Entscheidungsstichwort (Thema)
Entlassung aus dem Richterverhältnis auf Probe
Tenor
Die Revision gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. April 1999 ergangene Urteil des Landgerichts Leipzig – Dienstgericht für Richter – wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der 1969 geborene Antragsteller wendet sich gegen die auf seinen Antrag hin vorgenommene Entlassung aus dem Richterverhältnis auf Probe.
Er bestand am 23. Mai 1996 die zweite juristische Staatsprüfung mit der Note „vollbefriedigend”. Mit Wirkung vom 15. August 1996 wurde er unter Berufung in das Richterverhältnis auf Probe zum Richter im Landesdienst ernannt. Bis zum 31. Januar 1998 war er dem Amtsgericht D. zugewiesen, ab 1. Februar 1998 dem Landgericht L.
Beim Amtsgericht D. war der Antragsteller als Strafrichter eingesetzt. In der ersten Probezeitbeurteilung vom 17. Juni 1997 wurde er als „geeignet” bezeichnet. Im Dienstzeugnis vom 8. März 1998 über den gesamten Zeitraum seiner Tätigkeit beim Amtsgericht D. wurde der Antragsteller als „noch nicht geeignet” beurteilt. Bemängelt wurde, daß er Verfahren nicht zügig und zielstrebig genug erledigt und Entscheidungen wegen zu geringer Entschlußkraft auffallend verzögert habe. Der Antragsgegner nahm dies zum Anlaß, den Antragsteller in einem Gespräch vom 7. April 1998 darauf hinzuweisen, daß seine Erledigungszahlen nicht dem richterlichen Pensum entsprächen und die nächsten Monate mitentscheidend dafür sein würden, ob seine Entlassung erfolgen werde. Auch die Frage einer Entlassung auf Antrag wurde angesprochen. Der Antragsgegner ließ das vom Antragsteller betreute Referat beim Amtsgericht D. überprüfen und sich über seine Tätigkeit bei der Zivilkammer des Landgerichts L. berichten. Daraufhin eröffnete der Antragsgegner dem Antragsteller in einem Gespräch vom 15. Mai 1998, nach derzeitigem Sachstand sei von seiner Entlassung zum 15. August 1998 auszugehen, da er für den Richterberuf nicht geeignet sei. Die Frage einer Entlassung auf Antrag wurde erneut erörtert.
Mit Schreiben vom 20. Mai 1998 beantragte der Antragsteller seine Entlassung zum 31. Dezember 1998. Demgemäß entließ der Antragsgegner den Antragsteller durch Verfügung vom 26. Mai 1998 mit Wirkung zum 31. Dezember 1998 aus dem Richterverhältnis auf Probe. Die Entlassungsurkunde wurde dem Antragsteller am 3. Juni 1998 ausgehändigt.
Am 31. Dezember 1998 erhob der Antragsteller gegen die Entlassungsverfügung beim Dienstgericht für Richter Klage und beim Antragsgegner Widerspruch, der am 15. Januar 1999 abschlägig beschieden wurde.
Der Antragsteller hält die Entlassungsverfügung für rechtswidrig, weil es an einem wirksamen Entlassungsantrag fehle. Er habe den Antrag nicht freiwillig gestellt, sondern nur unter dem Druck der angekündigten Entlassung und seiner Beurteilung durch den Landgerichtspräsidenten als „nicht geeignet”. Jedenfalls habe er den Entlassungsantrag mit Schreiben vom 31. Dezember 1998 wegen widerrechtlicher Drohung wirksam angefochten. Die Anfechtung sei auch unverzüglich erfolgt, weil er im Falle einer früheren Anfechtung des Entlassungsantrags eine Entlassung ohne Antrag und einen nachteiligen Einfluß auf das für Ende Dezember 1998 zu erwartende Dienstzeugnis habe befürchten müssen. Darüber hinaus sei der Widerspruchsbescheid ermessensfehlerhaft, soweit der Hilfsantrag auf Zustimmung zur Rücknahme des Entlassungsantrags zurückgewiesen worden sei.
Der Antragsgegner meint, die Anfechtung sei verspätet erklärt worden. Es sei auch nicht widerrechtlich, einem Richter auf Probe, der sich nach Auffassung des Dienstvorgesetzten nicht bewährt habe, zu empfehlen, selbst die Entlassung zu beantragen, um eine solche mangels Bewährung zu vermeiden.
Das Dienstgericht hat die auf Aufhebung der Entlassungsverfügung, hilfsweise auf Zustimmung zur Rücknahme des Entlassungsantrags gerichteten Anträge zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Antragsteller die Aufhebung der Entlassungsverfügung vom 26. Mai 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Januar 1999.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die auf § 21 Abs. 2 Nr. 4 DRiG gestützte Entlassung des Antragstellers aus dem Richterverhältnis auf Probe ist rechtlich nicht zu beanstanden.
