Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Beschwerdebefugnis der Staatskasse. Beschränkung auf Zahlungsanordnung. Zulassung der Rechtsbeschwerde. Prüfung der sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen durch das Beschwerdegericht
Leitsatz (amtlich)
a) Die Beschwerdebefugnis der Staatskasse ist bei bewilligenden Prozesskostenhilfeentscheidungen auf die in § 127 Abs. 3 Satz 1 ZPO ausdrücklich genannten Fälle einer Zahlungsanordnung beschränkt. Sie kann nur solche Beschwerdeanträge stellen, die darauf gerichtet sind, dem Antragsteller die Leistung von Zahlungen auf die Kosten der Prozessführung aufzuerlegen. Dagegen ist eine von der Staatskasse mit dem Ziel eingelegte Beschwerde, die Verweigerung von Prozesskostenhilfe zu erreichen, unstatthaft.
b) Ist die Anfechtbarkeit einer Entscheidung gesetzlich ausgeschlossen oder begrenzt, kann auch eine positive Zulassungsentscheidung den Rechtsmittelzug nicht eröffnen, weil eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung nicht mit Hilfe einer Zulassung der Anfechtung unterworfen werden kann (Anschluss an BGH, Beschl. v. 13.11.2008 - IX ZB 231/07, NJW-RR 2009, 210).
Normenkette
ZPO §§ 127, 574
Verfahrensgang
LG Kiel (Beschluss vom 09.06.2009; Aktenzeichen 1 T 50/09) |
AG Kiel (Beschluss vom 19.03.2009; Aktenzeichen 111 C 536/08) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten gegen den Beschuss des LG Kiel vom 9.6.2009 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Wert des Beschwerdegegenstandes: bis 300 EUR.
Gründe
I.
[1] Die Beklagte, die Mieterin einer Wohnung der Klägerin ist, hat zur Rechtsverteidigung gegen eine von der Klägerin erhobene Räumungs- und Zahlungsklage Prozesskostenhilfe beantragt. Mit richterlicher Verfügung vom 13.2.2009 hat ihr das AG unter Fristsetzung bis zum 2.3.2009 aufgegeben, ihre Angaben zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu ergänzen. Nachdem die Beklagte dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen war, hat ihr das AG durch Beschluss vom 19.3.2009 unter Hinweis auf die Fristversäumung Prozesskostenhilfe versagt. Hiergegen hat die Beklagte unter dem 9.4.2009 sofortige Beschwerde eingelegt und im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung mit Schriftsatz vom 14.5.2009 die Angaben zu ihren wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen ergänzt. Das AG hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 15.5.2009 nicht abgeholfen, weil die Versäumung der gesetzten Frist nicht durch nachträgliche Angaben geheilt werden könne. Das LG hat den Beschluss des AG aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Beschlussfassung an das AG zurückverwiesen, weil entgegen der Auffassung des AG § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO nicht als Regelung einer Ausschlussfrist verstanden werden könne, so dass das AG im Rahmen seiner (Nicht-)Abhilfeprüfung das Beschwerdevorbringen, durch das die Beklagte die Angaben zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ergänzt habe, noch hätte berücksichtigen müssen. Hiergegen wendet sich die weitere Beteiligte (Bezirksrevisorin bei dem LG als Vertreterin der Staatskasse) mit ihrer vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie eine Wiederherstellung der Prozesskostenhilfe versagenden Entscheidung des AG begehrt. Sie ist mit dem AG der Auffassung, dass § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO nach Ablauf der gesetzten Frist eine Berücksichtigung ergänzender Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Beklagten ausschließe; diese könne Prozesskostenhilfe vielmehr nur aufgrund eines erneuten Antrages erlangen.
II.
[2] 1. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil der weiteren Beteiligten kein Beschwerderecht zusteht.
