. Die Rechtsbeschwerde weist zu Recht auf § 5 RVG hin, der eine Vergütung auch für den Fall vorsieht, dass der Rechtsanwalt eine Tätigkeit nicht persönlich erbringt, sondern sich durch einen anderen Anwalt vertreten lässt.

[9]d) Anderes gilt lediglich, wenn der Termin durch einen (unterbevollmächtigten) Anwalt in Einzeltätigkeit gemäß VV-RVG Abschnitt 4 wahrgenommen wird, dem die Partei oder mit deren Einverständnis der Prozessbevollmächtigte nur für die mündliche Verhandlung die Vertretung oder die Ausführung der Parteirechte übertragen hat (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.2000 - I ZR 122/98 - a.a.O. 753, 754 unter II. 2. b) aa)). Dann steht die Terminsgebühr diesem zu und nicht dem beauftragenden Rechtsanwalt (vgl. VV 3402; Mayer/Kroiß/Klees, RVG, 2. Aufl., § 5 Rz. 25; Bischof/Jungbauer/Podlech-Trappmann, RVG, VV 3401 Anm. II 2.2; missverständlich Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke, RVG, "Unterbevollmächtigter" Ziff. 3); zusätzlich erhält der (unterbevollmächtigte) Anwalt eine hälftige Verfahrensgebühr (VV-RVG 3401) und rechnet selbst ab. Die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, dass eine zulässige Unterbevollmächtigung mit dieser Gebührenfolge (Beauftragung des Terminsvertreters im Interesse der Partei) vorgelegen hat, hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt.

[10]3. Nach allem hat die angefochtene Entscheidung keinen Bestand und ist aufzuheben, soweit sie zum Nachteil der Streithelferin ergangen ist. Das Beschwerdegericht wird nunmehr die erforderliche Überprüfung der Terminsgebühr vorzunehmen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1560010

NJW 2006, 3571

BGHR 2006, 1276

EBE/BGH 2006, 274

FamRZ 2006, 1373

JurBüro 2007, 27

MDR 2007, 243

NJ 2006, 505

Rpfleger 2006, 675

VersR 2006, 1660

AGS 2006, 486

RVGreport 2006, 421

r+s 2007, 44

AG/KOMPAKT 2011, 45

RVG prof. 2006, 163

RVG-Letter 2006, 110

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