Leitsatz (amtlich)
Einer Rückforderung überzahlter Betreuervergütung kann der Vertrauensgrundsatz entgegenstehen, wenn eine Abwägung ergibt, dass dem Vertrauen des Berufsbetreuers auf die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung einer dem Gesetz entsprechenden Vermögenslage der Vorrang einzuräumen ist (im Anschluss an BGH v. 6.11.2013 - XII ZB 86/13, FamRZ 2014, 113).
Normenkette
FamFG § 168 Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
LG Stendal (Beschluss vom 30.04.2013; Aktenzeichen 25 T 121/12) |
AG Salzwedel (Beschluss vom 19.04.2012; Aktenzeichen 63 XVII 179/04) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Stendal vom 30.4.2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das LG zurückverwiesen.
Wert: 156 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Beteiligten streiten über die Rückforderung von Betreuervergütung.
Rz. 2
Die Beteiligte zu 1) war vom 14.12.2004 bis zum 6.8.2009 als Berufsbetreuerin des Betroffenen bestellt. Ihre Vergütung erfolgte aufgrund der Mittellosigkeit des Betroffenen aus der Landeskasse. Dabei wurde nahezu während des gesamten Zeitraums ein erhöhter Stundensatz zunächst i.H.v. 23 EUR nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormG sowie ab dem 1.7.2005i.H.v. 33,50 EUR gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG in Ansatz gebracht. Im Einvernehmen mit der Betreuerin ergingen zumindest von August 2006 bis Januar 2009 keine förmlichen Festsetzungsbeschlüsse nach § 56g Abs. 1 Satz 1 FGG, sondern die Vergütung wurde nach rechnerischer Überprüfung durch die zuständige Rechtspflegerin im sog. vereinfachten Verwaltungsverfahren gem. § 56g Abs. 1 Satz 4 FGG vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zur Auszahlung angewiesen. Zuletzt wurden auf diese Weise im Januar 2009 für den hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum vom 14.1.2008 bis zum 13.1.2009 insgesamt 804 EUR zur Auszahlung freigegeben.
Rz. 3
Für den abschließenden Betreuungszeitraum vom 14.1.2009 bis zum 6.8.2009 erfolgte demgegenüber eine Festsetzung der Betreuervergütung durch förmlichen Beschluss vom 14.12.2009. Das AG gewährte unter Hinweis auf eine in einem Parallelverfahren anhängige Beschwerde einen Abschlag auf der Basis eines Stundensatzes i.H.v. nunmehr 27 EUR gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 VBVG.
Rz. 4
In einem weiteren Parallelverfahren, in dem die Beteiligte zu 1) ebenfalls als Betreuerin tätig war, wurde dieser angesichts ihrer Qualifikation als Facharbeiterin für Datenverarbeitung lediglich ein Stundensatz von 27 EUR zugebilligt (BGH, Beschl. v. 18.1.2012 - XII ZB 461/10 - FamRB 2012, 119). Daraufhin stellte das AG durch Beschluss vom 19.4.2012 fest, dass der Beteiligten zu 1) auch im anhängigen Betreuungsverfahren lediglich ein Stundensatz i.H.v. 27 EUR zustehe. Soweit in der Vergangenheit auf der Basis von 33,50 EUR abgerechnet worden sei, sei es zu einer Überzahlung gekommen. Das AG hat einen Rückforderungsanspruch festgestellt und die Rückzahlung i.H.v. 156 EUR angeordnet.
Rz. 5
Die zugelassene Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen diese Entscheidung ist vom LG zurückgewiesen worden. Hiergegen richtet sich ihre zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der sie die Aufhebung der vorgenannten Beschlüsse sowie hilfsweise die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung dahingehend begehrt, dass es bei der Vergütungsanweisung vom 30.1.2009 verbleibt und ein Rückforderungsanspruch nicht besteht.
II.
Rz. 6
1. Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1) ist gem. § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Betreuerin durch den Beschluss des AG vom 19.4.2012 beschwert, da dieser u.a. die Beitreibung einer überzahlten Vergütung i.H.v. 156 EUR im Wege des Justizbeitreibungsverfahrens nach § 1 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 JBeitrO anordnet (vgl. BGH v. 6.11.2013 - XII ZB 86/13, FamRZ 2014, 113 Rz. 7 m.w.N.).