1. Das Schreiben des Antragstellers vom 20. Mai 1998 an den Präsidenten des Landgerichts, in dem er um seine Entlassung zum 31. Dezember 1998 bittet, ist ein wirksamer Entlassungsantrag.
a) Der Antragsteller meint, wegen der Drohung mit der Entlassung und einer ungünstigen Beurteilung fehle es an der Freiwilligkeit des Antrags und damit überhaupt an einem Entlassungsantrag. Er beruft sich hierfür auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Ermäßigung der Arbeitszeit eines neu eingestellten Beamten aufgrund eines ihm abverlangten Antrags ohne die Möglichkeit zur Wahl der vollen Beschäftigung rechtswidrig ist (BVerwGE 82, 196). Der Entlassungsantrag nach § 21 Abs. 2 Nr. 4 DRiG setze ebenfalls die Ausübung eines Wahlrechts voraus. Dem Richter müsse die Wahlmöglichkeit offenstehen, im Richterdienst zu verbleiben oder aber auf Antrag aus dem Richterdienst auszuscheiden. Diese Wahlmöglichkeit habe der Antragsgegner ihm nicht eröffnet.
b) Der Antragsteller kann aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nichts für sich herleiten, weil die Sach- und Rechtslage nicht vergleichbar ist. Dort ging es nicht um den Bestand des Beamtenverhältnisses, sondern darum, daß die Einstellungsbehörde die gesetzlichen Bestimmungen über die (freie) Wahl des (ernannten) Beamten zwischen voller und ermäßigter Beschäftigung durch Einflußnahme auf die Bewerber umgangen hatte. Deshalb fehlte es an einem Antrag im Sinne der Vorschriften über die Teilzeitbeschäftigung.
Im vorliegenden Fall ist ein Antrag gestellt worden, wie ihn das Gesetz in § 21 Abs. 2 Nr. 4 DRiG vorsieht. Diese Vorschrift gibt dem Richter das Recht, jederzeit seine Entlassung zu verlangen, aber kein Wahlrecht im Sinne eines Anspruchs auf Verbleiben im Dienst bei fehlendem Entlassungsantrag. Vielmehr ist nach dem Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Entlassung ohne Antrag möglich. Darum geht es hier. Der Antragsteller konnte wählen, ob er auf eigenen Antrag zum 31. Dezember 1998 entlassen wird oder spätestens sechs Wochen vor dem 15. August 1998 eine auf § 22 Abs. 1 DRiG gestützte Entlassungsverfügung mitgeteilt bekommt. Falls die Entscheidungsfreiheit des Richters in einem solchen Fall durch widerrechtliche Drohung des Dienstherrn beeinflußt worden ist, fehlt es nicht an einem Entlassungsantrag, dieser ist vielmehr nur nach § 123 BGB anfechtbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1982 – 2 C 4.80 – ZBR 1983, 191 f.; BVerwGE 37, 19 ff.).
2. Der Antragsteller hat den Entlassungsantrag nicht wirksam angefochten.
a) Soweit die Anfechtungserklärung mit der Drohung der Entlassung zum 15. August 1998 begründet wird, hat das Dienstgericht sie zu Recht als verspätet angesehen. Die Drohung war auch nicht widerrechtlich.
aa) Die Anfechtung des Entlassungsantrags eines Beamten oder Richters ist auch bei arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung unverzüglich zu erklären (vgl. BVerwGE 37, 19 ff.; Fürst GKÖD, BBG, K § 30 Rdn. 12). Im Fall der Drohung beginnt die Anfechtungsfrist mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört (BGH, Urteil vom 16. Januar 1997 – IX ZR 250/95 – NJW 1997, 1980 unter II 2 a), also das angedrohte Übel eingetreten ist oder mit seinem Eintritt nicht mehr ernsthaft zu rechnen ist (Palandt/Heinrichs, 58. Aufl. § 124 BGB Rdn. 2).
Die Entlassung nach § 22 Abs. 1 DRiG war schon ab dem Zeitpunkt nicht mehr möglich, in dem die Frist von sechs Wochen vor dem Entlassungstag nach § 22 Abs. 5 DRiG, dem 15. August 1998, nicht mehr einzuhalten war. Nach Ablauf des 24. Monats seit der Ernennung zum 15. August 1996 konnte der Antragsteller nicht mehr nach § 22 Abs. 1 DRiG entlassen werden. Auf die Ausführungen der Revision zu § 22 Abs. 2 DRiG kommt es nicht an, weil eine solche, frühestens zum 15. August 1999 mögliche Entlassung nicht angedroht war.
bb) Abgesehen davon war die Drohung mit der Entlassung nach § 22 Abs. 1 DRiG auch nicht widerrechtlich.
