Verfahrensgang
OLG Bamberg (Entscheidung vom 13.12.2022; Aktenzeichen 7 U 23/22) |
LG Hof (Entscheidung vom 22.04.2022; Aktenzeichen 33 O 202/19) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg - 7. Zivilsenat - vom 13. Dezember 2022 - 7 U 23/22 - wird auf deren Kosten als unzulässig verworfen.
Streitwert: bis 500 €
Gründe
I.
Rz. 1
Die Parteien streiten im Wege der Stufenklage um Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erbfall nach E. H. (Erblasserin).
Rz. 2
Die am 5. März 2018 verstorbene Erblasserin war die Stiefmutter der Klägerin und mit deren Vater, der am 16. Februar 2017 vorverstarb, verheiratet. Die Klägerin ist alleinige Nacherbin nach ihrem Vater und der Erblasserin. Die Beklagte ist die Schwester der Erblasserin. Diese verfügte zu Lebzeiten über Bankkonten bei der VR-Bank Fichtelgebirge-Frankenwald eG und bei der VR-Bank Bayreuth-Hof eG. Seit dem 26. Oktober 2017 war die Beklagte Inhaberin einer Bankvollmacht für alle Konten der Erblasserin.
Rz. 3
Das Landgericht hat die Beklagte durch Teilurteil vom 22. April 2022 verurteilt,
1. der Klägerin durch Vorlage einer geordneten Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben, einschließlich der dazugehörigen Belege, eine Abrechnung über die von ihr während der Zeit ihrer Bevollmächtigung für die am 5. März 2018 verstorbene Frau E. H. … getätigten Geschäfte ab dem 26. Oktober 2017 bis zum Todestag zu erteilen,
2. der Klägerin Auskunft über den Bestand der Erbschaft … und über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände zu erteilen durch Vorlage eines Verzeichnisses,
3. …
4. für den Fall, dass Grund zu der Annahme besteht, dass die Abrechnung gemäß vorstehenden Ziffern 1 und 2 nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt wurde, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass sie die Auskunft nach bestem Wissen so vollständig erteilt hat, als sie dazu in der Lage war,
und den Streitwert auf 130.000 € festgesetzt.
Rz. 4
Die hiergegen von der Beklagten erhobene Berufung hat das Oberlandesgericht - nach entsprechender Ankündigung im (Hinweis-)Beschluss vom 26. Oktober 2022 - durch Beschluss vom 13. Dezember 2022 mit der Begründung als unzulässig verworfen, dass die erforderliche Beschwer gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht erreicht werde. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II.
Rz. 5
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 6
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO ohne Rücksicht auf den Beschwerdewert statthafte (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2019 - III ZB 28/19, NJW-RR 2020, 189 Rn. 4 mwN) sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats erfordert.
Rz. 7
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Durch den angefochtenen Verwerfungsbeschluss wird die Beklagte nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG und in ihrem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz verletzt, welches den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung vorgesehenen Instanz in unzumutbarer und aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. zB Senat, Beschlüsse vom 15. Dezember 2022 - III ZB 18/22, NJW-RR 2023, 350 Rn. 3 und 6; vom 19. Dezember 2019 aaO Rn. 5 und vom 8. März 2018 - III ZB 70/17, juris Rn. 6).
Rz. 8
1. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Beklagte zur Erteilung einer Abrechnung über die von ihr für die Erblasserin im Zeitraum vom 26. Oktober 2017 bis 5. März 2018 getätigten Geschäfte sowie zur Auskunft über den Bestand der Erbschaft und den Verbleib der Erbschaftsgegenstände durch Vorlage eines Verzeichnisses verurteilt worden ist, und angenommen, dass insoweit - unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Zeitraum, für den die Auskunft hinsichtlich der getätigten Geschäfte erteilt werden solle, mit etwas über vier Monaten relativ kurz und nach § 20 JVEG ein Stundensatz von 4 € vorgesehen sei - die Beschwer 200 € betrage.
Rz. 9
Hinsichtlich der Verurteilung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hat es den Wert der Beschwer geringer angesetzt als beim Abrechnungs- und Auskunftsverlangen, weil die Auskunft - deren Richtigkeit "für den Fall, dass Grund zu der Annahme besteht, dass die Abrechnung gemäß vorstehender Ziffern 1) und 2) nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt wurde", zu Protokoll an Eides statt zu versichern ist - dann bereits erteilt sei; insoweit seien dann allenfalls Fahrtkosten für die Fahrt zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu berücksichtigen.
Rz. 10
Eine höhere Beschwer sei auch nicht deswegen anzunehmen, weil die Beklagte zur Erteilung der Auskunft anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen habe. Der Inhalt der Auskunftspflicht sei klar ersichtlich gewesen. Zur Erteilung der Auskunft sei anwaltliche Hilfe deshalb nicht erforderlich gewesen, so dass die Anwaltskosten nicht zu berücksichtigen seien.
Rz. 11
Insgesamt ergebe sich demnach eine Beschwer von deutlich weniger als 500 €.
