Leitsatz (amtlich)

Die Terminsgebühr für die Berufungsinstanz (RVG-VV Nr. 3202) entsteht nicht, wenn das Berufungsgericht die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweist. In diesem Fall kann die Terminsgebühr auch nicht durch eine Besprechung der Rechtsanwälte ohne Beteiligung des Gerichts entstehen (Fortführung von Senat, Beschl. v. 1.2.2007 - V ZB 110/06, BGHReport 2007, 369 m. Anm. Goebel = Rz. 19).

 

Normenkette

RVG VV Nr. 3202 Vorbem. 3 Abs. 3

 

Verfahrensgang

OLG Dresden (Beschluss vom 29.08.2006; Aktenzeichen 3 W 1059/06)

LG Bautzen (Entscheidung vom 17.06.2005; Aktenzeichen 2 O 918/04)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des OLG Dresden vom 29.8.2006 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Bautzen vom 9.6.2006 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 787,87 EUR.

 

Gründe

I.

[1] Mit notariellem Vertrag vom 9.12.2003 verkaufte der Kläger an den Beklagten ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück. Nach Rücktritt von dem Vertrag wegen Zahlungsverzuges erhob der Kläger gegen den Beklagten eine Klage auf Zustimmung zur Löschung einer für den Käufer eingetragenen Auflassungsvormerkung.

[2] Das LG gab der Klage statt. Das OLG wies den Beklagten auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung durch Beschluss hin. Der Beklagte nahm dazu Stellung. Danach fand zwischen den Rechtsanwälten der Parteien ein Telefongespräch statt, dessen Inhalt streitig ist. Das Gespräch blieb ohne Ergebnis. Das OLG wies - wie angekündigt - die Berufung auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Beklagten durch einstimmigen Beschluss zurück.

[3] In seinem Kostenfestsetzungsantrag hat der Kläger für die Berufungsinstanz auch die Festsetzung einer Terminsgebühr nach RVG-VV Nr. 3202 unter Hinweis auf das zur Erledigung der Berufung geführte Telefongespräch zwischen den Rechtsanwälten beantragt. Das LG hat in dem Kostenfestsetzungsbeschluss die Terminsgebühr nicht festgesetzt; das OLG hat auf die sofortige Beschwerde des Klägers den Kostenfestsetzungsbeschluss dem Antrag des Klägers entsprechend abgeändert. Mit der von dem OLG zugelassenen Rechtsbeschwerde will der Beklagte die Wiederherstellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des LG erreichen.

II.

[4] 1. Das Beschwerdegericht meint, die von dem Kläger beanspruchte Terminsgebühr sei nach der Vorbem. 3 Abs. 3 zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses durch das im Laufe des Berufungsverfahrens zwischen den Rechtsanwälten der Parteien geführte Telefongespräch entstanden. Gegenstand des Gespräches sei nach dem Vortrag des Klägers eine Gesamtlösung der zahlreichen Streitigkeiten zwischen den Parteien gewesen, mit der auch das anhängige Berufungsverfahren habe erledigt werden sollen. Der Kläger habe sein Vorbringen durch Vorlage eines der Besprechung vorangegangenen Schreibens des Prozessbevollmächtigten des Beklagten glaubhaft gemacht, in dem dieser u.a. auf die Möglichkeit einer Erledigung der Sache durch den Abschluss eines Pachtvertrages hingewiesen habe. Der Beklagte habe demgegenüber durch seinen Prozessbevollmächtigten nur vage Angaben zum Inhalt des Telefongespräches gemacht. Die Terminsgebühr sei auch erstattungsfähig, weil die Besprechung während eines anhängigen Rechtsstreits zu dessen Erledigung geführt worden sei.

[5] 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

[6] a) Der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts beruht auf rechtsfehlerhafter Auslegung der Nr. 3 Abs. 3 der Vorbemerkungen des Vergütungsverzeichnisses zu § 2 Abs. 2 RVG. Das Beschwerdegericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die von dem Kläger geltend gemachte Terminsgebühr für den Berufungsrechtszug nach RVG-VV Nr. 3202 durch das zwischen den Anwälten der Parteien geführte Telefongespräch entstanden ist.

[7] aa) Das Beschwerdegericht verkennt, dass eine Terminsgebühr auch nach Nr. 3 Abs. 3 der Vorbemerkungen nicht zu einer von den einzelnen Gebührentatbeständen losgelösten Korrespondenzgebühr für anwaltliche Besprechungen in den Streitigkeiten umgestaltet worden ist, in denen eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht vorgesehen ist. Der Senat hat dazu in dem - allerdings erst nach der Entscheidung des Beschwerdegerichts - ergangenen Beschluss vom 1.2.2007 (V ZB 110/06, BGHReport 2007, 369 m. Anm. Goebel = Rz. 19 - zur Veröffentlichung bestimmt) ausgeführt, dass eine Terminsgebühr durch ein Gespräch zwischen den Rechtsanwälten der Parteien zur Erledigung einer Streitigkeit nicht entstehen kann, wenn für das gerichtliche Verfahren eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist und das Gericht durch Beschluss entscheidet. Der Senat nimmt wegen der weiteren Begründung auf die Ausführungen in seinem Beschluss vom 1.2.2007 Bezug.