Rz. 7
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
Rz. 8
a) Das LG hat im angefochtenen Beschluss ausgeführt, die Verpflichtung der Betreuerin zur Rückzahlung einer bereits gewährten Vergütung beruhe auf § 812 BGB. Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum habe sie einen Stundensatz i.H.v. 33,50 EUR erhalten, obwohl ihre abgeschlossene Berufsausbildung zur Facharbeiterin für EDV einen Stundensatz i.H.v. lediglich 27 EUR gerechtfertigt habe. Allerdings unterliege die Rückforderung einer überzahlten Vergütung Beschränkungen. Äußerste Grenze für eine Rückforderung sei die Verjährung, welche gem. § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres beginne, in dem der Anspruch entstanden sei, und nach § 195 BGB drei Jahre dauere. Gemessen hieran sei Verjährung vorliegend zum Zeitpunkt der Rückforderung durch das AG noch nicht eingetreten. Da die Vergütung für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum am 2.2.2009 geleistet worden sei, habe die Verjährungsfrist für die hierdurch entstandenen Rückforderungsansprüche erst am 1.1.2010 zu laufen begonnen. Die Dreijahresfrist sei am 19.4.2012 noch nicht verstrichen gewesen.
Rz. 9
Die Rückforderungsansprüche der Landeskasse seien auch nicht verwirkt. Zwar habe das AG bei der Betreuerin durch seine frühere Vergütungspraxis möglicherweise einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Insbesondere habe es den erhöhten Stundensatz von 33,50 EUR in einem Parallelverfahren auf ihre Erinnerung durch richterlichen Beschluss vom 16.11.2007 bestätigt. Hingegen sei das Zeitmoment nicht erfüllt. Dies gelte selbst dann, wenn der Vertrauensschutz entsprechend der Situation im Unterhaltsrecht bei Forderungen einsetzen sollte, die länger als ein Jahr zurückliegen würden. Da die letzte Anweisung mit einem erhöhten Stundensatz von 33,50 EUR am 29.1.2009 erfolgt sei, werde der hier verfahrensgegenständliche Vergütungszeitraum von der Jahresfrist noch in etwa erfasst. Eine analoge Anwendung der Fünfzehnmonatsfrist gem. § 2 VBVG auf Rückforderungsansprüche der Landeskasse etwa ab dem Zeitpunkt ihres Entstehens durch Überweisung der Betreuervergütung am 2.2.2009 komme mangels einer vergleichbaren Interessenlage nicht in Betracht.
Rz. 10
b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand. Denn das LG hat unberücksichtigt gelassen, dass einem Rückforderungsanspruch der Landeskasse möglicherweise ein schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten der Betreuerin entgegensteht.
Rz. 11
aa) Die Auszahlung der Betreuervergütung i.H.v. 804 EUR für den Zeitraum vom 14.1.2008 bis zum 13.1.2009 ist zunächst am 2.2.2009 im vereinfachten Justizverwaltungsverfahren gem. § 56g Abs. 1 Satz 4 FGG durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erfolgt. Die bloße Anweisung einer Vergütung ohne förmlichen Beschluss wird indes wirkungslos, wenn in einem nachfolgenden förmlichen Festsetzungsverfahren nach § 56g Abs. 1 Satz 1 FGG bzw. §§ 292 Abs. 1, 168 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FamFG eine Entscheidung ergeht. Dabei ist die Durchführung des gerichtlichen Festsetzungsverfahrens an keine Frist gebunden. Eine vorangegangene Auszahlungsanweisung ist insoweit ohne Bedeutung. Auch wenn der Rechtspfleger, der für die gerichtliche Festsetzung funktional zuständig ist, den Vergütungsantrag im vorangegangenen vereinfachten Verwaltungsverfahren überprüft und für richtig befunden hat, ist er grundsätzlich nicht daran gehindert, die Vergütung im gerichtlichen Verfahren anderweitig festzusetzen (BGH, Beschl. v. 6.11.2013 - XII ZB 86/13, FamRZ 2014, 113 Rz. 14 m.w.N.).
