Entscheidungsstichwort (Thema)
Terminsgebühr. Gebührenrelevante Besprechung. Abklärung einer Verfahrenserledigung
Leitsatz (amtlich)
Für die Entstehung einer Terminsgebühr gem. Nr. 3202 i.V.m. Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses reicht es aus, wenn bestimmte Rahmenbedingungen für eine mögliche Einigung in mehreren Parallelverfahren abgeklärt und/oder unterschiedliche Vorstellungen der Prozessparteien über die Erledigung der Parallelfälle unter Einschluss des streitigen Verfahrens ausgetauscht werden.
Normenkette
RVG § 2; RVG VV Nr. 3202; RVG VV § 3104; RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Kläger werden der Beschluss des OLG Karlsruhe vom 2.12.2005 aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Mannheim vom 4.8.2005 - 9 O 524/03 - dahingehend abgeändert, dass die Beklagte den Klägern über die in diesem Beschluss festgesetzten Kosten hinaus weitere 787,87 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.5.2005 zu erstatten hat.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 787,87 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
[1] Die Parteien streiten über die Ersatzfähigkeit einer Terminsgebühr.
[2] Die Kläger haben für das Berufungsverfahren die Festsetzung einer Terminsgebühr von 787,87 EUR zzgl. Zinsen gem. Nr. 3202 i.V.m. Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, im Folgenden: RVG VV) beantragt. Zur Begründung haben sie vorgetragen, vor der Berufungsrücknahme durch die Beklagte habe ihr Prozessbevollmächtigter, der außer ihnen eine größere Anzahl weiterer Fondsgesellschafter vertreten habe, mit einem Mitarbeiter der beklagten Sparkasse telefonisch die Möglichkeiten einer außergerichtlichen Erledigung sämtlicher Verfahren unter Bildung verschiedener Fallgruppen erörtert. Die Gespräche hätten letztlich zur Rücknahme der Berufung durch die Beklagte geführt.
[3] Das LG hat die Festsetzung der Terminsgebühr abgelehnt. Die sofortige Beschwerde der Kläger hatte keinen Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das OLG im Wesentlichen ausgeführt, die Terminsgebühr für eine außergerichtliche Besprechung über die Erledigung des anhängigen Verfahrens sei zwar grundsätzlich nach §§ 103, 104 ZPO festsetzungsfähig. Die restriktiv zu interpretierenden Voraussetzungen für das Entstehen einer Terminsgebühr lägen aber nicht vor. Eine gebührenrelevante Besprechung könne nicht schon bei einem beiläufigen und pauschalen Vorgespräch über eine mögliche Verfahrenserledigung bejaht werden, sondern setze eine für die angestrebte Erledigung des konkreten Rechtsstreits (möglicherweise) entscheidende Unterredung voraus. Das von den Klägern angeführte Telefongespräch erfülle diese Voraussetzungen ausgehend von der auszugsweise wiedergegebenen Aktennotiz nicht. Vielmehr habe es sich danach nur um ein allgemeines Sondierungsgespräch zur Vorbereitung späterer eventueller Vergleichsverhandlungen für sämtliche Parallelverfahren ohne hinreichend konkreten Bezug zur Klage der Kläger gehandelt.
II.
[4] Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet; sie führt zur Festsetzung weiterer 787,87 EUR zugunsten der Kläger gem. Nr. 3202, 7008 i.V.m. Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG VV.
[5] 1. Das Beschwerdegericht hat die von den Klägern beanspruchte Terminsgebühr zu Recht nach §§ 103, 104 ZPO als festsetzungsfähig angesehen (s. BGH, Beschl. v. 14.12.2006 - V ZB 11/06, Umdr. S. 4 f. Tz. 8 f.; v. 20.11.2006 - II ZB 6/06, BGHReport 2007, 231 = Umdr. S. 4, Tz. 6; Hansens JurBüro 2004, 249, 250; Mayer, in: Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 2. Aufl. Vorbem. 3 Rz. 54). Die in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung zum Teil vertretene Gegenmeinung (vgl. OLG Jena AGS 2005, 516 f.; OLG Stuttgart v. 29.11.2005 - 8 WF 150/05, OLGReport Stuttgart 2006, 124 = MDR 2006, 477 = NJW-RR 2006, 932 und OLG Stuttgart v. 16.1.2006 - 8 W 14/06, OLGReport Stuttgart 2006, 539 = NJW 2006, 2196) überzeugt nicht.
