Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde auf einzelne Streitgegenstände. Beschwer des Rechtsbeschwerdeführers

 

Leitsatz (amtlich)

a) Das Beschwerdegericht kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde auf Teile des Streitstoffes (hier: auf die Festsetzung der Verfahrensgebühr) beschränken (Anschluss an BGH, Beschl. v. 11.1.2011 - VIII ZB 92/09).

b) Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, wenn der Rechtsbeschwerdeführer im Umfang der Zulassung nicht beschwert ist.

 

Normenkette

ZPO § 574 Abs. 1-2; RVG §§ 2, 15a; RVG VV Nr. 3100

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 05.02.2010; Aktenzeichen 18 W 38/10)

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 21.10.2009; Aktenzeichen 3-3 O 68/07)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Drittwiderbeklagten gegen den Beschluss des 18. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 5.2.2010 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: 50.872,49 EUR

 

Gründe

Rz. 1

I. Die M. AG W. als Klägerin führte vor dem LG Frankfurt/M. einen Rechtsstreit gegen die V. GmbH als Beklagte zu 1) und die U. Familienstiftung als Beklagte zu 2). Mit Schriftsatz vom 28.9.2007 erhoben die drei Widerklägerinnen (die Beklagte zu 2) ist die Widerklägerin zu 1)) Widerklage gegen die Klägerin (Widerbeklagte zu 1)) und den bis dahin am Rechtsstreit unbeteiligten Widerbeklagten zu 2), den Drittwiderbeklagten und Rechtsbeschwerdeführer, die sie mit Schriftsatz vom 23.10.2008 gegenüber dem Drittwiderbeklagten erweiterten. Mit Schriftsatz vom 29.12.2008 nahmen die Widerklägerinnen ihre Widerklageanträge mit Zustimmung des Drittwiderbeklagten zurück. Nachdem die Klägerin und die Beklagten sich verglichen hatten, hat das LG mit Beschluss vom 23.9.2009 den Widerklägerinnen die außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten auferlegt. Der Streitwert wurde ab Erweiterung der Widerklage für den gesamten Rechtsstreit auf 8.080.000 EUR, der Streitwert für die Widerklage insgesamt auf 2.400.000 EUR festgesetzt.

Rz. 2

Auf Antrag des Drittwiderbeklagten setzte das LG mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21.10.2009 auf der Grundlage eines Streitwerts von 8.080.000 EUR die von den Widerklägerinnen zu tragenden außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten auf 76.766,90 EUR fest. Auf die sofortige Beschwerde der "Beklagten zu 1)-3)" gegen die Kostenfestsetzung änderte das Beschwerdegericht den Kostenfestsetzungsbeschluss dahin ab, dass jede der drei Widerklägerinnen an Kosten 8.631,47 EUR nebst Zinsen an den Drittwiderbeklagten zu erstatten habe. Es hat die Ansicht vertreten, die Beschwerdeschrift sei bei verständiger Würdigung dahin auszulegen, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Widerklägerinnen die sofortige Beschwerde nicht auch im Namen der Beklagten zu 1), sondern im Namen der Widerklägerin zu 3) eingelegt habe. Das LG habe der Kostenfestsetzung zu Unrecht einen Streitwert von 8.080.000 EUR zugrunde gelegt. Der gem. § 2 Abs. 1 RVG für die Berechnung der Gebühren des Prozessbevollmächtigten des Drittwiderbeklagten maßgebende Wert des Gegenstands seiner anwaltlichen Tätigkeit sei beschränkt auf das Prozessrechtsverhältnis zwischen den Widerklägerinnen und dem Drittwiderbeklagten und betrage daher (nur) 2.400.000 EUR. Zutreffend habe das LG jedoch entgegen der Ansicht der Widerklägerinnen zugunsten des Drittwiderbeklagten eine volle, durch die Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten entstandene 1,3 Verfahrensgebühr festgesetzt, wie aus § 15a RVG folge. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung i.S.v. § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen, da eine Entscheidung des BGH als Rechtsbeschwerdegericht im Hinblick auf abweichende Entscheidungen anderer OLG zur Anwendbarkeit von § 15a RVG auf sog. "Altfälle" erforderlich sei.

Rz. 3

Der Drittwiderbeklagte erstrebt mit der Rechtsbeschwerde die Wiederherstellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des LG.

Rz. 4

II. Die Rechtsbeschwerde ist teilweise bereits mangels Zulassung unzulässig; im Umfang der Zulassung ist sie unzulässig, weil der Drittwiderbeklagte nicht beschwert ist.

Rz. 5

1. Das Beschwerdegericht kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 ZPO auf Teile des Streitstoffs beschränken. Die Beschränkung muss nicht im Tenor des Beschlusses angeordnet sein, sondern kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Allerdings muss sich in diesem Fall die Beschränkung den Entscheidungsgründen eindeutig entnehmen lassen. Das ist anzunehmen, wenn die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, bei mehreren Streitgegenständen nur für einen von ihnen erheblich ist, weil dann in der Angabe dieses Zulassungsgrundes regelmäßig die eindeutige Beschränkung der Zulassung auf diesen Gegenstand zu sehen ist (BGH, Beschl. v. 11.1.2011 - VIII ZB 92/09, WuM 2011, 137 Rz. 5 m.w.N.). So verhält es sich hier.