Rz. 12
bb) Bei der Entscheidung des AG vom 19.4.2012 handelt es sich um eine förmliche Festsetzung der Betreuervergütung nach §§ 292 Abs. 1, 168 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FamFG. Das zugrunde liegende Verfahren ist nicht bereits durch den ursprünglichen Vergütungsantrag der Betreuerin vom 21.1.2009 eingeleitet worden. Das AG hat vielmehr erst aufgrund des Senatsbeschlusses vom 18.1.2012 (XII ZB 461/10 - FamRB 2012, 119) in der Parallelsache, also nach dem 1.9.2009, gem. § 168 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 FamFG von Amts wegen die Betreuervergütung förmlich festgesetzt. Als selbständiges Verfahren i.S.v. Art. 111 Abs. 2 FGG-RG (vgl. OLG Nürnberg Rpfleger 2010, 426; OLG Dresden FamRZ 2010, 1269) unterliegt die angefochtene Vergütungsfestsetzung gem. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG neuem Recht.
Rz. 13
cc) Zutreffend ist das Beschwerdegericht ferner davon ausgegangen, dass der Beschluss des AG vom 19.4.2012 die förmliche Festsetzung einer pauschalierten Betreuervergütung für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum i.H.v. 648 EUR enthält. Zwar hat das AG im Tenor zunächst ohne einen konkreten zeitlichen Bezug festgestellt, dass der Betreuerin angesichts ihrer Ausbildung ein Stundensatz i.H.v. (lediglich) 27 EUR zustehe, wodurch es in der Vergangenheit zu einer Überzahlung gekommen sei. Im Rahmen der zugleich erfolgten "Feststellung eines Rückforderungsanspruchs" i.H.v. 156 EUR hat das AG jedoch in tabellarischer Form auf der Basis von 24 Gesamtstunden und einem Stundensatz i.H.v. 27 EUR eine Vergütung i.H.v. 648 EUR errechnet. In der Zusammenschau mit der Rückforderung einer Überzahlung i.H.v. 156 EUR kann hierin nichts anderes als eine entsprechende gerichtliche Festsetzung der Betreuervergütung gesehen werden.
Rz. 14
dd) Allerdings handelt es sich bei dem Anspruch der Landeskasse auf Rückerstattung einer überzahlten Betreuervergütung nicht um einen zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, welcher nach seiner Festsetzung durch förmlichen Beschluss im Wege des Justizbeitreibungsverfahrens gem. § 1 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 JBeitrO beizutreiben ist (BGH, Beschl. v. 6.11.2013 - XII ZB 86/13, FamRZ 2014, 113 Rz. 15 m.w.N.).
Rz. 15
ee) Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine analoge Anwendung der fünfzehnmonatigen Ausschlussfrist nach § 2 Satz 1 VBVG auf den Erstattungsanspruch mangels einer vergleichbaren Interessenlage nicht in Betracht kommt. § 2 VBVG richtet sich nach seiner Stellung im Gesetz ausschließlich an den Vormund bzw. an den Betreuer. Sinn und Zweck der geregelten Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Vergütungsanspruchs ab dessen Entstehung ist es, den Betreuer zur zügigen Geltendmachung seiner Ansprüche anzuhalten. Damit soll verhindert werden, dass Ansprüche in einer Höhe auflaufen, die die Leistungsfähigkeit des Betreuten überfordert, dessen Mittellosigkeit begründet und damit eine Einstandspflicht der Staatskasse auslöst, die bei rechtzeitiger Inanspruchnahme des Betreuten nicht begründet gewesen wäre. Die Inanspruchnahme der Staatskasse soll in allen Fällen vermieden werden, in denen die Vergütungsansprüche bei fristgerechter Geltendmachung aus dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen des Betroffenen befriedigt werden können. Die Obliegenheit zur fristgerechten Geltendmachung des Vergütungsanspruchs dient wesentlich dem Interesse der Staatskasse. Sie kann nach ihrem Sinn und Zweck nicht die Staatskasse selbst treffen (vgl. BGH v. 6.11.2013 - XII ZB 86/13, FamRZ 2014, 113 Rz. 19 f. unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 13/7158, 27 und S. 22 f. zur Vorgängervorschrift § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB).
