Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 28. September 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Alleingesellschafter und Liquidator der A. GmbH i.L. Diese war alleinige Gesellschafterin der B. GmbH. Durch Vertrag vom 20. Oktober 1994, den der verklagte Notar beurkundete, verkaufte die A. ihre Geschäftsanteile an der B. für 1,9 Mio. DM an die M. GmbH. Gleichzeitig wurden die Anteile „mit dinglicher Wirkung ab Beurkundung”, wie es in § 4 des Vertrages hieß, auf die Käuferin übertragen. Der Kaufpreis war am 30. November 1994 fällig. In § 8 erklärten die Käuferin, deren Geschäftsführer Mi., die B. sowie deren Geschäftsführer Mr. und D., die bei der Beurkundung anwesend waren, sie stünden „persönlich dafür ein”, daß der Kläger aus seinen Bürgschaften, die er für Verbindlichkeiten der B. übernommen hatte, „bis spätestens 30.11.1994 entlassen” werde. Noch am selben Tag wurde Mi. zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der B. bestellt.
Der Kaufpreis wurde nicht gezahlt; die Zwangsvollstreckung blieb im wesentlichen erfolglos. Mi. persönlich wurde später u.a. unter dem Gesichtspunkt des Betruges verurteilt, der A. Schadensersatz in Höhe von rd. 2 Mio. DM zu leisten. Die B. geriet spätestens im Laufe des Jahres 1995 in Vermögensverfall. Der Kläger wurde aus seinen Bürgschaften in Anspruch genommen. Seine deswegen gegen Mi., Mr. und D. unter Berufung auf § 8 des Kaufvertrags erhobene Klage wurde mit der Begründung rechtskräftig abgewiesen, diese Vertragsbestimmung enthalte keine Garantiezusage und begründe keine Schadensersatzverpflichtung aus den dortigen Erklärungen für den Fall, daß es nicht zur Entlassung des Klägers aus den Bürgschaften komme.
Der Kläger wirft dem Beklagten vor, dieser habe seine Pflichten als Notar verletzt, indem er bei der Beurkundung nicht darauf hingewirkt habe, daß die die Entlassung aus den Bürgschaften betreffende Vertragsbestimmung eine klare Fassung im Sinne einer Garantiezusage erhielt; außerdem hätte er, so meint der Kläger, darauf hinweisen müssen, daß es sich bei der sofortigen Übertragung der Geschäftsanteile ohne gleichzeitige Kaufpreiszahlung um eine ungesicherte Vorleistung handle. Er verlangt vom Beklagten Ersatz für seine Bürgenzahlungen, die er mit insgesamt rd. 777.000 DM zuzüglich Zinsen beziffert, und für die Kosten des Prozesses gegen Mi., Mr. und D. sowie eines von ihm eingeholten, das Unternehmen der B. betreffenden Wertgutachtens von zusammen rd. 145.000 DM. Ferner hat er sich im Wege der Vollstreckungsgegenklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluß gewandt, den der Beklagte im Anschluß an jenen Prozeß gegen den Kläger erwirkt hat; dort war der jetzige Beklagte dem Rechtsstreit als Streithelfer der Prozeßgegner des Klägers beigetreten.
Das Landgericht hat der – im ersten Rechtszug noch teilweise auf Freistellung gerichteten – Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat den Beklagten nur zur Erstattung der Prozeßkosten in Höhe von 136.581,50 DM nebst Zinsen verurteilt und die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß für unzulässig erklärt; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Senat hat die Revision des Beklagten nicht angenommen. Der Kläger verfolgt mit seinem Rechtsmittel die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche, soweit sie ihm aberkannt worden sind, weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers führt im Umfang des Rechtsmittels zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Beklagte habe pflichtwidrig gehandelt, indem er nicht dafür gesorgt habe, daß in § 8 des Kaufvertrags eine die Frage der Entlassung des Klägers aus seinen Bürgschaftsverpflichtungen unmißverständlich regelnde Vereinbarung getroffen wurde. Das habe zu der Belastung des Klägers mit den Kosten des Vorprozesses einschließlich derjenigen des Beklagten als Streithelfer geführt. Es könne dagegen, so hat das Berufungsgericht ausgeführt, nicht festgestellt werden, daß die Pflichtverletzung des Beklagten auch für den Schaden ursächlich gewesen sei, der durch die Inanspruchnahme des Klägers aus den von ihm übernommenen Bürgschaften entstanden sei.
