Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung der Unzulässigkeit einer dienstlichen Beurteilung
Leitsatz (amtlich)
a) Die dienstliche Beurteilung eines Richters und jede dazu abgegebene Stellungnahme einer übergeordneten dienstaufsichtführenden Stelle, die sich in irgendeiner Weise kritisch mit dem dienstlichen oder außerdienstlichen Verhalten eines Richters befaßt, stellen Maßnahmen der Dienstaufsicht im Sinne des § 26 Abs. 3 DRiG dar, gegen die mit der nachvollziehbaren Behauptung, sie beeinträchtigten die richterliche Unabhängigkeit, das Richterdienstgericht im Prüfungsverfahren angerufen werden kann (st.Rspr.).
b) Das Dienstgericht hat ausschließlich darüber zu entscheiden, ob eine Maßnahme der Dienstaufsicht die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt. Die allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle obliegt den Verwaltungsgerichten (st.Rspr.).
c) Dienstliche Beurteilungen der Richter sind grundsätzlich mit ihrer verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) vereinbar.
Art. 97 GG hindert den Landesgesetzgeber nicht daran, der obersten Landesbehörde dienstaufsichtliche Befugnisse gegenüber den Richtern einzuräumen (vgl. BVerfGE 38, 139 ≪151 f.≫).
d) Im Rahmen der landesgesetzlichen Regelungen, nach denen dem Dienstherrn die dienstliche Beurteilung der Richter obliegt, kann die zuständige oberste Landesbehörde Beurteilungsrichtlinien erlassen, ohne dazu einer weiteren gesetzlichen Ermächtigung zu bedürfen. Eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit kann darin nicht erblickt werden (wie BGHZ 77, 111 ≪112 f.≫).
e) Die Dienstaufsicht des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts als übergeordneter Dienstaufsichtsbehörde für das Verwaltungsgericht (§ 38 Abs. 2 VwGO) erstreckt sich auf dessen Richter.
Die Beteiligung des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts an den dienstlichen Beurteilungen der erstinstanzlichen Richter trägt dem aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden verfassungsrechtlichen Gebot Rechnung, daß der Dienstherr in seinem Bereich die Anwendung gleicher Beurteilungsmaßstäbe sicherstellen muß.
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 2, Art. 97; Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen vom 23. September 1990 – VermG – § 6 b Abs. 9; DRiG §§ 26, 62 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e, § 66 Abs. 1, § 71 Abs. 3, § 78 Nr. 4 Buchst. e, § 80; BRRG § 126 Abs. 3; SächsRiG §§ 3, 6, 34 Nr. 4f, § 45; SächsJustAG § 16 Abs. 1; VwGO §§ 38, 55, 68 Abs. 1 S. 1, § 86 Abs. 1 S. 1, § 92 Abs. 1 S. 2, §§ 105, 116 Abs. 2, § 117 Abs. 4, § 138 Nrn. 5-6, § 139 Abs. 3 S. 4, § 173; ZPO § 159 Abs. 1 S. 1, §§ 160, 160a Abs. 2 S. 1, § 314; GVG § 17 Abs. 2, § 169 S. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des Dienstgerichts für Richter bei dem Landgericht Leipzig vom 23. Mai 2000 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der am geborene Antragsteller trat 1975 in den höheren Justizdienst des Landes B. ein. Mit Wirkung vom 1. Januar 1994 wurde er – nach vorausgegangenen Abordnungen – in den Justizdienst S. versetzt und zum Direktor des Sozialgerichts L. ernannt. Seit dem 1. März 1996 ist er Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht D..
Am 7. Juli 1998 erstellte der Präsident des Verwaltungsgerichts eine dienstliche Beurteilung über den Antragsteller mit dem Gesamturteil „übertrifft die Anforderungen”. Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts änderte in einem Prüfvermerk vom 24. August 1998 das Gesamturteil in „entspricht voll den Anforderungen” unter Hinweis darauf, daß „die Leistung jedenfalls in quantitativer Hinsicht allenfalls dem unteren Durchschnitt der Anforderung” an einen Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht entspreche.
