Leitsatz (amtlich)
a) Die tatrichterliche Feststellung, dass die Erlaubnis zur Ausübung des Berufs des Heilpraktikers nicht mit einer abgeschlossenen Lehre i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG a.F. (jetzt: § 4 Abs. 3 Nr. 1 VBVG) vergleichbar ist, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
b) Einer Rückforderung überzahlter Betreuervergütung kann der Vertrauensgrundsatz entgegenstehen, wenn eine Abwägung ergibt, dass dem Vertrauen des Berufsbetreuers auf die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung einer dem Gesetz entsprechenden Vermögenslage der Vorrang einzuräumen ist (im Anschluss an BGH v. 13.11.2019 - XII ZB 106/19 - zur Veröffentlichung bestimmt; v. 6.11.2013 - XII ZB 86/13 FamRZ 2014, 113).
Normenkette
VBVG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 a.F.; FamFG § 168 Abs. 1 S. 1, § 292 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Beschluss vom 11.03.2019; Aktenzeichen 8 T 23/19 und 8 T 48/19) |
AG Celle (Entscheidung vom 10.12.2018; Aktenzeichen 25 XVII S 52) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerden des weiteren Beteiligten zu 1) und der weiteren Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 11.3.2019 werden zurückgewiesen.
Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei.
Wert: 117 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Beteiligte zu 2) wurde vom AG im Februar 2018 zur Berufsbetreuerin für die mittellose Betroffene bestellt. Die Betreuerin verfügt über eine Erlaubnis zur Berufsausübung nach § 1 HeilprG verbunden mit der Erlaubnis, die Berufsbezeichnung Heilpraktiker zu führen.
Rz. 2
Ihren Anträgen auf "Festsetzung einer pauschalen Vergütung" für die Zeit vom 24. Februar bis 23.8.2018 unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 33,50 EUR entsprach das AG jeweils im vereinfachten Verfahren und brachte aus der Staatskasse insgesamt 402 EUR zur Auszahlung. Ihrem am 23.11.2018 gestellten Vergütungsantrag für die Zeit vom 24. August bis 23.11.2018 entsprach das AG durch förmliche Festsetzung der Vergütung im Beschlusswege, jedoch lediglich unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von nur 27 EUR, weil bei der Betreuerin nicht die Voraussetzungen für einen erhöhten Stundensatz vorlägen. Durch weiteren Beschluss vom 20.12.2018 setzte das AG die Vergütung für die Zeit vom 24.2.2018 bis 23.8.2018 im Hinblick auf einen insoweit entstandenen Vertrauensschutz endgültig auf 402 EUR fest.
Rz. 3
Das LG hat die Beschwerde des Bezirksrevisors (Beteiligter zu 1) gegen die Festsetzung der Vergütung für die Zeit vom 24. Februar bis 23.8.2018 und diejenige der Betreuerin gegen die Festsetzung der Vergütung für die Zeit vom 24. August bis 23.11.2018 zurückgewiesen. Hiergegen richten sich die jeweils zugelassenen Rechtsbeschwerden des Bezirksrevisors und der Betreuerin.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerden sind nicht begründet.
Rz. 5
1. Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Betreuerin verfüge über keine besonderen Kenntnisse, die durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben und für die Führung der Betreuung nutzbar seien. Die Zulassung zur Ausübung des Berufs als Heilpraktiker werde nicht aufgrund einer abgeschlossenen Lehre oder einer vergleichbaren Ausbildung erworben. Denn eine staatlich geregelte oder anerkannte oder jedenfalls überprüfbar geregelte Ausbildung gebe es für den Beruf des Heilpraktikers nicht. Die Erlaubnis zur Ausübung des Berufs werde aufgrund einer Kenntnisprüfung erworben, die lediglich den Charakter einer Unbedenklichkeitsprüfung habe, ohne an eine konkrete Ausbildung anzuknüpfen.