Im letztgenannten Punkt beruht das Berufungsurteil, wie die Revision mit Erfolg rügt, auf einem Verfahrensfehler.
1. Der Beklagte hat, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, bei der Beurkundung des § 8 des Kaufvertrags die ihm durch § 17 Abs. 1 BeurkG auferlegte Pflicht verletzt, den Willen der Beteiligten zu erforschen, diese über die rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiederzugeben. Der Wortlaut des § 8 spricht nur von der Pflicht derjenigen, die diese Erklärung abgaben, dafür einzustehen, daß der Kläger bis zum 30. November 1994 aus seinen Bürgschaften entlassen werde. Welche Folgen eintreten sollten, wenn es zu einer solchen Entlassung innerhalb der verhältnismäßig knapp bemessenen Frist nicht kam, ist nicht geregelt. Daß es in einem solchen Fall zu Streit zwischen den Beteiligten kommen mußte, lag auf der Hand. Dem hätte der Beklagte dadurch entgegenwirken müssen, daß er die Vertragsparteien fragte, was bei Unterbleiben der rechtzeitigen Entlassung des Klägers aus seinen Verpflichtungen gelten solle, und dies sodann unmißverständlich im Vertragswortlaut zum Ausdruck brachte (vgl. BGH, Urt. v. 17. Februar 2000 – IX ZR 436/98, WM 2000, 1345, 1347). Diese Pflicht bestand entgegen der vom Beklagten in seiner Revisionserwiderung geäußerten Ansicht unabhängig davon, was die Vertragschließenden vorher über eine persönliche Haftung gesprochen, ob sie überhaupt darüber verhandelt hatten und ob der Kläger eine solche Haftung „tatsächlich gewollt” hatte. Für die Verpflichtungen aus einem urkundlich niedergelegten Vertrag ist unbeschadet des Vorrangs einer zwischen den Vertragspartnern bestehenden Einigkeit über das Gewollte insbesondere der dem Vertragswortlaut zu entnehmende, die beiderseitige Interessenlage berücksichtigende objektive Gehalt des Vereinbarten maßgebend. Den Vertragswortlaut entsprechend dem Willen der Beteiligten so eindeutig wie möglich zu fassen, ist Aufgabe des beurkundenden Notars. Dieser Aufgabe ist der Beklagte nicht gerecht geworden. Anhaltspunkte dafür, daß die damit gegebene objektive Pflichtverletzung hier ausnahmsweise nicht auf Verschulden beruht, sind nicht ersichtlich.
2. Das Berufungsgericht hat einen Ersatzanspruch des Klägers wegen seiner Inanspruchnahme aus den Bürgschaften mit der Begründung verneint, es sei nicht bewiesen, daß die Pflichtverletzung des Beklagten für diesen Schaden ursächlich gewesen sei.
a) Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage des insoweit übereinstimmenden Parteivortrags festgestellt, daß die beiden Geschäftsführer der B., Mr. und D., sich, wenn diese Frage erörtert worden wäre, auf eine persönliche Haftung nicht eingelassen hätten. Es hat sodann ausgeführt, es stehe weder fest, daß der Geschäftsführer der Käuferin, Mi., eine persönliche Freistellungsverpflichtung übernommen, noch, daß der Kläger sich damit allein begnügt hätte. Für den letzteren Fall fehle es außerdem an hinreichendem Vortrag dazu, daß eine Vollstreckung gegen Mi. erfolgreich gewesen wäre; der Umstand, daß offenbar die titulierte Schadensersatzforderung der A. gegen Mi. nicht beitreibbar sei, spreche dagegen.
Die Revision rügt mit Recht, daß ein solcher vom Berufungsgericht für möglich gehaltener Kausalverlauf nicht dem Parteivorbringen entspricht. Der Kläger hat vorgetragen, ohne eine persönliche Garantiezusage der Geschäftsführer Mr. und D. hätte er den Kaufvertrag nur dann geschlossen, wenn seine Freistellung aus den Bürgschaften durch eine von der Käuferin oder Mi. persönlich beigebrachte Bankbürgschaft gesichert worden wäre; aller Voraussicht nach wäre der Kaufvertrag aber gar nicht zustande gekommen. Dieser letztgenannten Sicht hat sich der Beklagte angeschlossen. Für ihn steht nach seiner schriftsätzlichen Darstellung fest, „daß es bei ordnungsgemäßer Erforschung des Willens der Urkundsbeteiligtennicht zum Abschluß des notariellen Vertrages gekommen wäre” (Unterstreichung im Original). Auf der Grundlage dieses beiderseitigen Parteivorbringens durfte das Berufungsgericht die Möglichkeit, daß sich der Kläger mit einer allein von Mi. eingegangenen ungesicherten Garantieverpflichtung begnügt hätte, seiner Entscheidung nicht zugrunde legen.