[6] aa) Nach §§ 103, 104 ZPO sind grundsätzlich alle von der unterliegenden Partei gem. § 91 Abs. 1 und 2 ZPO zu tragenden Kosten des Rechtsstreits festsetzungsfähig (vgl. MünchKomm/ZPO/Belz, 2. Aufl., § 103 Rz. 34; Musielak/Wolst, ZPO 5. Aufl., § 103 Rz. 6). Dazu zählt auch die Gebühr für die Mitwirkung an einer auf die Erledigung des gerichtlichen Verfahrens gerichteten außergerichtlichen Besprechung, die einen ausreichenden Bezug zu dem jeweiligen Rechtsstreit aufweist. Der Einwand, die Voraussetzungen einer derartigen Gebühr ließen sich in der Praxis häufig nicht zuverlässig feststellen, greift nicht. Dass das formalisierte Kostenfestsetzungsverfahren im Interesse der Rechtssicherheit klarer und praktikabler Berechungsgrundlagen bedarf (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.2002 - III ZR 22/02, BGH v. 26.9.2002 - III ZB 22/02, BGHReport 2003, 96 = MDR 2002, 1395 = NJW 2002, 3713; v. 28.3.2006 - VIII ZB 29/05, BGHReport 2006, 940 = MDR 2006, 1375 = NJW 2006, 1523, 1524), bedeutet nicht, dass Kosten, die nicht ohne Weiteres anhand der Gerichtsakten oder anderer Urkunden feststellbar sind, nicht festsetzungsfähig sind. Wie sich aus § 104 Abs. 2 ZPO ergibt, reicht für die Berücksichtigung einer prozessbezogenen Kostenposition deren Glaubhaftmachung aus, wobei sich der Rechtspfleger sämtlicher Beweismittel des § 294 Abs. 1 ZPO bedienen kann und muss (vgl. MünchKomm/ZPO/Belz, a.a.O. § 104 Rz. 11; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl., § 104 Rz. 3 f.). Folgerichtig werden z.B. durch die Terminswahrnehmung entstandene Reisekosten oder Verdienstausfälle der betroffenen Partei allgemein als festsetzungsfähig angesehen (vgl. MünchKomm/ZPO/Belz, a.a.O. § 91 Rz. 23; Zöller/Herget, ZPO 26. Aufl., § 91 Rz. 13 "Reisekosten", "Zeitversäumnis").
[7] bb) Zwar hat der BGH für die gerichtliche Festsetzung einer Vergleichs- oder Einigungsgebühr aus Gründen der Rechtssicherheit und Praktikabilität einen gerichtlich protokollierten Vergleich gem. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gefordert (BGH, Beschl. v. 26.9.2002 - III ZB 22/02, BGHReport 2003, 96 = MDR 2002, 1395 = NJW 2002, 3713 f.; v. 28.3.2006 - VIII ZB 29/05, BGHReport 2006, 940 = MDR 2006, 1375 = NJW 2006, 1523, 1524). Im Unterschied dazu bedarf es für die Feststellung, ob die Voraussetzungen einer Terminsgebühr im konkreten Streitfall vorliegen, aber in aller Regel nicht der Klärung schwieriger materiell-rechtlicher Fragen. Eine Parallele lässt sich daher entgegen der Ansicht der Beklagten nicht ziehen.
