Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des 8. Zivilsenats – 2. Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Naumburg vom 13. März 2000 aufgehoben.
Wert: 2.138 DM.
Gründe
I.
Der Kläger ist ein volljähriger Sohn des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe. Mit der Klage macht er einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt geltend. Beide Eltern sind berufstätig, das Kindergeld wird der Mutter ausgezahlt. Der Beklagte hat einen Anspruch auf Zahlung von 500 DM monatlich anerkannt, insofern ist ein Teilanerkenntnisurteil ergangen. Der weitergehenden Klage hat das Familiengericht durch Schlußurteil vom 11. November 1999 teilweise stattgegeben, im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit einem per Fax am 27. Dezember 1999 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger zur Durchführung einer beabsichtigten Berufung Prozeßkostenhilfe beantragt. Wegen der Erfolgsaussicht hat er auf einen als Anlage beigefügten „Entwurf der Berufungsbegründung” verwiesen. Die Anlage ist mit „Berufung” überschrieben, ohne einen weiteren Zusatz, daß es sich lediglich um einen Entwurf handelt. Sie enthält das volle Rubrum, Berufungsanträge und auf insgesamt acht Seiten eine Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil. Der Prozeßkostenhilfeantrag und die Anlage sind unterzeichnet von einer beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwältin.
Durch Beschluß vom 7. Januar 2000 hat das Berufungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zurückgewiesen mit der Begründung, die wirtschaftlichen Voraussetzungen seien nicht gegeben, weil der Kläger von seinen Eltern einen Prozeßkostenvorschuß verlangen könne. Dieser Beschluß wurde dem Kläger am 12. Januar 2000 zugestellt. Daraufhin hat er mit einem am 25. Januar 2000 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und erneut zur Durchführung der Berufung Prozeßkostenhilfe beantragt. Ausführungen zur Begründung der Berufung enthält dieser Schriftsatz nicht. Durch Beschluß vom 26. Januar 2000 hat das Berufungsgericht dem Kläger wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt und seinen erneuten Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zurückgewiesen.
Auf einen entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts hin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 9. März 2000 die Ansicht vertreten, die Berufung sei bereits mit der Anlage zu dem ersten Prozeßkostenhilfegesuch ordnungsgemäß begründet worden. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Das Berufungsgericht führt aus, die Berufung sei unzulässig, weil sie nicht rechtzeitig begründet worden sei (§ 519 ZPO). Der Schriftsatz, der als Anlage zu dem ersten Prozeßkostenhilfegesuch eingereicht worden sei, erfülle zwar inhaltlich die an eine Berufungsbegründung zu stellenden Anforderungen. Er könne aber nicht als Berufungsbegründung gewertet werden, weil der Kläger ihn in dem Prozeßkostenhilfegesuch ausdrücklich als Entwurf bezeichnet habe. Nachdem der Kläger Berufung eingelegt habe, habe er zur Begründung dieser Berufung nichts mehr vorgetragen und auch nicht – jedenfalls nicht rechtzeitig – auf den zuvor eingereichten Entwurf einer Berufungsbegründung Bezug genommen.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht beruft sich für seine Ansicht zu Unrecht auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart (FamRZ 2000, 240), die – wie das Berufungsgericht zutreffend anführt – vom Bundesgerichtshof bestätigt worden ist (Senatsbeschluß vom 15. September 1999 – XII ZB 114/99). In dem damals entschiedenen Fall war zwar auch zusammen mit einem Prozeßkostenhilfegesuch der Entwurf einer eine Begründung enthaltenden Berufungsschrift eingereicht worden. Es handelte sich damals aber nicht darum, ob die Anlage als ordnungsgemäße Berufungsbegründung angesehen werden könne, es handelte sich vielmehr darum, ob die Partei ordnungsgemäß Berufung eingelegt habe. Der Senat hat diese Frage verneint und entscheidend darauf abgestellt, wenn eine Partei Prozeßkostenhilfe beantrage und den Entwurf einer Berufungsschrift vorlege, könne man daraus nicht entnehmen, daß sie schon unbedingt Berufung einlegen wolle, weil sie im Falle der unbedingten Einlegung eines Rechtsmittels ein Kostenrisiko eingehen würde, das sie gerade vermeiden wolle.
Dieser Gesichtspunkt hat für den vorliegenden Fall keine Bedeutung. Es entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß auch die Bezugnahme auf ein bei den Akten befindliches Prozeßkostenhilfegesuch, die nicht ausdrücklich erfolgen muß, sondern sich auch aus den Begleitumständen oder dem Zusammenhang ergeben kann, als Berufungsbegründung ausreichend sein kann. Da im allgemeinen keine Partei die mit der Versäumung einer Rechtsmittelfrist verbundenen Nachteile in Kauf nehmen will, muß im Zweifel angenommen werden, daß ein inhaltlich den Anforderungen des § 519 Abs. 3 ZPO entsprechendes, von dem beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnetes Prozeßkostenhilfegesuch auch als Berufungsbegründung dienen soll, sofern nicht ein anderer Wille des Rechtsmittelführers erkennbar ist (Senatsbeschluß vom 9. November 1988 – IVb ZB 154/88 – FamRZ 1989, 269; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 2. Aufl. § 519 Rdn. 5; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 21. Aufl. § 519 Rdn. 37; Musielak/Ball, ZPO § 519 Rdn. 35; Thomas/Putzo, ZPO 22. Aufl. § 519 Rdn. 2; Baumbach/Albers, ZPO 58. Aufl. § 519 Rdn. 28, jeweils m.w.N.).
Anhaltspunkte für einen entgegenstehenden Willen des Rechtsmittelführers, der sich zum Beispiel daraus ergeben könnte, daß er in irgendeiner Form die Einreichung einer eigenen Berufungsbegründung angekündigt hat, sind vom Berufungsgericht nicht festgestellt und auch nicht ersichtlich. Der Kläger ist vielmehr erkennbar davon ausgegangen, eine weitere Begründung der Berufung sei nicht mehr erforderlich.
Der Rechtsstreit muß an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit das Berufungsgericht in der Sache über die Berufung des Klägers entscheiden kann.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Hahne, Gerber, Wagenitz
Fundstellen
NJW-RR 2001, 789 |
VersR 2001, 1176 |