b) Der Kläger hat behauptet, daß, wenn der Vertrag mit der M. nicht zustande gekommen wäre, die Geschäftsanteile entweder an einen anderen, „finanzstarken” Käufer oder überhaupt nicht verkauft worden wären; auch im letzteren Fall wäre er nicht aus den Bürgschaften in Anspruch genommen worden, weil das Unternehmen der B. gesund gewesen sei. Zur ersten dieser beiden Alternativen hat das Berufungsgericht gemeint, aus den vom Kläger vorgelegten drei schriftlichen Kaufangeboten ergebe sich nicht, daß und unter welchen Bedingungen ein solcher anderer Verkauf gelungen wäre und daß sich das Haftungsrisiko des Klägers aus den Bürgschaften dann nicht verwirklicht hätte, nicht aus. Die dagegen gerichtete Revisionsrüge ist insofern unbegründet, als der mit jenen Angeboten unterlegte Vortrag des Klägers nicht erkennen läßt, ob die Interessenten sich schon so weit von der Werthaltigkeit des Unternehmens überzeugt hatten, daß, auf welche Weise und zu welchen Bedingungen sie bereit und in der Lage gewesen wären, den Kläger aus seinen Bürgschaftsverpflichtungen zu befreien. Letztlich hing das alles davon ab, ob nach der damaligen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens zu erwarten war, daß die verbürgten Verbindlichkeiten aus den Gewinnen getilgt werden konnten. Damit stellt sich die gleiche Frage, wie wenn ein Verkauf ganz unterblieben wäre.
Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt, selbst wenn es sich um ein gesundes Unternehmen gehandelt haben sollte, sei damit nicht gesagt, daß es nicht auch dann zum Zusammenbruch gekommen wäre, wenn es in derselben Hand geblieben wäre. Der Kläger hätte, so hat das Berufungsgericht gemeint, zumindest in groben Zügen die Geschäftsabläufe bei der B. in der Zeit nach der Übertragung der Anteile darlegen müssen; er hätte substantiiert vortragen und unter Beweis stellen müssen, welche konkreten, die Geschäftstätigkeit schädigenden Maßnahmen Mi. als Geschäftsführer der B. getroffen habe.
Diese Art der Behandlung der Sache durch das Berufungsgericht ist, wie die Revision mit Recht rügt, verfahrensfehlerhaft. Zu beantworten ist die Frage, ob die B. nach dem Stand des Unternehmens am 20. Oktober 1994 voraussichtlich in der Lage war, ihre Schulden aus eigener Kraft zu tilgen. Die Art der Geschäftsführung nach der Anteilsübertragung ist dafür allenfalls von indizieller Bedeutung. Von einem Unternehmen mit positiver Zukunftsprognose muß grundsätzlich angenommen werden, daß es die an dem dafür maßgebenden Stichtag vorhandenen Verbindlichkeiten erfüllen kann. Der Kläger hat hierzu umfangreiches Zahlenmaterial über die Geschäftsentwicklung, die Bilanzen für die Jahre 1990 bis 1993 sowie ein Gutachten der Dres. Br. GmbH über den Unternehmenswert im Oktober 1994 eingereicht. In dem Gutachten ist der Wert des Unternehmens für Oktober 1994 nach dem Ertragswertverfahren mit 1.772.000 DM ermittelt worden. Die Gutachterin hat zwar ausgeführt, daß eine den Anforderungen an eine Zukunftsschätzung genügende Planungsrechnung nicht vorliege und deshalb die Prognosen für die Zukunft aus den Zahlen der Vergangenheit abgeleitet worden seien, daß aber nach den Angaben des Klägers zum Bewertungsstichtag außer dem Gesellschafterwechsel und dem Wechsel in der Geschäftsführung keine besonderen Umstände eingetreten seien, die der Verwendung der Zahlen der Vergangenheit entgegenstünden. In einer zusätzlichen „cash-flow-Analyse” aufgrund der Zahlen für die Jahre 1991 bis 1993 und der Angaben des neuen wirtschaftlichen Eigentümers, Mi., hat die Gutachterin für 1994 einen finanzwirtschaftlichen, zur Schuldentilgung verwendbaren Überschuß von ca. 900.000 DM errechnet.
