Entscheidungsstichwort (Thema)
Terminsgebühr des Rechtsanwalts bei Kostenentscheidungen im Beschlusswege. Mündliche Verhandlung
Leitsatz (amtlich)
Bei Kostenentscheidungen gem. § 91a ZPO fällt keine Terminsgebühr des Rechtsanwalts an, wenn nicht ausnahmsweise eine mündliche Verhandlung stattfindet.
Normenkette
RVG VV Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 91a
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Beschluss vom 12.06.2006; Aktenzeichen 1 T 227/06) |
AG Heilbronn (Beschluss vom 31.01.2006; Aktenzeichen 5 C 1911/05) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Heilbronn vom 12.6.2006 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 224,11 EUR
Gründe
I.
[1] Die Klägerin hat ggü. den Beklagten einen Zahlungsbetrag i.H.v. 2.130,58 EUR geltend gemacht. Da während des Verfahrens die Forderung vollständig bezahlt wurde, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, wobei die Beklagten die Kostenlast anerkannten. Das AG hat den Beklagten daraufhin gem. § 91a ZPO die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner auferlegt.
[2] Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag hat die Klägerin u.a. die Festsetzung einer 1,2-Terminsgebühr aus Nr. 3104 RVG VV beantragt. Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31.1.2006 hat das AG diese Gebühr und den sich hieraus ergebenden Mehrwertsteuerbetrag abgesetzt. Die sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss hat das LG mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Festsetzung einer 1,2-Terminsgebühr weiter.
II.
[3] 1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts steht der Klägerin keine Terminsgebühr zu. Schon nach § 35 BRAGO a.F. sei bei einer Entscheidung gem. § 91a ZPO ohne vorherige mündliche Verhandlung eine Verhandlungsgebühr nicht angefallen. Aufgrund des vergleichbaren Wortlauts sei davon auszugehen, dass mit Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG VV die alte Regelung des § 35 BRAGO habe übernommen werden sollen. Nach dem Wortlaut der jetzigen Regelung sei der Fall der Entscheidung nach § 91a ZPO ohne vorangegangene mündliche Verhandlung weiterhin nicht erfasst.
[4] Selbst wenn die Situation beim Anerkenntnis und bei der übereinstimmenden Erledigungserklärung faktisch ähnlich sein sollte, komme eine Analogie nicht in Betracht. Eine unbewusste Regelungslücke liege nicht vor, weil dem Gesetzgeber bei Neufassung des RVG VV die Problematik bekannt gewesen sei.
[5] 2. Die aufgrund Zulassung statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angegriffene Entscheidung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
[6] Gemäß seinem Wortlaut findet Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG VV nur auf solche Verfahren Anwendung, in denen eine mündliche Verhandlung grundsätzlich vorgeschrieben ist (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 1.2.2007 - V ZB 110/06, NJW 2007, 1461, 1463; v. 22.2.2007 - VII ZB 101/06, AnwBl. 2007, 462, 463). Dies ist nicht der Fall, wenn das Gericht nach seinem Ermessen aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil oder ohne eine solche durch Beschluss entscheiden kann. Deshalb greift Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG VV bei Beschlüssen, die gem. § 128 Abs. 3, 4 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergehen können, nicht ein (vgl. AnwKomm/RVG/Onderka/Wahlen, 3. Aufl., VV 3104 Rz. 9 ff.; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., VV 3104 Rz. 18 f., 22; Schons in Hartung/Römermann/Schons, Praxiskommentar RVG, 2. Aufl., VV 3104 Rz. 12; Madert/Müller-Rabe, NJW 2006, 1927, 1931 f.; Bischof in Kompaktkommentar RVG, 2. Aufl., Nr. 3104 Rz. 59). Mit der Regelung in Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG VV soll nämlich erreicht werden, dass der Prozessbevollmächtigte, der im Zivilprozess im Hinblick auf den Grundsatz der Mündlichkeit (§ 128 Abs. 1 ZPO) an sich erwarten kann, in der mündlichen Verhandlung eine Terminsgebühr zu verdienen, keinen Gebührennachteil erleidet, wenn durch eine andere Verfahrensgestaltung auf eine mündliche Verhandlung verzichtet wird (vgl. BGH, Beschl. v. 27.10.2005 - III ZB 42/05, NJW 2006, 157, 158; v. 10.7.2006 - II ZB 28/05, MDR 2007, 302).
[7] Dem gemäß hat das Beschwerdegericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer Instanzgerichte (vgl. OLG Karlsruhe, JurBüro 2005, 596 und NJW-RR 2007, 503; OLG Frankfurt JurBüro 2006, 532) zu Recht angenommen, dass bei Kostenentscheidungen nach § 91a ZPO im Hinblick auf §§ 128 Abs. 3, 4 ZPO keine Terminsgebühr des Rechtsanwalts anfällt, wenn nicht ausnahmsweise eine mündliche Verhandlung stattfindet (ebenso Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 91a Rz. 59).
[8] Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG VV auch nicht analog auf den Fall anzuwenden, dass der Beklagte vor der mündlichen Verhandlung bezahlt und dann die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wird. Eine Analogie scheitert schon daran, dass keine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Nach der Gesetzbegründung sollte in Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG VV die Regelung des § 35 BRAGO a.F. übernommen werden (vgl. BT-Drucks. 15/1971, 212). Dem Gesetzgeber war im Hinblick auf die zu § 35 BRAGO ergangenen Entscheidungen (vgl. OLG Zweibrücken OLGReport Zweibrücken 2000, 247; LG Köln NJW-RR 1998, 1692) die hier aufgeworfene Problematik bekannt. Trotz verschiedener Änderungen der ZPO und der maßgeblichen Kostenvorschriften hat er den Fall der übereinstimmenden Erledigungserklärung mit der Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach §§ 91a, 128 Abs. 3, 4 ZPO nicht in die Ausnahmevorschrift der Nr. 3104 RVG VV aufgenommen. Bei dieser Situation ist eine Ausweitung der Ausnahmebestimmung auf diesen Fall im Wege der Analogie nicht möglich (vgl. auch OLG Karlsruhe NJW-RR 2007, 503 f.; OLG Frankfurt JurBüro 2006, 532 f.).
[9] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1822678 |
HFR 2008, 283 |
NJW 2008, 668 |
BGHR 2008, 52 |
EBE/BGH 2007 |
FamRZ 2008, 261 |
JurBüro 2008, 23 |
MDR 2007, 1454 |
Rpfleger 2008, 45 |
VersR 2008, 231 |
AGS 2007, 610 |
HRA 2007, 7 |
NJW-Spezial 2007, 555 |
RVGreport 2007, 460 |
BRAK-Mitt. 2008, 37 |