Leitsatz (amtlich)
a) Besondere und für die Betreuung nutzbare Kenntnisse i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG sind solche, die über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehen und den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen (im Anschluss an BGH v. 23.10.2013 - XII ZB 429/13, FamRZ 2014, 116).
b) Sind dem Betreuer die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge und der Vermögenssorge übertragen, sind die im Kernbereich einer abgeschlossenen Berufsausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten erworbenen Kenntnisse regelmäßig für die Führung der Betreuung besonders nutzbar.
Normenkette
VBVG § 4 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Leipzig (Beschluss vom 28.08.2015; Aktenzeichen 1 T 432/15) |
AG Eilenburg (Beschluss vom 30.03.2015; Aktenzeichen 2 XVII 205/13) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1) wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Leipzig vom 28.8.2015 aufgehoben.
Auf die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des AG Eilenburg vom 30.3.2015 aufgehoben und die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des AG Eilenburg vom 8.1.2014 zurückgewiesen.
Die Rechtsmittelverfahren sind gerichtsgebührenfrei. Die außergerichtlichen Kosten des weiteren Beteiligten zu 1) werden dem weiteren Beteiligten zu 2) auferlegt.
Wert: 137 EUR
Gründe
Rz. 1
Die Rechtsbeschwerde, mit welcher der Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Betreuer) für die Zeit vom 13.4.2013 bis zum 12.10.2013 die Festsetzung einer Betreuervergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 33,50 EUR statt der vom Beschwerdegericht zuerkannten 27 EUR erstrebt, ist begründet.
Rz. 2
1. Die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass der Betreuer durch seine abgeschlossene Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten (Sozialversicherungskaufmann) nur am Rande für die Betreuung nutzbare besondere Kenntnisse erworben habe, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 3
a) Im Ansatz zu Recht geht das LG davon aus, dass nach Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG ein erhöhter Stundensatz nicht bereits gerechtfertigt ist, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist. Davon ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dadurch das erworbene betreuungsrelevante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht. Besondere und für die Betreuung nutzbare Kenntnisse i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG sind solche, die über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehen und den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen (vgl. BGH v. 23.10.2013 - XII ZB 429/13, FamRZ 2014, 116 Rz. 12 m.w.N.).
Rz. 4
b) Das Beschwerdegericht hat den Begriff der "für die Betreuung nutzbaren" Kenntnisse verkannt und daher den Einzelfall im Ergebnis unzutreffend gewürdigt. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts zu den inhaltlichen Schwerpunkten der Ausbildung ist insb. davon auszugehen, dass der Betreuer im Kernbereich seiner Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten bei einer gesetzlichen Krankenkasse umfassende Einblicke in Organisationsstruktur und Leistungsspektrum der Sozialversicherung und vertiefte Rechtskenntnisse im Sozialrecht und im Verwaltungsverfahrensrecht erworben hat. Diese besonderen Kenntnisse sind jedenfalls dann für die Führung der Betreuung nutzbar, wenn dem Betreuer - wie im vorliegenden Fall - die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge und der Vermögenssorge übertragen sind. Personen, die in diesen Bereichen einer Betreuung bedürfen, benötigen häufig auch Unterstützung durch verschiedene Systeme der sozialen Sicherung. Ein entsprechend ausgebildeter Betreuer kann daher die Betreuung besser und effektiver erbringen als ein Betreuer ohne diese Kenntnisse. Die Annahme, die im Schwerpunkt auf diese Kenntnisse ausgerichtete Ausbildung habe nur am Rande betreuungsrelevante Kenntnisse vermittelt, kann deswegen keinen Bestand haben.
Rz. 5
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist daher aufzuheben. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist der Senat auch zu einer abschließenden Entscheidung in der Sache in der Lage (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Fundstellen
Haufe-Index 10494400 |
FamRZ 2017, 756 |
FuR 2017, 335 |
NJW-RR 2017, 646 |
FGPrax 2017, 82 |
BtPrax 2017, 127 |
MDR 2017, 547 |
Rpfleger 2017, 394 |