Dieses Material, mit dem sich das Berufungsgericht nicht befaßt hat, reichte zur Darlegung, die B. hätte nach ihrer wirtschaftlichen Lage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die verbürgten Schulden aus eigener Kraft tilgen können, aus. Das Berufungsgericht hätte auf dieser Grundlage gemäß § 287 ZPO Feststellungen zu der Frage treffen können und müssen, ob bei ordnungsgemäßer Geschäftsführung eine Schuldentilgung ohne Inanspruchnahme des Klägers als Bürgen zu erwarten war. Dies wird nach Zurückverweisung der Sache nachzuholen sein, wobei die Hinzuziehung eines gerichtlichen Sachverständigen erforderlich sein wird; beide Parteien habe die Einholung eines Sachverständigengutachtens ausdrücklich beantragt.
c) Aus den vorstehend dargelegten Gründen kann auch die Abweisung der Klage hinsichtlich der Kosten des vom Kläger eingeholten Gutachtens nicht bestehen bleiben. Das Berufungsgericht hat dem Kläger den Anspruch auf Erstattung dieser Kosten mit der Begründung aberkannt, er teile das Schicksal des Anspruchs auf Ersatz für die Bürgschaftsleistungen, der nicht begründet sei. Dies trifft, wie ausgeführt, nach dem der Revisionsprüfung zugrunde zu legenden Sachverhalt nicht zu.
II.
Das Berufungsgericht neigt dazu, eine Pflichtverletzung des Beklagten auch insoweit zu bejahen, als dieser nicht auf die im zeitlichen Auseinanderfallen der Anteilsübertragung und der Kaufpreisfälligkeit liegende ungesicherte Vorleistung sowie auf Möglichkeiten einer Absicherung – insbesondere durch Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung für die Übertragung der Anteile – hingewiesen hat. Letztlich hat es die Frage unbeantwortet gelassen und gemeint, jedenfalls gegenüber dem Kläger als Bürgen habe eine solche Belehrungspflicht nicht bestanden; dieser sei auch nicht in den Schutzbereich einer derartigen Notarpflicht einbezogen gewesen. Zudem könne nicht festgestellt werden, daß dem Kläger bei entsprechender Belehrung die der Klage zugrunde liegenden Schäden nicht entstanden wären. Es sei nicht auszuschließen, daß die Käuferin auch dann auf der im Vertrag niedergelegten Regelung bestanden hätte und die Verkäuferin in diesem Fall das Risiko einer ungesicherten Vorleistung eingegangen wäre.
Auch gegen diese Feststellung des Berufungsgerichts erhebt die Revision eine Verfahrensrüge. Ob sie begründet ist, spielt ebensowenig eine Rolle, wie es darauf ankommt, wie die zuvor genannten Fragen zu beantworten sind. Wäre der Vertrag auch im Fall der Belehrung über die ungesicherte Vorleistung so zustande gekommen, wie er tatsächlich abgeschlossen worden ist, dann entfiele schon deswegen eine Haftung des Beklagten unter diesem Gesichtspunkt. Hätten sich die Vertragsparteien auf eine Abtretung der Anteile unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung geeinigt, dann wäre es ebenso, wie wenn sie ganz vom Vertragsschluß Abstand genommen hätten, nicht zu einer wirksamen Anteilsübertragung gekommen; denn der Kaufpreis ist nicht gezahlt worden. Die in den beiden zuletzt genannten Fällen bestehende Haftung des Beklagten würde aber nicht weitergehen als diejenige wegen der unklaren Fassung des § 8 des Vertrages. Sie würde ebenso wie der auf den letztgenannten Gesichtspunkt gestützte Anspruch davon abhängen, ob nach der Unternehmenslage zu erwarten war, daß die B. ihre Schulden aus eigener Kraft – ohne Inanspruchnahme der Bürgschaften des Klägers – erfüllen konnte.
III.
Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die hierzu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen werden können.
Unterschriften
Kreft, Stodolkowitz, Ganter, Raebel, Kayser
Fundstellen
BGHR 2002, 195 |
NJOZ 2002, 778 |