Rz. 16
ff) Allerdings hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft nicht erwogen, ob eine nachträgliche Herabsetzung der Betreuervergütung im gerichtlichen Festsetzungsverfahren zum Zweck der Rückforderung einer überzahlten Vergütung nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ausgeschlossen ist.
Rz. 17
(1) Zwar ist die Landeskasse nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtet, eine ohne Rechtsgrund eingetretene Vermögensverschiebung zu beseitigen und den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen. Indem das Gericht im Festsetzungsverfahren nach § 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht an die vorangegangene Anweisung der Betreuervergütung im Wege des vereinfachten Justizverwaltungsverfahrens gebunden ist, kann die zu viel gezahlte Betreuervergütung grundsätzlich zurückgefordert werden. Allerdings kann einer (Neu-)Festsetzung der Betreuervergütung, welche eine Rückforderung überzahlter Beträge zur Folge hätte, im Einzelfall der Vertrauensgrundsatz entgegenstehen, wenn das Vertrauen des Betreuers auf die Beständigkeit einer ihm in der Vergangenheit rechtswidrig gewährten Vergütung schutzwürdig ist. Dies ist bereits bei der Festsetzung der Betreuervergütung im gerichtlichen Verfahren nach § 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG zu prüfen. Denn mit der gerichtlichen Festsetzung der Vergütung wird im Fall bereits zu viel erhaltener Leistungen zugleich der Rechtsgrund für deren Rückforderung geschaffen. Das nachfolgende Verfahren der Justizbeitreibungsordnung lässt keinen Raum für Einwendungen der vorbezeichneten Art, denn es dient lediglich dem Vollzug der Rückforderung (BGH, Beschl. v. 6.11.2013 - XII ZB 86/13, FamRZ 2014, 113 Rz. 22 ff. m.w.N.).
Rz. 18
(2) Demzufolge kann der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch auf Rückforderung einer überzahlten Betreuervergütung entfallen, wenn eine Abwägung im Einzelfall ergibt, dass dem Vertrauen des Berufsbetreuers auf die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung einer dem Gesetz entsprechenden Vermögenslage der Vorrang einzuräumen ist (BGH, Beschl. v. 6.11.2013 - XII ZB 86/13, FamRZ 2014, 113 Rz. 25 m.w.N.).
Rz. 19
(3) Es bedarf keiner Entscheidung, ob sich aus der Rechtsprechung des Senats zur Verwirkung von Unterhaltsansprüchen (BGH, Urt. v. 15.9.2010 - XII ZR 148/09, FamRZ 2010, 1888 Rz. 23 und BGHZ 152, 217 = FamRZ 2002, 1698 f.) ein generell schutzwürdiges Vertrauen des Betreuers im Hinblick auf Auszahlungsanordnungen ableiten lässt, die zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs länger als ein Jahr in der Vergangenheit liegen. Denn der Gesetzgeber hat die hier relevanten Vertrauensschutzgesichtspunkte bei vergleichbarer Interessenlage im Kostenrecht bereits aufgegriffen. Für den Fall einer Nachforderung ursprünglich zu niedrig festgesetzter Kosten hat er in § 20 Abs. 1 GNotKG (früher: § 20 Abs. 1 GKG) eine Regelung getroffen, wonach diese nur nachgefordert werden dürfen, wenn der berichtigte Ansatz dem Zahlungspflichtigen vor Ablauf des nächsten Kalenderjahres nach Absendung der den Rechtszug abschließenden Kostenrechnung (Schlusskostenrechnung) mitgeteilt worden ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Nachforderung auf vorsätzlich oder grob fahrlässig falschen Angaben des Kostenschuldners beruht oder wenn der ursprüngliche Kostenansatz unter einem bestimmten Vorbehalt erfolgt ist. Hierdurch wird dem Bezirksrevisor auferlegt, die kostenrechtlichen Interessen der Landeskasse binnen der genannten Fristen zur Geltung zu bringen, andernfalls genießt das Vertrauen in den Bestand der getroffenen Regelung Vorrang (vgl. BGH v. 6.11.2013 - XII ZB 86/13, FamRZ 2014, 113 Rz. 31).