[8] cc) Diese Betrachtungsweise entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Mit der Anerkennung der Terminsgebühr soll das ernsthafte Bemühen des Prozessbevollmächtigten um einen Abschluss des Verfahrens ohne Beteiligung des Gerichts honoriert und damit zugleich die außergerichtliche Streitbeilegung - auch zur Entlastung der Gerichte - gefördert werden (vgl. BT-Drucks. 15/1971, 148, 209). Dieser Zielsetzung widerspräche es, wenn der Anwalt dazu veranlasst würde, entweder einen gerichtlichen Termin anzustreben, um damit eine Festsetzung der Terminsgebühr gem. §§ 103 ff. ZPO sicherzustellen, oder ein eigenes gerichtliches Verfahren über seinen materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch durchzuführen.
[9] 2. Indessen hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft zu hohe Anforderungen an die Voraussetzungen der Terminsgebühr gestellt.
[10] a) Zwar wird die Gebühr nicht schon durch ein allgemeines Gespräch über die grundsätzliche Bereitschaft oder abstrakte Möglichkeit einer außergerichtlichen Erledigung ausgelöst. Vielmehr muss es sich gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG VV um eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung handeln. Gerade bei komplexen Sachverhalten und/oder mehreren Parallelverfahren kann es aber nach Sinn und Zweck der Vorschrift ausreichen, wenn bestimmte Rahmenbedingungen für eine mögliche Einigung abgeklärt und/oder unterschiedliche Vorstellungen über die Erledigung der Parallelfälle unter Einschluss des streitigen Verfahrens ausgetauscht werden (vgl. OLG Nürnberg OLGReport Nürnberg 2006, 536 f.; OVG Hamburg v. 10.1.2006 - 1 So 177/05, NJW 2006, 1543 f.; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 17. Aufl. Vorbem. 3 VV Rz. 97; Hansens RVGReport 2005, 434; Mayer, in: Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 2. Aufl. Vorbem. 3 Rz. 50). Dabei reicht es aus, wenn sich der Gesprächspartner an einer außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits interessiert zeigt (vgl. BGH, Beschl. v. 20.11.2006 - II ZB 9/06, BGHReport 2007, 182 = Umdr. S. 4 f., juris Tz. 7 f.; OLG Nürnberg OLGReport 2006, 536 f.; Bischof, in: Bischof/Jungbauer/Podlech-Trappmann, Kompaktkommentar RVG Teil 3 Nr. 3.3.3 (3) bis (5); Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 17. Aufl. Vorbem. 3 VV Rz. 92; Hergenröder AGS 2006, 106, 108). Dass der Gesetzgeber in erster Linie nur erfolgreiche außergerichtliche Verhandlungen der Parteien honorieren wollte, ist dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift (vgl. BT-Drucks. 15/1971, 148, 209) nicht zu entnehmen.
[11] b) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Beschwerdegericht - wie die Kläger zu Recht geltend machen - das Entstehen einer Terminsgebühr zu Unrecht verneint. Nach der Aktennotiz des Klägervertreters hat er in dem Telefonat mit dem Mitarbeiter der Beklagten u.a. Möglichkeiten der Beendigung der anhängigen Berufungsverfahren eingehend erörtert, zu denen auch das Verfahren der Kläger zählte. Hierbei wurde von dem Mitarbeiter der Beklagten die Rücknahme sämtlicher Berufungen sowie - nach Einholung eines entsprechenden Vorstandsbeschlusses - die Unterbreitung konkreter Vergleichsvorschläge binnen zweier Wochen in Aussicht gestellt. Danach hat sich der Klägervertreter in einer Besprechung mit dem Prozessgegner ernsthaft um eine außergerichtliche Erledigung des vorliegenden Rechtsstreits im Sinne der Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG VV bemüht.
III.
[12] Der Beschluss des Beschwerdegerichts war danach aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1, 1. Halbs. ZPO). Da es keiner weiteren Feststellungen bedurfte, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).
Fundstellen