Mit Schreiben vom 14. September 1998 beantragte der Antragsteller bei dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz, die dienstliche Beurteilung des Präsidenten des Verwaltungsgerichts sowie den Beurteilungsvermerk des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts für unwirksam zu erklären und ersatzlos aus seinen Personalakten zu entfernen. Der Antragsteller legte zugleich vorsorglich Widerspruch gegen die Beurteilungen ein.
Das Staatsministerium der Justiz leitete den Antrag zuständigkeitshalber an den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts weiter. Dieser teilte dem Antragsteller durch Schreiben vom 14. Januar 1999 mit, er könne dem Antrag nicht stattgeben.
Am 23. März 1999 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht D.
Klage erhoben mit dem Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, seinen Antrag vom 14. September 1998 zu bescheiden. Eine Entscheidung in diesem Verfahren () ist noch nicht ergangen.
Der Antragsteller hat am 24. März 1999 das Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht Leipzig angerufen und beantragt,
die Unzulässigkeit des Beurteilungsvermerks des Präsidenten des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. August 1998 und der dienstlichen Beurteilung des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Dresden vom 7. Juli 1998 festzustellen.
Zur Begründung hat er geltend gemacht: Die Stichtagsbeurteilung vom 7. Juli 1998 verletze ihn in seiner richterlichen Unabhängigkeit. Sie sei unter Verstoß gegen Art. 31 GG, § 38 VwGO erfolgt. Nach § 38 Abs. 1 VwGO habe der Präsident des Verwaltungsgerichts die alleinige Dienstaufsicht über die Richter seines Gerichts. Der Präsident des Verwaltungsgerichts habe die beanstandete Beurteilung auf Weisung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und nach Maßgabe der von der Exekutive erstellten Verwaltungsvorschrift vorgenommen. Die Verwaltungsvorschrift sei auf die Verwaltungsgerichte wegen der bundesrechtlichen Ausnahmevorschrift des § 38 VwGO nicht anzuwenden. Die Stichtagsbeurteilung sei zudem rechtsfehlerhaft, weil er – der Antragsteller – wegen seines Alters schon nach dem Wortlaut der Verwaltungsvorschrift nicht mehr periodisch zu beurteilen sei. Weder deren Stichtagsregelung noch deren Bewertungsskala gelte für ihn. Das Gesamturteil „übertrifft die Anforderungen” benachteilige ihn in der gegenwärtigen Konkurrenzsituation. Seine richterliche Leistung sei nur beschränkt auf den Zeitraum vom 1. März 1996 bis zum 31. Dezember 1997 beurteilt worden. Auch seien nicht – unter Anknüpfung an seine letzte Regelbeurteilung in B. seine Leistungen im Zusammenhang mit einer Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht zum Ehenamensrecht gewürdigt worden. Die Beurteilung des Präsidenten des Verwaltungsgerichts benachteilige ihn auch zukünftig. Da er aus Altersgründen nicht mehr an Stichtagsbeurteilungen teilnehme, könne er sich im Unterschied zu Konkurrenten nicht mehr „bewähren” und in der Einstufung verbessern. Der Benotungsspielraum des Präsidenten des Verwaltungsgerichts sei durch die Anweisung, das Prädikat „übertrifft die Anforderungen” nur in 15 v.H. der Beurteilungen zu vergeben, eingeschränkt worden. Deshalb sehe er – der Antragsteller – sich als „Quotenopfer” degradiert.