Rz. 20
Zwar ist die in § 20 Abs. 1 GNotKG bestimmte Ausschlussfrist auf den vorliegenden Fall nicht unmittelbar anzuwenden, da es sich hier nicht um eine Kostennachforderung, sondern um die Rückerstattung überzahlter Beträge handelt. Die in der Vorschrift zum Ausdruck gekommene Wertung, dass das Kosteninteresse der Landeskasse zurücktreten kann, wenn es von der zuständigen Stelle nicht innerhalb angemessener Frist verfolgt wird und sich das Gegenüber auf die getroffene Regelung gutgläubig eingerichtet hat, kann jedoch auch bei der Beurteilung des schutzwürdigen Vertrauens des Betreuers in die Beständigkeit seiner Vermögenslage berücksichtigt werden. Für eine entsprechende zeitliche Begrenzung der Rückforderungsmöglichkeit spricht auch, dass das vereinfachte Verfahren der Festsetzung der Betreuervergütung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gezielt erhalten blieb, um gerichtliche Entscheidungen entbehrlich zu machen und damit erheblichen Verwaltungsaufwand bei den Gerichten einzusparen. Es würde indessen der Stellung eines berufsmäßigen Betreuers nicht gerecht und entspricht auch nicht der erkennbaren Intention des Gesetzgebers, diese gerichtliche Aufwandsersparnis mit einer auf Jahre rückwirkenden erheblichen Rechtsunsicherheit der Betreuer in die Beständigkeit ihrer Vermögenslage zu erkaufen (vgl. BGH v. 6.11.2013 - XII ZB 86/13, FamRZ 2014, 113 Rz. 32 m.w.N.).
Rz. 21
gg) Diesen Vorgaben wird der angefochtene Beschluss nicht gerecht. Denn das Beschwerdegericht hat einen möglichen Ausschluss der Rückzahlungsverpflichtung der Betreuerin lediglich unter den Aspekten der Verjährung und der Verwirkung geprüft. Soweit es Vertrauensgesichtspunkte zugunsten der Betreuerin herausgearbeitet hat, hat es diese nicht dem öffentlichen Interesse an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gegenübergestellt, sondern es hat im Rahmen einer etwaigen Verwirkung ein schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten der Betreuerin ausschließlich in Beziehung zum insoweit ebenfalls erforderlichen Zeitmoment gesetzt. Dabei hat es eine Jahresfrist im Hinblick auf die Rückforderung einer überzahlten Betreuervergütung fehlerhaft nicht an den Zeitpunkt der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs, sondern an den Zeitpunkt der Auszahlungsanordnung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle geknüpft.
Rz. 22
3. Wegen der aufgezeigten Rechtsfehler kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Der Senat vermag nicht abschließend in der Sache zu entscheiden, da der von der Betreuerin geltend gemachte Vertrauenstatbestand einer tatrichterlichen Beurteilung bedarf, die der Senat nicht ersetzen kann. Der angefochtene Beschluss ist vielmehr aufzuheben, die Sache ist zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Rz. 23
Dabei wird das Beschwerdegericht zu berücksichtigen haben, dass der Betreuerin nahezu während der gesamten Betreuungszeit ein erhöhter Stundensatz zunächst i.H.v. 23 EUR und sodann i.H.v. 33,50 EUR gewährt worden ist. Noch etwa 15 Monate vor der verfahrensgegenständlichen Auszahlung am 2.2.2009 hatte das AG in einem Parallelverfahren durch richterlichen Beschluss vom 16.11.2007 zu ihren Gunsten einen Stundensatz i.H.v. 33,50 EUR bestätigt. Die Feststellung eines Erstattungsanspruchs i.H.v. 156 EUR durch den erstinstanzlichen Beschluss vom 19.4.2012 ist demgegenüber erst mehr als drei Jahre nach der Auszahlungsanordnung vom 2.2.2009 erfolgt.
Fundstellen
Haufe-Index 8873422 |
NJW 2016, 6 |
FamRZ 2016, 293 |
FuR 2016, 174 |
NJW-RR 2016, 129 |
FGPrax 2016, 83 |
ZAP 2016, 213 |
BtPrax 2016, 77 |
JZ 2016, 108 |
MDR 2016, 240 |
Rpfleger 2016, 226 |
FF 2016, 130 |