Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. Juli 2000 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 30.000,– DM
Gründe
Dem Kläger ist das klagabweisende Urteil des Landgerichts München I vom 13. Januar 2000 am 6. April 2000 zugestellt worden. Seine an das Landgericht München I, Prielmayerstraße 7, 80335 München, adressierte Berufung datiert vom 10. April 2000 und ist bei der Allgemeinen Einlaufstelle I der Justizbehörden München am Montag, dem 8. Mai 2000 eingegangen. Die Einlaufstelle leitete die Berufung, der ein vollständiges Exemplar des angefochtenen Urteils angeheftet war, an das Oberlandesgericht München, wo sie am 10. Mai 2000 einging.
Am 26. Mai 2000 hat der Kläger wegen der Versäumung der Berufungsfrist, von der er nach seinem Vortrag am 16. Mai 2000 erfahren hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er vorgebracht: Die Berufung sei infolge eines Schreibversehens über die Computeradressierung an das Landgericht München I gerichtet worden, obwohl sein Prozeßbevollmächtigter bei Diktat des Berufungsschriftsatzes am 10. April 2000 als Adressaten ausdrücklich das Oberlandesgericht bezeichnet habe. Der fertige Schriftsatz sei von seinem Prozeßbevollmächtigten mehrfach überprüft worden, insbesondere hinsichtlich der Anträge, und auch von dessen Kollegin durchgesehen worden. Am Montag, dem 8. Mai 2000 sei der Auslauf der Berufungsschrift an das Landgericht München I im Postausgangsbuch ordnungsgemäß vermerkt worden. Ebenso wie seinem Prozeßbevollmächtigten und dessen Kollegin sei auch den mit der Sache befaßten Fachangestellten der Adressierungsfehler nicht aufgefallen.
Das Oberlandesgericht hat durch Beschluß vom 10. Juli 2000 den Wiederseinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Klägers auf seine Kosten als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers.
II.
Das in formeller Hinsicht einwandfreie Rechtsmittel ist nicht begründet. Die Berufungsschrift ist nicht fristgemäß bei dem Oberlandesgericht eingegangen. Wegen der Fristversäumung kann dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden, weil sie nicht unverschuldet i.S. von § 233 ZPO ist.
1. Der Eingang der Berufungsschrift bei der auch für Schriftsätze an das Oberlandesgericht München zuständigen gemeinsamen Einlaufstelle am 8. Mai 2000 hat die an diesem Tage ablaufende Berufungsfrist nicht gewahrt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist ein bei einer gemeinsamen Postannahmestelle mehrerer Gerichte eingereichter Schriftsatz bei demjenigen Gericht eingegangen, an das er adressiert ist (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Oktober 1988 – VII ZB 1/88, NJW 1989, 590; Beschl. v. 10. Januar 1990 – XII ZB 141/89, NJW 1990, 990; Beschl. v. 2. Oktober 1996 – XII ZB 145/96, FamRZ 1997, 172). Da die Berufung an das Landgericht München I gerichtet war, ist sie zwar diesem innerhalb der Berufungsfrist eingereicht worden, nicht aber dem Oberlandesgericht München. Die Berufung hätte gemäß § 518 Abs. 1 ZPO bei dem Oberlandesgericht eingelegt werden müssen, an das sie jedoch erst am 10. Mai 2000 und damit nach Fristablauf gelangte.
Eine andere Beurteilung ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Berufungsschrift das komplette landgerichtliche Urteil beigefügt war. Die Einlaufstelle hat eingehende Schriftsätze dem jeweils als Empfänger bezeichneten Gericht zuzuordnen. Denn mit der Adressierung eines Schriftsatzes an ein bestimmtes Gericht hat der Verfasser eine Entscheidung getroffen, die für die Einlaufstelle maßgebend ist. Es ist nicht Aufgabe der Einlaufstelle, diese Entscheidung des Verfassers auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Die Einlaufstelle durfte die Berufungsschrift des Klägers daher dem Landgericht München I zuordnen, sie brauchte entgegen der Beschwerdeschrift nicht anzunehmen, es liege lediglich ein Vergreifen im Ausdruck vor. Der vorliegende Fall unrichtiger Adressierung ist weder demjenigen vergleichbar, in dem eine Berufungsbegründungsschrift unter Angabe des richtigen OLG-Aktenzeichens an das Landgericht adressiert war (BGH, Beschl. v. 6. Oktober 1988 – VII ZB 1/88 aaO), noch dem, daß Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts eingelegt, aber weiter kein Empfänger der Berufungsschrift angegeben wurde (BGH, Beschl. v. 28. Januar 1992 – X ZB 17/91, NJW 1992, 1047).
2. Die Fristversäumung beruht auf Verschulden des Prozeßbevollmächtigten des Klägers, das gemäß § 85 Abs. 2 ZPO diesem zugerechnet wird. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gehört die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift wegen der Bedeutung dieser Tätigkeit und der inhaltlichen Anforderungen an einen solchen Schriftsatz zu den Geschäften, die der Rechtsanwalt nicht seinem Büropersonal überlassen darf, ohne dessen Arbeitsergebnis auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen (BGH, Beschl. v. 10. Januar 1990 – XII ZB 141/89 aaO; Sen.Beschl. v. 20. Februar 1995 – II ZB 16/94, NJW 1995, 1499; Sen.Urt. v. 1. Dezember 1997 – II ZR 85/97, NJW 1998, 908). Der Rechtsanwalt trägt die persönliche Verantwortung dafür, daß eine Rechtsmittelschrift an das richtige Gericht adressiert wird (BGH, Beschl. v. 10. Januar 1990 – XII ZB 141/89 aaO; Beschl. v. 23. März 1995 – VII ZB 19/94, NJW 1995, 2105; Beschl. v. 2. Oktober 1996 – XII ZB 145/96 aaO). Daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die unzutreffende Adressierung der Berufungsschrift trotz mehrfacher Überprüfung übersehen hat, gereicht ihm zum Verschulden.
Unterschriften
Henze, Goette, Kurzwelly, Kraemer, Münke
Fundstellen
Haufe-Index 600002 |
NJOZ 2001, 1179 |