Der Beurteilungsvermerk des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts sei ein rechtswidriger Übergriff und Eingriff in seine richterliche Unabhängigkeit. Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts habe die Beurteilung des Präsidenten des Verwaltungsgerichts nicht ändern dürfen. Nach § 38 Abs. 2 VwGO habe er lediglich die übergeordnete Dienstaufsicht über die Präsidenten der Verwaltungsgerichte und die Zuständigkeit für Koordinierungs- und allgemeine Kontrollmaßnahmen. Diese bundesrechtliche Norm könne § 16 SächsJustAG nicht brechen. Darüber hinaus fehle dem Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts die für eine Änderung der Beurteilung erforderliche Tatsachenkenntnis. Die angestellten Vergleiche der Erledigungszahlen habe er nicht offen gelegt. Die Verletzung seiner – des Antragstellers – richterlichen Unabhängigkeit ergebe sich aus der Gesamtheit der Einflußnahmen der sächsischen Exekutive (beispielsweise monatliche Statistik, Bericht über sogenannte Altfälle, Geschäftsprüfungen).
Der Antragsgegner ist dem Vorbringen des Antragstellers entgegengetreten und hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Das Dienstgericht für Richter hat durch Urteil vom 23. Mai 2000 den Antrag zurückgewiesen.
Nach Bekanntgabe des Urteilstenors hat der Antragsteller seinen Antrag zurückgenommen. Der Antragsgegner hat es abgelehnt, in die Antragsrücknahme einzuwilligen.
Das Dienstgericht für Richter hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Der Antrag sei zulässig, jedoch nicht begründet. Weder die Beurteilung des Präsidenten des Verwaltungsgerichts noch der Beurteilungsvermerk des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts beeinträchtigten die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers. Andere Maßnahmen der Dienstaufsicht seien in diesem Verfahren nicht Streitgegenstand.
Der Antragsteller rüge in erster Linie, der Präsident des Oberverwaltungsgerichts habe mit dem Prüfvermerk seine Dienstaufsichtsbefugnis überschritten. Dies treffe nicht zu. Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts habe die Beurteilung des Präsidenten des Verwaltungsgerichts ändern dürfen. Die Regelung seiner Zuständigkeit und Änderungsbefugnis in der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz zur Beurteilung von Richtern und Staatsanwälten vom 5. Februar 1996 (SächsJMBl 1996, 27) sei wirksam. Sie verstoße weder gegen § 6 Abs. 1 Satz 1 SächsRiG noch gegen § 16 Abs. 1 SächsJustAG. Die in § 16 Abs. 1 Nr. 2 SächsJustAG vorgesehene Dienstaufsicht und Dienstvorgesetzteneigenschaft des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts seien mit § 38 VwGO vereinbar. Da der Präsident des Oberverwaltungsgerichts nicht als erster oder einziger Beurteiler tätig geworden sei, spiele es keine Rolle, daß § 16 Abs. 1 SächsJustAG im Gegensatz zu § 38 VwGO keine Stufung der Dienstaufsicht vorsehe. Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts sei nach § 38 Abs. 2 VwGO übergeordneter Dienstvorgesetzter der erstinstanzlichen Verwaltungsrichter. Die vom Antragsteller beanstandete Prüfung und Änderung der Beurteilung halte sich im Rahmen seiner übergeordneten Dienstaufsicht. Sie beeinträchtige ebenso wenig wie die dienstliche Beurteilung durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichts den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit. Der Antragsteller beanstande im wesentlichen den Anlaß sowie den Zeitpunkt der Beurteilung, die Beurteilungsmaßstäbe und die zugrundeliegende Verwaltungsvorschrift. Sowohl nach § 38 VwGO als auch nach § 16 Abs. 1 SächsJustAG sei es zulässig, daß das Sächsische Staatsministerium der Justiz eine Verwaltungsvorschrift über die dienstliche Beurteilung von Richtern erlasse. Die Verwaltungsvorschrift sei mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz und der richterlichen Unabhängigkeit vereinbar. Zu dem in ihr vorgesehenen Stichtag seien alle Lebenszeitrichter im Freistaat Sachsen beurteilt worden. Auch der Inhalt der angefochtenen Beurteilung greife ebenso wie der des Prüfvermerks des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts nicht in die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers ein. Beurteilung und Beurteilungsvermerk versuchten nicht, seine rechtsprechende Tätigkeit zu beeinflussen. Sie enthielten weder eine direkte noch eine indirekte Weisung, wie der Antragsteller in Zukunft als Richter verfahren oder entscheiden solle. Insbesondere sei dem Vermerk nichts dafür zu entnehmen, daß der Antragsteller – wie er meine – zu einer oberflächlichen, nur auf die Erledigung einer möglichst großen Zahl an Verfahren ausgerichteten Arbeitsweise angehalten werden solle. Der Vergleich von Erledigungszahlen sei grundsätzlich zulässig. Ob die dienstliche Beurteilung und der Beurteilungsvermerk aus anderen Gründen rechtswidrig seien, habe das Dienstgericht nicht zu prüfen. Dies bleibe dem Verwaltungsgericht vorbehalten. Das gelte insbesondere für die Frage, ob dem Beurteilungsvermerk vollständig und zutreffend ermittelte Tatsachen sowie ein rechtmäßiger Beurteilungsmaßstab zugrunde lägen.