Rz. 6
Allerdings könne sich die Betreuerin in Bezug auf den zurückliegenden Vergütungszeitraum vom 24. Februar bis 23.8.2018 auf Vertrauensschutz berufen. Denn sie habe nicht lediglich einen formlosen Antrag auf Vergütung gestellt, sondern deren förmliche Festsetzung beantragt. Wenn dann das Betreuungsgericht dennoch die Auszahlung im vereinfachten Verwaltungsverfahren vornehme, könne die den Gerichtsaufwand minimierende Verfahrensweise nicht zu Lasten der Betreuerin gehen. Es wäre in einem solchen Fall treuwidrig, wenn sich das Gericht auf diese Weise die Tür zur Rückforderung der Vergütung offenlasse.
Rz. 7
2. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.
Rz. 8
a) Zu Recht hat das LG angenommen, dass die Betreuerin für ihre mit Antrag 23.11.2018 abgerechneten Tätigkeiten vom 24. August bis zum 23.11.2018 nur eine Vergütung i.H.v. 162 EUR unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 27 EUR verlangen kann.
Rz. 9
aa) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG in der bis zum 26.7.2019 geltenden Fassung (vgl. Art. 1 § 12 des Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung vom 22.6.2019, BGBl. I, 866) kann der Betreuer die erhöhte Vergütung von 33,50 EUR pro Stunde nur beanspruchen, wenn er über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, und wenn er diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben hat.
Rz. 10
Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG a.F. die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und rechtsfehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (BGH, Beschl. v. 18.2.2015 - XII ZB 563/14 FamRZ 2015, 845 Rz. 12 m.w.N.).
Rz. 11
bb) Dass das Beschwerdegericht die von der Betreuerin erlangte Erlaubnis zur Ausübung des Berufs der Heilpraktikerin nicht mit einer abgeschlossenen Lehre i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG a.F. als vergleichbar erachtet hat, hält sich im Rahmen einer zulässigen tatrichterlichen Würdigung (vgl. auch BGH, Beschl. v. 18.2.2015 - XII ZB 563/14 FamRZ 2015, 845 Rz. 13 m.w.N.).
Rz. 12
Die Erlaubnis zur Ausübung des Berufs des Heilpraktikers wird nämlich gem. § 2 Abs. 1 lit. i der ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz (BGBl. III, Gliederungsnummer 2122-2-1, zuletzt geändert durch Art. 17 f i.V.m. Art. 18 Abs. 4 des Gesetzes vom 23.12.2016, BGBl. I 3191) auf der Grundlage lediglich einer eingeschränkten Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers erteilt, die ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden keine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung oder für die ihn aufsuchenden Patientinnen und Patienten bedeuten würde.
Rz. 13
Eine eigene staatliche Ausbildungs- und Prüfungsordnung besteht nicht. Der Heilpraktiker muss nur gewisse persönliche und sachliche Anforderungen erfüllen. Durch eine vom Gesundheitsamt vorzunehmende Überprüfung, die keine Fachprüfung ist, soll lediglich ausgeschlossen werden, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellt (BVerwG NJW 1973, 579, 580). Der Gutachterausschuss (vgl. insoweit § 4 Abs. 1 der ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz i.V.m. Ziff. 5 der Niedersächsischen Richtlinie zur Durchführung des Verfahrens zur Erteilung einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz (RdErl. d. MS vom 25.2.2015 - 405-41022/15, Nds. MBl. Nr. 11/2015 S. 294, geändert durch RdErl. vom 11.7.2016, Nds. MBl. Nr. 29/2016 S. 806, jetzt in der Fassung des RdErl. d. MS vom 1.9.2018 - 405-41022/15, Nds. MBl. 2018 Nr. 31 S. 874) prüft danach nur, ob der Antragsteller über gewisse medizinische Grundkenntnisse verfügt, nicht aber, ob er bestimmte Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Naturheilkunde besitzt (vgl. BGH, Urt. v. 22.4.1999 - I ZR 108/97 NJW 2000, 870, 871 m.w.N.). Die Heilpraktikerprüfung entspricht demnach lediglich einer Unbedenklichkeitsprüfung im Sinne der Gefahrenabwehr und keiner Fachprüfung im Sinne der Feststellung eines konkreten Ausbildungs- oder Befähigungsstandes.