Rz. 6

a) Das Beschwerdegericht hat, worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend hinweist, die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil es die Frage für klärungsbedürftig hält, ob § 15a RVG auf die vorliegende Fallgestaltung Anwendung findet und mit den hierin enthaltenen Anrechnungsregeln die bei seinem Inkrafttreten bereits bestehende Gesetzeslage lediglich klargestellt oder verändert hat. Damit hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde allein auf die Entscheidung über die zur Festsetzung angemeldete Verfahrensgebühr beschränkt. Denn nur hierzu verhalten sich die zur Erläuterung der Zulassung angeführten abweichenden Entscheidungen. Die Verpflichtung der Widerklägerinnen, die übrigen anwaltlichen Gebühren und Auslagen des Prozessbevollmächtigten des Drittwiderbeklagten zu ersetzen, stellt dagegen einen von der Zulassungsfrage unabhängigen Teil des im Kostenfestsetzungsverfahren zu beurteilenden Streitstoffs dar (BGH, Beschl. v. 11.1.2011 - VIII ZB 92/09, WuM 2011, 137 Rz. 5).

Rz. 7

b) Die vom Beschwerdegericht vorgenommene Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch wirksam. Denn die Zulassung kann auf einen tatsächlich oder rechtlich selbständigen Teil des Streitstoffes beschränkt werden, der Gegenstand einer gesonderten Festsetzung sein oder auf den der Beschwerdeführer sein Rechtsmittel beschränken könnte. Das unterliegt hinsichtlich der hier zur Erstattung angemeldeten einzelnen Kostenposition keinem Zweifel (so auch BGH, Beschl. v. 11.1.2011 - VIII ZB 92/09, WuM 2011, 137 Rz. 6).

Rz. 8

2. Soweit die Rechtsbeschwerde zugelassen ist, ist sie unzulässig, weil der Drittwiderbeklagte durch die Beschwerdeentscheidung nicht beschwert ist (vgl. BGH, Beschl. v. 11.7.1952 - III ZA 51/52, BGHZ 7, 62, 63 f.; Urt. v. 5.11.2003 - VIII ZR 320/02, WM 2004, 853; Urt. v. 3.3.2005 - IX ZR 45/04, NJW-RR 2005, 715, 716). Beschwert sind insoweit nur die Widerklägerinnen. Denn das Beschwerdegericht hat § 15a RVG zugunsten des Drittwiderbeklagten angewandt und die von seinem Prozessbevollmächtigten angemeldete Verfahrensgebühr nicht um die hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr gekürzt, sondern i.H.v. 1,3 (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 3100 RVG-VV) festgesetzt.

Rz. 9

3. Die Rechtsbeschwerde hätte im Übrigen aber auch keinen Erfolg.

Rz. 10

a) Zwar gehört zum notwendigen Inhalt der Beschwerdeschrift neben den weiteren gesetzlich normierten Voraussetzungen auch die Angabe, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird. Die Rechtsmittelschrift muss entweder für sich allein betrachtet oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig erkennen lassen, wer Rechtsmittelführer und wer Rechtsmittelgegner sein soll (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2010 - XII ZR 18/09, NJW-RR 2011, 359 Rz. 10; Beschl. v. 11.5.2010 - VIII ZB 93/09, NJW-RR 2010, 281 Rz. 9 m.w.N.). An die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH muss bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung jeder Zweifel an der Person des Rechtsmittelführers ausgeschlossen sein. Dabei sind jedoch, wie allgemein bei der Auslegung von Prozesserklärungen, alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 15.12.2010 - XII ZR 18/09, NJW-RR 2011, 359 Rz. 11; Beschl. v. 11.5.2010 - VIII ZB 93/09, NJW-RR 2010, 281 Rz. 10).

Rz. 11

Danach ist das Beschwerdegericht zutreffend davon ausgegangen, dass die sofortige Beschwerde im Namen der Widerklägerinnen zu 1)-3) eingelegt worden ist und es sich bei der Bezeichnung "Beklagten zu 1)-3)" um eine Fehlbezeichnung gehandelt hat. Dies erschloss sich ohne Weiteres aus dem Kostenfestsetzungsantrag, dem Kostenfestsetzungsbeschluss, der sich völlig zweifelsfrei auf die Kostentragungspflicht der Widerklägerinnen zu 1)-3) im Verhältnis zum Drittwiderbeklagten bezog, und dem Umstand, dass es wegen des außergerichtlichen Vergleichs der Klägerin mit den Beklagten überhaupt nur im Verhältnis der Widerklägerinnen zum Drittwiderbeklagten einer gerichtlichen Kostenfestsetzung bedurfte.

Rz. 12

b) Das Beschwerdegericht hat auch zu Recht den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Drittwiderbeklagten nach § 2 Abs. 1 RVG mit 2.400.000 EUR angenommen. Das für die Ermittlung des Gegenstandswerts maßgebliche Prozessrechtsverhältnis, das gerade auch durch die Parteien des Rechtsstreits bestimmt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 10.5.2010 - II ZB 14/09, ZIP 2010, 1413 Rz. 10), bestand nur zwischen dem Drittwiderbeklagten und den Widerklägerinnen. Nur diese waren die Gegenpartei des Drittwiderbeklagten; die weiteren im Rechtsstreit vor dem LG gestellten Anträge betrafen den Drittwiderbeklagten nicht und vermochten deshalb auch kein Prozessrechtsverhältnis zwischen ihm und den Widerklägerinnen zu begründen. Nur im Rahmen dieses Prozessrechtsverhältnisses zu den Widerklägerinnen hatte der Drittwiderbeklagte seinen Prozessbevollmächtigten mit seiner Vertretung beauftragt. Damit war die anwaltliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Drittwiderbeklagten auf die durch die Drittwiderklageanträge bestimmten Gegenstände beschränkt, deren Wert i.S.v. § 2 Abs. 1 RVG (nur) 2.400.000 EUR beträgt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2707766

BB 2011, 1474

NJW 2011, 2371

NJW 2011, 8

EBE/BGH 2011

JurBüro 2011, 492

ZIP 2011, 1587

MDR 2011, 1065

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