[3] a) Eine Beschwerde der Staatskasse, die nach § 127 Abs. 3 Satz 1 ZPO stattfindet, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind, kann nach § 127 Abs. 3 Satz 2 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten hat. Dementsprechend ist das Beschwerderecht der Staatskasse auf den Fall beschränkt, dass Prozesskostenhilfe zwar bewilligt, rechtsfehlerhaft jedoch weder Ratenzahlungen aus dem Einkommen noch Zahlungen aus dem Vermögen angeordnet worden sind. Der Sinn dieses der Staatskasse eingeräumten Beschwerderechts hat nach den aus den Gesetzesmaterialien ersichtlichen Absichten des Gesetzgebers sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift darin gelegen, im Interesse der Haushaltsmittel der Länder zu Unrecht unterbliebene Zahlungsanordnungen nachträglich zu erreichen. Dementsprechend ist der Staatskasse auch nur in diesem beschränkten Umfang ein Beschwerderecht zugebilligt worden, nämlich nur zu einer dahin gehenden Kontrolle von Bewilligungsentscheidungen, in denen Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung bewilligt worden ist (BGHZ 119, 372, 375 m.w.N.; OLG Brandenburg FamRZ 2002, 1714).
[4] Eine - wie hier - von der Staatskasse mit dem Ziel eingelegte Beschwerde, die Verweigerung von Prozesskostenhilfe zu erreichen, ist deshalb nicht statthaft. Vielmehr grenzt § 127 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Beschwerdebefugnis der Staatskasse bei bewilligenden Prozesskostenhilfeentscheidungen auf die in § 127 Abs. 3 Satz 1 ZPO ausdrücklich genannten Fälle einer Zahlungsanordnung ein und beschränkt gem. § 127 Abs. 3 Satz 2 ZPO darüber hinaus die möglichen Anfechtungsgründe, so dass nur solche Beschwerdeanträge zugelassen sind, die darauf gerichtet sind, dem Antragsteller die Leistung von Zahlungen auf die Kosten der Prozessführung aufzuerlegen (OLG Nürnberg FamRZ 1998, 252; Motzer in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 127 Rz. 27; Musielak/Fischer, ZPO, 7. Aufl., § 127 Rz. 9).
[5] b) An der Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde ändert nichts, dass das LG diese zugelassen hat. Denn die Zulassung der Rechtsbeschwerde hat keine Ausweitung der Rechtsschutzmöglichkeiten über die gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen hinaus zur Folge. Dementsprechend macht die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht die Prüfung der sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht entbehrlich, zu denen u.a. die Feststellung gehört, ob der Rechtsmittelführer durch die angegriffene Entscheidung überhaupt beschwert ist oder ob ihm hiergegen ein Beschwerderecht zusteht (vgl. Senat, Urt. v. 10.3.1993 - VIII ZR 85/92, NJW 1993, 2052, unter II 1; Lipp in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 567 Rz. 26, § 574 Rz. 17). Vielmehr wird einem Beschwerdeführer durch die Rechtsmittelzulassung die Einlegung einer Rechtsbeschwerde nur ermöglicht, wenn und soweit sie nach dem Gesetz statthaft und auch sonst zulässig ist. Ist dagegen - wie hier durch § 127 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO - die Anfechtbarkeit der Entscheidung gesetzlich ausgeschlossen oder begrenzt, vermag auch eine positive Zulassungsentscheidung den Rechtsmittelzug nicht zu eröffnen, weil eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung nicht mit Hilfe einer Zulassung der Anfechtung unterworfen werden kann (BGH, Beschl. v. 13.11.2008 - IX ZB 231/07, NJW-RR 2009, 210, Tz. 6 m.w.N.).
[6] 2. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens findet gem. § 127 Abs. 4 ZPO nicht statt (vgl. BGH, Beschl. v. 23.3.2006 - IX ZB 130/05, NJW 2006, 1597, Tz. 10; Musielak/Fischer, a.a.O., § 127 Rz. 29; jeweils m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 2274464 |
HFR 2010, 538 |