Rz. 14
b) Ebenfalls frei von Rechtsfehlern ist die Annahme des LG, dass eine nachträgliche Herabsetzung der Betreuervergütung im gerichtlichen Festsetzungsverfahren zum Zweck der Rückforderung überzahlter Betreuervergütung nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ausgeschlossen sei.
Rz. 15
aa) Zwar ist die Staatskasse dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtet, so dass ihr Interesse darauf gerichtet sein muss, eine ohne Rechtsgrund eingetretene Vermögensverschiebung zu beseitigen und den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen. Nachdem das Gericht in dem Festsetzungsverfahren nach § 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht an die vorangegangene Anweisung der Betreuervergütung im Wege des vereinfachten Justizverwaltungsverfahrens gebunden ist, kann die zu viel gezahlte Betreuervergütung grundsätzlich zurückgefordert werden (BGH, Beschl. v. 18.2.2015 - XII ZB 563/14 FamRZ 2015, 845 Rz. 17).
Rz. 16
Jedoch kann einer (Neu-)Festsetzung der Betreuervergütung, welche eine Rückforderung überzahlter Beträge zur Folge hätte, im Einzelfall der Vertrauensgrundsatz entgegenstehen, wenn das Vertrauen des Betreuers auf die Beständigkeit einer ihm in der Vergangenheit rechtswidrig gewährten Vergütung schutzwürdig ist. Der Vertrauensschutz ist bereits bei der Festsetzung der Betreuervergütung im gerichtlichen Verfahren nach § 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG zu prüfen, denn mit der gerichtlichen Festsetzung der Vergütung wird im Falle bereits zuviel erhaltener Leistungen zugleich der Rechtsgrund für deren Rückforderung geschaffen (BGH, Beschl. v. 18.2.2015 - XII ZB 563/14 FamRZ 2015, 845 Rz. 18 m.w.N.).
Rz. 17
Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch auf Rückforderung überzahlter Betreuervergütung kann entfallen, wenn eine Abwägung im Einzelfall ergibt, dass dem Vertrauen des Berufsbetreuers auf die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung einer dem Gesetz entsprechenden Vermögenslage der Vorrang einzuräumen ist. In diesem Fall ist schon eine abweichende Festsetzung im gerichtlichen Festsetzungsverfahren ausgeschlossen (BGH v. 13.11.2019 - XII ZB 106/19 - zur Veröffentlichung bestimmt; v. 18.2.2015 - XII ZB 563/14 FamRZ 2015, 845 Rz. 19 m.w.N.).
Rz. 18
bb) Bei der Beurteilung, ob im Rahmen der Herabsetzung der Betreuervergütung das Vertrauen des Betreuers in die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage schützenswert ist, hat der Senat im Ausgangspunkt daran angeknüpft, dass ein Betreuer grundsätzlich dann mit einer späteren Änderung der im Verwaltungswege erfolgten Auszahlungsanordnung rechnen muss, wenn er die förmliche Festsetzung seiner Vergütung nicht selbst beantragt hatte (BGH, Beschl. v. 6.11.2013 - XII ZB 86/13 FamRZ 2014, 113 Rz. 29).
Rz. 19
Im vorliegenden Fall hat das LG die Vergütungsanträge der Betreuerin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise dahin ausgelegt, dass bereits von vornherein eine förmliche Festsetzung der Vergütung durch Beschluss beantragt war (§ 292 Abs. 1 i.V.m. § 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG), und anknüpfend daran angenommen, dass eine Rückforderung bereits verbrauchter überzahlter Betreuervergütung nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ausgeschlossen sei. Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
Fundstellen