Nach dieser Vorschrift ist die Entlassung aus jedem sachlichen Grund zulässig. Sie setzt, anders als eine Entlassung gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG, nicht die Feststellung voraus, der Richter auf Probe sei für das Amt des Richters oder Staatsanwaltes nicht geeignet. Vielmehr können schon ernstliche Zweifel an der Eignung eines Richters auf Probe seine Entlassung gemäß § 22 Abs. 1 DRiG rechtfertigen (BGH, Dienstgericht des Bundes, Urteil vom 12. Oktober 1995 – RiZ (R) 8/94 – DRiZ 1997, 67 f. m.w.N.). Wenn ein Dienstherr z.B. aufgrund von Beurteilungen, eigenen Überprüfungen und persönlichen Gesprächen solche ernstlichen Zweifel an der Eignung hat, ist die Ankündigung der Entlassung nur dann widerrechtlich, wenn ein verständiger Dienstherr die Entlassung nicht ernsthaft in Erwägung gezogen hätte (vgl. zum Arbeitsrecht BAG NJW 1997, 676 unter B I 2 b und BAG NJW 1994, 1021 unter II 3).
Nach dem hier zugunsten des Antragstellers anzunehmenden Sachverhalt kann nicht festgestellt werden, daß ein verständiger Dienstherr die Entlassung nicht ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Selbst wenn man die Einwendungen des Antragstellers gegen die Beurteilungen als zutreffend unterstellt, durfte der Antragsgegner berechtigte Zweifel daran haben, ob der Antragsteller in der Lage sein werde, das normale Richterpensum zu bewältigen. Einer sicheren Feststellung, daß er für das Richteramt nicht geeignet sei, bedurfte es, anders als bei § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG, nicht.
b) Ob die Anfechtungserklärung auch verspätet ist, soweit sie auf die behaupteten Äußerungen des Landgerichtspräsidenten zu den von ihm beabsichtigten dienstlichen Beurteilungen gestützt wird, mag zweifelhaft sein. Es ist aber schon nicht ersichtlich, daß insoweit der objektive Tatbestand einer widerrechtlichen Drohung erfüllt ist. Hierbei ist von dem Sachvortrag des Antragstellers im Verwaltungsverfahren und im Verfahren vor dem Dienstgericht auszugehen.
aa) Der Antragsteller hat geltend gemacht, die Ankündigung des Landgerichtspräsidenten, er werde die Beurteilung von „noch nicht geeignet” in „nicht geeignet” ändern, falls kein Entlassungsantrag gestellt werde, sei eine widerrechtliche Drohung gewesen. Dem kann in rechtlicher Hinsicht nicht gefolgt werden. Eine Drohung ist die Ankündigung eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt oder Nichteintritt der Drohende einwirken zu können behauptet, so daß beim Bedrohten der Eindruck entstehen muß, der Eintritt des Übels sei vom Willen des Drohenden abhängig (BGH, Urteil vom 7. Juni 1988 – IX ZR 245/86 – NJW 1988, 2599 unter I 1 a m.w.N.; Heinrichs, aaO § 123 BGB Rdn. 16). Daran fehlt es hier. Es liegt insbesondere für einen Juristen auf der Hand, daß es nicht möglich ist, ein Dienstzeugnis, das dem Richter – wie hier – bereits bekannt gegeben worden ist, nachträglich zu ändern. Falls dem Vortrag des Antragstellers überhaupt entnommen werden kann, daß er eine entsprechende Äußerung des Landgerichtspräsidenten behaupten will, ist es deshalb ausgeschlossen, daß der Antragsteller eine solche Äußerung ernstgenommen und als Drohung empfunden hat.
bb) Nach Darstellung des Antragstellers hat der Präsident des Landgerichts gesagt, falls er – der Antragsteller – seine Entlassung beantrage, werde er ihm ein Zeugnis erteilen, durch das ihm „keine Steine in den Weg” gelegt würden. In dieser Äußerung wäre lediglich das Inaussichtstellen einer Wohltat zu sehen, nicht aber das Ankündigen einer sachlich nicht gerechtfertigten und damit widerrechtlichen negativen Beurteilung.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V. mit § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für beide Rechtszüge entsprechend §§ 13 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b, 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 25 Abs. 2 Satz 2 GKG auf 38.391,91 DM festgesetzt.
Unterschriften
Erdmann, Siol, Boetticher, Seiffert, Solin-Stojanovi[cacute]
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 02.02.2000 durch Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556567 |
NJW-RR 2000, 1227 |