Rz. 12
2. Diese Bewertung, die der Senat nur darauf überprüfen kann, ob das Berufungsgericht dabei die Grenzen des ihm eröffneten Ermessens (§§ 2, 3 ZPO) überschritten oder dieses fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. st. Rspr., zB Senat, Beschlüsse vom 25. Mai 2023 - III ZB 57/22, ZEV 2023, 701 Rn. 9; vom 19. Dezember 2019 aaO Rn. 7; vom 8. März 2018 aaO Rn. 10 und vom 27. Juli 2017 - III ZB 37/16, NJW-RR 2017, 1407 Rn. 7; jew. mwN), ist nicht zu beanstanden.
Rz. 13
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Wert der durch eine erstinstanzliche Verurteilung zur Auskunftserteilung oder Rechnungslegung verursachten Beschwer sich an dem Interesse der verurteilten Partei orientiert, die in Rede stehende Auskunft oder Abrechnung nicht erteilen zu müssen. Dabei ist im Wesentlichen auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, der für die sorgfältige Erfüllung des titulierten Anspruchs erforderlich ist (st. Rspr., zB Senat, Beschlüsse vom 25. Mai 2023 aaO Rn. 10; vom 19. Dezember 2019 aaO Rn. 8; vom 8. März 2018 aaO Rn. 9 und vom 27. Juli 2017 aaO Rn. 6; BGH, Beschlüsse vom 29. Juni 2010 - X ZR 51/09, NJW 2010, 2812 Rn. 4; vom 22. März 2010 - II ZR 75/09, NJW-RR 2010, 786 Rn. 2; vom 1. Oktober 2008 - IV ZB 27/07, NJW-RR 2009, 80 Rn. 4 und vom 24. November 1994 - GSZ 1/94, BGHZ 128, 85, 87 ff; jew. mwN). Außer Betracht bleibt das Interesse des Beklagten, die vom Kläger erstrebte und mit der Auskunfts- oder Rechnungslegung vorbereitete Durchsetzung des Hauptanspruchs zu verhindern oder zu erschweren (Senat, Beschlüsse vom 25. Mai 2023 und vom 19. Dezember 2019; jew. aaO; BGH, Beschlüsse vom 22. März 2010 aaO und vom 24. November 1994 aaO, S. 87 mwN). Zur Bewertung des Zeitaufwands kann grundsätzlich - wie vom Berufungsgericht ebenfalls richtig gesehen - auf die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Regelungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) zurückgegriffen werden (st. Rspr., zB Senat, Beschlüsse vom 25. Mai 2023 aaO; vom 30. Juli 2020 - III ZR 15/20, juris Rn. 7 und vom 9. Februar 2012 - III ZB 55/11, ZEV 2012, 270 Rn. 7; BGH, Beschluss vom 10. Februar 2021 - XII ZB 376/20, NJW-RR 2021, 451 Rn. 11). Der Ansatz von 4 € pro Arbeitsstunde entsprechend § 20 JVEG unterliegt daher keinen Bedenken. Die Bemessung des Zeitaufwands mit 50 Arbeitsstunden für die Abrechnungs- und Auskunftserteilung und der Ansatz eines geringeren Betrages hinsichtlich der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung überschreiten die Grenzen des dem Berufungsgericht eröffneten Ermessens ebenfalls nicht. Auch die Rechtsbeschwerde meint, dass dies "grundsätzlich nicht zu beanstanden" ist.
Rz. 14
b) Kosten in Höhe von 2.611,93 €, die der Beklagten für die Einschaltung des Rechtsanwalts W. entstanden sind, bleiben bei der Bemessung der Beschwer außer Ansatz, weil es sich um Aufwand handelt, der schon vor dem Teilurteil des Landgerichts vom 22. April 2022 angefallen ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom 25. Mai 2023 aaO Rn. 15; vom 19. Dezember 2019 aaO Rn. 9 und vom 13. August 2015 - III ZR 76/14, juris Rn. 6).
Rz. 15
c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist die unter Buchstabe b zitierte Rechtsprechung auch im vorliegenden Fall anwendbar. Dass eine Anzeige der Klägerin zu einem Strafverfahren gegen die Beklagte geführt hat, in dem diese "letztlich freigesprochen worden ist", ist hierfür ebenso wenig von Belang wie die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein etwaiger Auskunftsanspruch durch ein Schreiben des Rechtsanwalts W. vom 23. April 2018 bereits als erfüllt angesehen werden kann. Der letztgenannte Umstand führt jedenfalls nicht zu einer Erhöhung der Beschwer; vielmehr vermindert sich diese, je mehr die Beklagte bei der Erfüllung der Abrechnungs- und Auskunftsverpflichtung, zu der sie verurteilt worden ist, auf die (Vor-)Arbeit dieses Rechtsanwalts zurückgreifen kann (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Mai 2023 aaO).
Rz. 16
3. Das Berufungsgericht hat die Entscheidung über eine Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO pflichtwidrig nicht nachgeholt. Das verhilft der Rechtsbeschwerde allerdings ebenfalls nicht zum Erfolg, weil eine Zulassung der Berufung nicht in Betracht gekommen wäre. Die Rechtsbeschwerde legt nicht dar, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Dafür ist auch nichts ersichtlich (vgl. Senat aaO Rn. 19; BGH, Beschluss vom 13. Juli 2017 - I ZB 94/16, juris Rn. 30 f).
Herrmann |
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Reiter |
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Arend |
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Böttcher |
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Herr |
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Fundstellen
ZEV 2024, 181 |
ErbR 2024, 484 |