Leitsatz (amtlich)
Ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Einlegung einer unselbstständigen Anschlussbeschwerde fehlt, wenn mit der Anschließung lediglich das gleiche Ziel wie mit dem Hauptrechtsmittel verfolgt werden soll.
Normenkette
FamFG § 66 S. 1
Verfahrensgang
LG Münster (Entscheidung vom 26.03.2020; Aktenzeichen 5 T 154/20) |
AG Rheine (Entscheidung vom 03.03.2020; Aktenzeichen 42 XIV (B) 54/20) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 26. März 2020 wird auf Kosten der Person des Vertrauens des Betroffenen als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
Gründe
Rz. 1
I. Der Betroffene, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste am 27. April 2019 in das Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag wurde mit Bescheid vom 8. Mai 2019 abgelehnt und ihm die Abschiebung angedroht. Die gegen den Bescheid erhobenen Rechtsmittel des Betroffenen waren erfolglos. Auf Antrag der beteiligten Behörde ordnete das Amtsgericht nach persönlicher Anhörung des Betroffenen mit Beschluss vom 3. März 2020 Sicherungshaft bis einschließlich 13. März 2020 zum Zweck der Abschiebung an. Hiergegen legte der anwaltliche Vertreter des Betroffenen mit Schriftsatz vom gleichen Tag Beschwerde ein.
Rz. 2
Mit Schreiben vom 12. März 2020 zeigte F. G. unter Vorlage einer vom Betroffenen unterschriebenen Vollmacht an, als Person des Vertrauens benannt worden zu sein. Er schloss sich der laufenden Beschwerde an, beantragte hilfsweise Haftaufhebung sowie - für den Fall der Haftentlassung - Feststellung, dass die Freiheitsentziehung den Betroffenen in seinen Rechten verletzt habe.
Rz. 3
Das Beschwerdegericht hat mit Beschluss vom 26. März 2020 die Hinzuziehung als Vertrauensperson zum Verfahren zurückgewiesen. Der Beschluss ist F. G. am 27. Januar 2021 förmlich zugestellt worden. Mit weiterem Beschluss vom 26. März 2020 hat das Beschwerdegericht die als Feststellungsantrag weiterverfolgte Beschwerde des Betroffenen gegen die Haftanordnung zurückgewiesen.
Rz. 4
Mit ihrer Rechtsbeschwerde wendet sich die Vertrauensperson gegen die ihre Hinzuziehung ablehnende Entscheidung des Beschwerdegerichts. Sie begehrt die Zurückverweisung an das Amtsgericht zur Entscheidung über den als Feststellungsantrag weiterverfolgten Haftaufhebungsantrag.
Rz. 5
II. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
Rz. 6
1. Die Rechtsbeschwerde in Unterbringungs- und Freiheitsentziehungssachen ist nur dann ohne Zulassung statthaft, wenn die Unterbringung oder eine freiheitsentziehende Maßnahme angeordnet wird. Der Gesetzgeber wollte die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nur gegen Beschlüsse eröffnen, die unmittelbar freiheitsentziehende Wirkung haben (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 16/12717, S. 60; BGH, Beschluss vom 7. Mai 2014 - XII ZB 540/13, NJW-RR 2014, 897 Rn. 8).
Rz. 7
a) Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Der angefochtene Beschluss, mit dem eine Verfahrensbeteiligung des Rechtsbeschwerdeführers als Vertrauensperson abgelehnt wurde, stellt keine die Fortbewegungsfreiheit des Betroffenen einschränkende Entscheidung dar. Es handelt sich um eine Zwischenentscheidung in dem Beschwerdeverfahren gegen den Haftanordnungsbeschluss des Amtsgerichts. Ein Beschluss, mit dem eine Verfahrensbeteiligung als Vertrauensperson nach § 418 Abs. 3 Nr. 2 FamFG abgelehnt wird, kann gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 FamFG nur mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 ZPO angefochten werden. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof findet daher nur statt, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) oder das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde in dem angegriffenen Beschluss zugelassen hat, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Januar 2011 - XII ZB 152/10, FamRZ 2011, 368 Rn. 2). Beides ist hier nicht der Fall.
Rz. 8
b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde besteht keine Veranlassung, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde über den Wortlaut des § 70 Abs. 3 Satz 2 FamFG hinaus gegen Zwischenentscheidungen des Beschwerdegerichts in Freiheitsentziehungssachen zu ermöglichen.