[8] bb) Die zitierte Entscheidung betraf eine außergerichtliche Besprechung zur Erledigung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach § 544 ZPO. Der vorgenannte Grundsatz gilt jedoch allgemein. Er ist auch auf das Berufungsverfahren vor einer Terminierung nach § 523 ZPO anzuwenden, obwohl über eine Berufung grundsätzlich aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden ist. Der Verhandlungsgrundsatz gilt für Berufungen nämlich nicht, wenn - wie hier - das Berufungsgericht einstimmig zu der Überzeugung gelangt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die in § 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO bezeichneten Voraussetzungen für eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht vorliegen. Das Berufungsgericht hat zunächst über die Voraussetzungen einer Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO zu entscheiden und darf erst dann nach § 523 ZPO terminieren und verhandeln. Es ist dagegen nicht befugt, nach seinem Ermessen über eine nach seiner einstimmigen Überzeugung aussichtslose Berufung im Urteilsverfahren zu entscheiden, wodurch es mittelbar auch die Anfechtbarkeit seiner Entscheidung durch die dann mögliche Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde steuern könnte (dazu BVerfG v. 5.8.2002 - 2 BvR 1108/02, NJW 2003, 281).

[9] Die gebührenrechtliche Folge der durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27.7.2001 (BGBl. I, 1887) herbeigeführten Änderungen für den Berufungsrechtszug ist, dass in den Beschlussverfahren nach § 522 ZPO keine Terminsgebühr nach RVG-VV Nr. 3202 anfällt (AnwKomm/RVG/N. Schneider/Wahlen, 3. Aufl., VV Nr. 3202 Rz. 8; Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., VV Nr. 3202 Rz. 8; Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke, RVG, 2. Aufl., S. 161; Mayer/Kroiß/Maué, RVG, 2. Aufl., VV Nrn. 3200-3205 Rz. 11). Die anwaltliche Tätigkeit wird dann allein durch die Verfahrensgebühr nach RVG-VV Nr. 3200 abgegolten. Der Gesetzgeber hat bewusst von der Aufnahme einer Terminsgebühr abgesehen. Die Notwendigkeit einer Terminsgebühr für die Verfahren, in denen eine aussichtslose Berufung ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss des Gerichts zurückgewiesen wird, ist in der Begründung des Entwurfes zum Kostenmodernisierungsgesetz (BT-Drucks. 15/1971, 212) mit der Erwägung verneint worden, dass ein besonderer Aufwand des Anwalts nicht ersichtlich sei und die Parteien eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung auch nicht verhindern könnten. Der Gesetzgeber hat im Kostenrecht damit dem Ziel der Zivilprozessrechtsreform Rechnung getragen, nach der die aussichtslosen Berufungen in einem vereinfachten Verfahren zügig erledigt werden sollten und dem Berufungskläger nach dem Hinweis des Berufungsgerichts die Möglichkeit einer kostengünstigen Erledigung erhalten bleiben sollte (vgl. dazu BT-Drucks. 14/4722, 97, 98).

[10] Die von dem Gesetzgeber verfolgten Ziele würden indes vereitelt, wenn man die Vorbem. 3 zu Teil 3 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes wie das Beschwerdegericht dahin auslegte, dass auch nach einem Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts über die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung bei dem Rechtsanwalt des Berufungsbeklagten die Terminsgebühr durch eine Besprechung mit dem Berufungskläger ohne Mitwirkung des Gerichts entsteht. Der im Schrifttum vorgeschlagene "Praxistipp" für den Anwalt des Berufungsbeklagten, nach einem solchen Hinweis des Berufungsgerichts über die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung noch eine Besprechung mit dem Berufungskläger zu führen (Enders, JurBüro 2005, 245), scheitert daran, dass bei einer Zurückweisung der Berufung durch einen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO keine Terminsgebühr entstehen kann.

[11] b) Da die Terminsgebühr nicht entstanden ist, bedarf es keiner Entscheidung der Rechtsfrage, wegen derer das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, nämlich unter welchen Voraussetzungen eine Terminsgebühr, die aufgrund von Besprechungen ohne Mitwirkung des Gerichts entstanden ist, in dem Verfahren nach §§ 103, 104 ZPO festgesetzt werden kann (dazu: BGH, Beschl. v. 20.11.2006 - II ZB 6/06, BGHReport 2007, 231 = MDR 2007, 557 = JurBüro 2007, 26; Senat, Beschl. v. 14.12.2006, V ZB 11/06, RVG-Letter 2007, 14).

[12] 3. Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist wegen des ihn tragenden Rechtsfehlers aufzuheben und - da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 ZPO) - die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungebeschluss des LG zurückzuweisen.

III.

[13] Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewerts für die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 3 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1758349

BB 2007, 1360

NJW 2007, 2644

BGHR 2007, 735

EBE/BGH 2007

FamRZ 2007, 1096

JurBüro 2007, 525

ZAP 2007, 702

AnwBl 2007, 631

MDR 2007, 1103

NJ 2007, 365

Rpfleger 2007, 574

ZfS 2007, 467

NZBau 2007, 448

RENOpraxis 2008, 23

RVGreport 2007, 271

Mitt. 2007, 383

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge