Leitsatz (amtlich)
a) In einem dem Anwaltszwang unterliegenden Verfahren wird das der Rechtsverfolgung entgegenstehende Hindernis der Mittellosigkeit erst mit der Beiordnung eines Rechtsanwalts beseitigt.
b) Zur Auslegung eines mit "Berufung" überschriebenen Schreibens der Naturalpartei als Prozesskostenhilfeantrag.
c) Zur Verpflichtung des Berufungsgerichts, die erstinstanzlich unterlegene Partei darauf hinzuweisen, dass der von ihr gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Einlegung der Berufung unvollständig ist und sie innerhalb der Berufungsfrist eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem amtlichen Vordruck einreichen müsse.
Normenkette
ZPO §§ 114, 117 Abs. 4, § 234 B, § 517
Verfahrensgang
OLG Hamm (Beschluss vom 04.05.2018; Aktenzeichen I-9 U 62/18) |
LG Essen (Urteil vom 13.03.2018; Aktenzeichen 2 O 215/17) |
Tenor
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 9. Zivilsenats des OLG Hamm vom 4.5.2018 gewährt.
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der vorgenannte Beschluss aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Beschwerdewert wird auf bis zu 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger nimmt den Beklagten aufgrund einer körperlichen Auseinandersetzung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Die Parteien gerieten am 30.3.2014 in Streit, in dessen Verlauf der Beklagte dem Kläger einen Schlag versetzte. Der Kläger fiel zu Boden und prallte gegen die Bordsteinkante. Er erlitt jedenfalls eine Riss-Quetsch-Wunde des Nasenrückens, eine Nasenbeinfraktur sowie eine Fraktur der neunten Rippe. Der Kläger behauptet, aufgrund des Vorfalls seien schwerwiegende Folgeschäden bei ihm eingetreten.
Rz. 2
Die Sache war zunächst vor dem AG anhängig, das dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt hat. Nachdem der Kläger die Klage erweitert und das AG den Rechtsstreit an das LG verwiesen hatte, hat das LG den Beklagten mit Urteil vom 13.3.2018 verurteilt, an den Kläger 2.000 EUR zu zahlen; die auf Zahlung weiterer 2.826,40 EUR sowie auf Feststellung der Ersatzverpflichtung gerichtete Klage hat es abgewiesen. Das Urteil ist dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 19.3.2018 zugestellt worden. Mit handschriftlichem, an das OLG gerichteten und bei diesem am 4.4.2018 eingegangenen Schreiben hat der Kläger erklärt:
"... hiermit lege ich gegen das Urteil vom 13.3.18 mir zugestellt am 20.3.18 Berufung ein. ... Ich bin durch den Vorfall und insbesondere durch die unmenschliche Verfahrensweise der Richterin S[...] schwer krank geworden. Ich kann mein Nebenjob nicht mehr ausüben, wo ich dringend darauf angewiesen bin. Ich habe über 2.900 EUR Stromschulden, die ich nicht zurückzahlen kann, da mich die Anwaltskosten erdrücken. ... Ich weiß, dass bei Ihnen Anwaltszwang besteht. Ich kann mir einen Rechtsanwalt nicht mehr leisten. Ich hoffe, dass Sie die Sache ordnungsgemäß prüfen."
Rz. 3
Mit Ersuchen vom selben Tag hat das OLG die Akten beim LG angefordert. Mit Verfügung vom 27.4.2018 hat es darauf hingewiesen, dass die Berufung nicht formgerecht eingelegt worden sei, weil dies nur durch einen zugelassenen Rechtsanwalt erfolgen könne. Da die Berufungsfrist abgelaufen sei, könne dies auch nicht nachgeholt werden. Mit Beschluss vom 4.5.2018 hat das OLG die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG als unzulässig verworfen. Der Beschluss des Berufungsgerichts ist dem Kläger persönlich mit Postzustellungsurkunde am 11.5.2018 zugestellt worden.
Rz. 4
Mit einem am 17.5.2018 beim BGH eingegangenen Schreiben hat der Kläger u.a. erklärt, das OLG habe ihm die Möglichkeit eingeräumt, Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss einzulegen. Seine "kleine Hungerrente" reiche aber "hinten und vorne nicht zum Leben". Nach Hinweis auf die Möglichkeit eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Notwendigkeit der Verwendung des amtlichen Vordrucks hat der Kläger mit einem am 5.6.2018 beim BGH eingegangenen Schreiben einen Prozesskostenhilfeantrag auf dem hierfür vorgesehenen Vordruck eingereicht. Der Senat hat dem Kläger mit Beschluss vom 21.8.2018 Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsbeschwerde bewilligt und ihm mit Beschluss vom 18.9.2018 seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten für das Rechtsbeschwerdeverfahren beigeordnet. Der Kläger beantragt Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerde- und Rechtsbeschwerdebegründungsfrist. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt er die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses des OLG.
II.
Rz. 5
Dem Kläger ist gem. § 233 Satz 1 ZPO Wiedereinsetzung in die versäumten Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren, weil er vor der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der Beiordnung eines Rechtsanwalts durch den Senat ohne Verschulden daran gehindert war, diese Fristen einzuhalten. Die Wiedereinsetzungsfristen des § 234 Abs. 1 ZPO sind gewahrt. Diese Fristen beginnen nach § 234 Abs. 2 ZPO mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist. In einem dem Anwaltszwang unterliegenden Verfahren wie dem Rechtsbeschwerdeverfahren wird das der Rechtsverfolgung entgegenstehende Hindernis der Mittellosigkeit erst mit der Beiordnung eines Rechtsanwalts beseitigt (vgl. BGH, Urt. v. 22.3.2001 - IX ZR 407/98, WM 2001, 1038, 1039; Beschlüsse v. 17.6.2004 - IX ZB 208/03, NJW 2004, 2902, 2903; v. 16.1.2014 - XII ZB 571/12, NJW-RR 2014, 699 Rz. 11).
III.
Rz. 6
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat das Verfahrensgrundrecht des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigenden Weise zu erschweren (st.Rspr., vgl. BVerfGK 11, 461, 463; zuletzt BGH v. 10.4.2018 - VI ZB 44/16, VersR 2018, 1085 Rz. 5; v. 14.3.2017 - VI ZB 36/16, NJW-RR 2017, 895 Rz. 4, jeweils m.w.N.).
Rz. 7
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
Rz. 8
a) Das Berufungsgericht hat verkannt, dass der Kläger mit seinem am 4.4.2018 und damit 15 Tage vor Ablauf der Berufungsfrist eingegangenen Schreiben keine - mangels Postulationsfähigkeit unzulässige - Berufung eingelegt, sondern einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt hat.
Rz. 9
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann das Rechtsbeschwerdegericht die Würdigung prozessualer Erklärungen einer Partei uneingeschränkt nachprüfen und Erklärungen selbst auslegen (vgl. BGH, Urt. v. 16.5.2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rz. 11). Die Auslegung darf auch im Prozessrecht nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist zugunsten einer Partei davon auszugehen, dass sie mit ihrer Prozesshandlung das bezweckt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Urt. v. 26.5.2009 - VI ZR 174/08, NJW-RR 2010, 428 Rz. 13; BGH, Urt. v. 1.8.2013 - VII ZR 268/11, NJW 2014, 155 Rz. 30; v. 9.6.2016 - IX ZR 314/14, BGHZ 210, 321 Rz. 46; v. 2.2.2017 - VII ZR 261/14, ZfBR 2017, 347 Rz. 17). Dies dient der Verwirklichung des durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleisteten Anspruchs des Einzelnen auf wirkungsvollen Rechtsschutz (vgl. BGH, Urt. v. 9.6.2016 - IX ZR 314/14, BGHZ 210, 321 Rz. 46; BVerfG, Beschl. v. 21.4.2006 - 1 BvR 2140/05, juris Rz. 17).
Rz. 10
bb) Nach diesen Grundsätzen ist das am 4.4.2018 beim Berufungsgericht eingegangene Schreiben des Klägers dahingehend auszulegen, dass er nicht Berufung eingelegt, sondern die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt hat. Der Kläger hat in seinem Schreiben zu erkennen gegeben, dass er die Beiordnung eines Rechtsanwalts begehrt, um ihm die Durchführung des Berufungsverfahrens zu ermöglichen. Er hat ausgeführt, dass er sich gegen das Urteil des LG mit der Berufung wenden wolle und wisse, dass er hierfür einen Anwalt benötige, aber aufgrund krankheitsbedingter Erwerbsunfähigkeit und erheblicher Schulden, insb. Stromschulden, nicht über die für die Beauftragung eines Anwalts erforderlichen finanziellen Mittel verfüge. Zugleich hat er seine Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass das Berufungsgericht die Sache ordnungsgemäß prüfe.
Rz. 11
Die Auslegung seines Schreibens als Prozesskostenhilfeantrag wird auch seiner Interessenlage gerecht. Die Einlegung einer mangels Postulationsfähigkeit unzulässigen Berufung wäre offensichtlich unvernünftig.
Rz. 12
b) Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht bereits deshalb auf der Rechtsverletzung (§ 576 Abs. 1 ZPO), weil keine Berufung vorliegt, die kostenpflichtig verworfen werden durfte.
IV.
Rz. 13
Die angefochtene Entscheidung ist deshalb aufzuheben und die Sache zur Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Dieses wird dabei zu unterstellen haben, dass der Kläger innerhalb der Berufungsfrist einen formal ordnungsgemäßen Antrag gestellt hat. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger innerhalb der am 19.4.2018 abgelaufenen Berufungsfrist weder eine (erneute) Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem hierfür von § 117 Abs. 4 ZPO vorgeschriebenen Vordruck eingereicht noch auf seine in der Vorinstanz eingereichte Erklärung Bezug genommen und unmissverständlich mitgeteilt hat, es habe sich seither nichts geändert (vgl. Senat, Beschl. v. 21.8.2018 - VI ZA 20/18, juris Rz. 5; BGH, Beschl. v. 12.6.2001 - XI ZR 161/01, BGHZ 148, 66, juris Rz. 5 f.; v. 7.10.2004 - V ZA 8/04, FamRZ 2004, 1961). Zwar kann einem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Einlegung eines Rechtsmittels grundsätzlich nur stattgegeben werden, wenn neben dem Antrag innerhalb der Rechtsmittelfrist auch die notwendigen Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der erforderlichen Form gemacht werden (Senat, Beschl. v. 21.8.2018 - VI ZA 20/18, juris Rz. 4; vgl. auch BGH, Beschl. v. 14.3.2017 - VI ZB 36/16, NJW-RR 2017, 895 Rz. 6; BGH, Beschl. v. 8.5.2019 - XII ZB 520/18, NZFam 2019, 538 Rz. 10). Das in der unterlassenen Einreichung des Vordrucks liegende Versäumnis des Klägers wirkt sich unter den Umständen des Streitfalls aber nicht zu seinen Lasten aus. Denn das Berufungsgericht hat es verfahrensfehlerhaft unterlassen, den in der Berufungsinstanz anwaltlich nicht vertretenen und insoweit offensichtlich nicht rechtskundig beratenen Kläger darauf hinzuweisen, dass sein Prozesskostenhilfeantrag unvollständig ist.
Rz. 14
1. Der aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip folgende Anspruch des Rechtsuchenden auf ein faires Verfahren verpflichtet das Gericht zur Rücksichtnahme auf die Parteien (vgl. BGH, Beschl. v. 29.8.2017 - VI ZB 49/16, VersR 2018, 186 Rz. 13; BVerfGE 75, 183, 188 ff.; 93, 99, 114; BVerfG NJW 2006, 1579). So sind die Gerichte beispielsweise gehalten, durch Hinweise oder andere geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern, wenn die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts "ohne Weiteres" bzw. "leicht und einwandfrei" zu erkennen ist; dies kann die Weiterleitung der Rechtsmittelschrift an das zuständige Gericht im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs gebieten (vgl. BGH, Beschl. v. 12.10.2011 - IV ZB 17/10, NJW 2012, 78 Rz. 14; BVerfG NJW 2002, 3692, 3693; NJW 2006, 1579). Dem Gericht ist es untersagt, aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Versäumnissen Verfahrensnachteile abzuleiten (vgl. BGH, Beschl. v. 29.8.2017 - VI ZB 49/16, VersR 2018, 186 Rz. 13; BVerfGE 75, 183, 190; 93, 99, 115; BVerfG NJW 2006, 1579 Rz. 8).
Rz. 15
Das Gebot der Rücksichtnahme gilt im Prozesskostenhilfeverfahren in besonderem Maße (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.1.1996 - 2 BvR 306/94, StV 1996, 445 f.; VGH BW, NVwZ-RR 2004, 230; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 77. Aufl., § 117 Rz. 35; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., vor § 114 Rz. 8 ff.). In diesem Verfahren ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Prozesskostenhilfe das aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG folgende Gebot der Rechtsschutzgleichheit verwirklichen soll, indem Bemittelte und Unbemittelte in den Chancen ihrer Rechtsverfolgung gleichgestellt werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse v. 14.10.2003 - 1 BvR 901/03, NVwZ 2004, 334, juris Rz. 15; v. 5.12.2018 - 2 BvR 2257/17, AGS 2019, 82, 84). Da dieses Verfahren den grundgesetzlich gebotenen Rechtsschutz nicht selbst bietet, sondern erst zugänglich macht, dürfen die Anforderungen - sowohl an den Vortrag der Beteiligten als auch bei der Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse - nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.10.2003 - 1 BvR 901/03, NVwZ 2004, 334, juris Rz. 15, 17; BGH, Beschl. v. 3.7.2013 - XII ZB 106/10, FamRZ 2013, 1650 Rz. 13). Das gilt nicht nur für den ersten Zugang zum Gericht, sondern für die Wahrnehmung aller Instanzen, die eine Prozessordnung vorsieht (BVerfG, Beschl. v. 8.1.1996 - 2 BvR 306/94, StV 1996, 445 f.).
Rz. 16
Dementsprechend ist es in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass das Gericht einen Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht wegen unterlassener Einreichung des in § 117 Abs. 4 ZPO vorgeschriebenen Vordrucks ablehnen darf, wenn es die Partei nicht zuvor erfolglos auf die Unvollständigkeit ihres Antrags hingewiesen und ihr eine Frist gesetzt hat, innerhalb der der Vordruck einzureichen ist (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 25.3.2014 - 10 WF 19/14, BeckRS 2015, 2990 Rz. 3; OLG Saarbrücken, FamRZ 2012, 806 f.; OLG Rostock, FamRZ 2003, 1396; VGH BW, FamRZ 2004, 125; OVG Lüneburg, FamRZ 2007, 295, 296, jeweils zum erstinstanzlichen Verfahren; MünchKomm/ZPO/Wache, 5. Aufl. 2016, § 117 Rz. 19; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 117 Rz. 22; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 77. Aufl. 2019, § 117 Rz. 35; Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 117 ZPO Rz. 17; Musielak/Voit/Fischer, ZPO, 16. Aufl., § 117 Rz. 19; Saenger, ZPO, 8. Aufl., § 117 Rz. 23).
Rz. 17
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war das Berufungsgericht im Streitfall verpflichtet, den offensichtlich nicht rechtskundig beratenen Kläger nach Eingang seines Schreibens am 4.4.2018 darauf hinzuweisen, dass der von ihm gestellte Prozesskostenhilfeantrag unvollständig war und er innerhalb der Berufungsfrist eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem amtlichen Vordruck einreichen müsse (vgl. auch BGH, Beschl. v. 28.3.2019 - IX ZA 8/18, NZI 2019, 644 Rz. 6; v. 6.12.2017 - V ZA 44/17, juris Rz. 5; v. 10.11.2016 - V ZA 12/16, NJW 2017, 735 Rz. 6; v. 7.10.2004 - V ZA 8/04, FamRZ 2004, 1961, juris Rz. 5 sowie BGH, Beschl. v. 3.7.2013 - XII ZB 106/10, FamRZ 2013, 1650; BVerfG NJW 2000, 275; NVwZ 2004, 334, 335). Der vom Berufungsgericht am 4.4.2018 angeforderten Prozessakte bedurfte es hierfür nicht. Sowohl das Rechtsschutzziel des Klägers als auch das Fehlen des amtlichen Vordrucks waren leicht und einwandfrei zu erkennen.
Rz. 18
Es ist davon auszugehen, dass der Kläger, dem bereits erstinstanzlich Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungen bewilligt worden war und dessen wirtschaftliche Verhältnisse sich bis auf eine geringfügige Erhöhung seiner Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht verändert hatten, auf einen solchen Hinweis - wie in der Rechtsbeschwerdeinstanz geschehen - innerhalb der Rechtsmittelfrist reagiert und eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem in § 117 Abs. 4 ZPO vorgeschriebenen Vordruck eingereicht hätte. Denn die Berufungsfrist lief erst am 19.4.2018 ab.
Fundstellen
Haufe-Index 13489333 |
NJW 2019, 3727 |
NJW 2019, 9 |
FamRZ 2019, 2015 |
FA 2019, 385 |
JZ 2019, 786 |
MDR 2019, 1399 |
MDR 2020, 151 |
FF 2019, 511 |
RVGreport 2020, 192 |