Rz. 9
aa) Eine solche Rechtsschutzmöglichkeit ist vorliegend nicht deshalb zu eröffnen, weil das Beschwerdegericht über die Hinzuziehung als Vertrauensperson ohne ausdrücklichen Antrag entschieden hat. Die Verfahrensbeteiligung setzt grundsätzlich keinen ausdrücklichen Antrag der Vertrauensperson nach § 7 Abs. 2 Nr. 2, § 418 Abs. 3 Nr. 2 FamFG voraus. Ebenso ist kein formeller Hinzuziehungsakt seitens des Gerichts vorgeschrieben. Die Beteiligung kann vielmehr formlos - etwa durch die Übersendung von Schriftsätzen oder Ladungen zum Termin - erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 2014 - XII ZB 595/13, FGPrax 2014, 160 Rn. 11 mwN). Lediglich im Fall der Zurückweisung der Verfahrensbeteiligung sieht das Gesetz eine förmliche Entscheidung durch Beschluss vor (§ 7 Abs. 5 Satz 2 FamFG). Vorliegend hat der Rechtsbeschwerdeführer mit seiner Anzeige als Vertrauensperson und die gegen die Haft erhobenen Rechtsmittel hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass er an dem Verfahren beteiligt werden möchte. Das Beschwerdegericht war daher auch ohne ausdrücklichen Antrag gehalten, seine ablehnende Entscheidung durch einen förmlichen Beschluss kundzutun.
Rz. 10
bb) Entgegen der Ansicht des Rechtsmittelführers ist die Rechtsbeschwerde auch nicht unter Berücksichtigung des grundgesetzlich gewährleisteten Justizgewährungsanspruchs (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) als statthaft anzusehen, weil das Landgericht mit seiner Ablehnung der Hinzuziehung als Vertrauensperson zugleich zum Ausdruck gebracht hat, über deren Anschlussbeschwerde nicht entscheiden zu wollen. Die Anschlussbeschwerde war mangels Rechtsschutzbedürfnis ohnehin unzulässig. Ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Einlegung einer unselbstständigen Anschlussbeschwerde ist nach allgemeiner Ansicht nicht gegeben, wenn mit der Anschließung (lediglich) das gleiche Ziel wie mit dem Hauptrechtsmittel verfolgt werden soll (BGH, Beschlüsse vom 12. Februar 2014 - XII ZB 706/12, FamRZ 2014, 827 Rn. 8 mwN; vom 3. Februar 2016 - XII ZB 629/13, FamRZ 2016, 794 Rn. 26; vom 8. August 2018 - XII ZB 25/18, FamRZ 2018, 1741, Rn. 11). Ein Beteiligter, der das Begehren des Beschwerdeführers unterstützen möchte, kann auch ohne Anschließung in der durch das Hauptrechtsmittel eröffneten Beschwerdeinstanz seine Beanstandungen zu der angefochtenen Entscheidung zur Sprache bringen und auch sonst zur Sach- und Rechtslage umfassend vortragen. Ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Einlegung einer unselbständigen Anschlussbeschwerde kann bei einem Gleichlauf mit dem Rechtsschutzziel des Hauptrechtsmittels auch nicht damit begründet werden, dass der Beteiligte die Möglichkeit erhalten soll, die im zweiten Rechtszug ergehende Entscheidung selbst mit einer Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof anfechten zu können. Die unselbständige Anschließung dient allein der sachgerechten Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens. Sie hat nicht den Zweck, eine Fortsetzung des Verfahrens in der dritten Instanz zu ermöglichen (BGH, FamRZ 2014, 827 Rn. 9 mwN).
Rz. 11
cc) Entgegen der Ansicht des Rechtsmittelführers muss die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde auch nicht deshalb eröffnet werden, weil sich das Amtsgericht vor dem Hintergrund des die Hinzuziehung als Vertrauensperson ablehnenden Beschlusses des Landgerichts geweigert hat, seinen hilfsweise gestellten Antrag auf Haftaufhebung zu bescheiden. Einer Entscheidung über den Feststellungsantrag im Haftaufhebungsverfahren steht schon die materielle Rechtskraft der mit weiterem Beschluss vom 26. März 2020 ergangenen Entscheidung des Landgerichts entgegen, mit der die Beschwerde des Betroffenen gegen die Haftanordnung zurückgewiesen worden ist. Hat sich der Haftaufhebungsantrag durch die Entlassung des Betroffenen erledigt und begehrt der Betroffene - wie auch hier - in der Folge die Feststellung, durch die Haft in seinen Rechten verletzt zu sein, kann über den Gegenstand dieses Antrags - anders als bei der Aufhebung einer noch andauernden Haft - nur einmal abschließend entschieden werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. April 2021 - XIII ZB 93/20, juris Rn. 21; vom 22. März 2022 - XIII ZB 6/21, juris Rn. 9). Die Entscheidung über die Beschwerde gegen die Anordnung der Haft beinhaltet, dass die Freiheitsentziehung rechtmäßig war. Für eine erneute Entscheidung über diesen Gegenstand ist kein Raum.
Rz. 12
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
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Fundstellen
Dokument-Index HI15737004 |