Gegen dieses Urteil hat der Antragsteller die vom Dienstgericht für Richter zugelassene Revision eingelegt, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt und seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt.
Der Antragsgegner beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision (§ 80 Abs. 2 DRiG, § 45 Abs. 2 SächsRiG), über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 141 Satz 1 VwGO), ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 80 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 DRiG, § 144 Abs. 2 VwGO).
1. Soweit die Revision die Verletzung formellen Rechts geltend macht, genügt ihre Begründung nicht den durch § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO an die Rüge eines Verfahrensmangels gestellten Darlegungsanforderungen. Danach müssen innerhalb der Frist zur Begründung der Revision (§ 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO) die verletzte Rechtsnorm bezeichnet und substantiiert die Tatsachen vorgetragen werden, die den gerügten Verfahrensmangel schlüssig ergeben (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1996 – BVerwG 2 C 37.95 – Buchholz 236.1 § 20 a SG Nr. 5 S. 1 ≪5≫ m.w.N. und vom 25. Februar 1993 – BVerwG 2 C 14.91 – DVBl 1993, 955 m.w.N.; st.Rspr.). Daran fehlt es hier.
a) Zu Unrecht vermißt die Revision die Verkündung des angefochtenen Urteils. Es ist ausweislich der Akten statt dessen gemäß § 116 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO den Beteiligten zugestellt worden. Nach dieser Vorschrift ist grundsätzlich statt der Verkündung die Zustellung des Urteils zulässig. Welche Art der Bekanntgabe des Urteils gewählt wird, liegt im Ermessen des Gerichts; eine gesetzliche Vorgabe im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses besteht nicht (vgl. BVerwGE 75, 337 ≪341≫). Das von der Revision gerügte angebliche Unterlassen eines die Zustellung (statt Verkündung) ankündigenden Beschlusses des Gerichts ist kein Verfahrensmangel, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1975 – BVerwG I C 71.70 – Buchholz 310 § 116 VwGO Nr. 9 S. 1 ≪3 f.≫ m.w.N.).
b) Die Rüge, es fehle eine Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Dienstgericht für Richter (§ 105 VwGO), bezeichnet ebenfalls keinen Verfahrensmangel, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann. Das Dienstgericht hat allerdings § 105 VwGO in Verbindung mit § 159 Abs. 1 Satz 1, § 160 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 ZPO verletzt, weil es über die mündliche Verhandlung kein Protokoll mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt hergestellt hat. Das vom Vorsitzenden während der mündlichen Verhandlung in zulässiger Weise auf Tonträger aufgenommene Protokoll (§ 105 VwGO i.V.m. § 160 a Abs. 1 ZPO) konnte nach der Sitzung nicht übertragen werden (§ 160 a Abs. 2 Satz 1 ZPO), weil das Tonband versehentlich gelöscht worden war. Dies hat der Vorsitzende des Dienstgerichts für Richter in einer Verfügung vom 17. Oktober 2000 vermerkt. Der Mangel einer Sitzungsniederschrift ist indessen kein absoluter Revisionsgrund im Sinne des § 138 VwGO. Er führt nicht stets zur Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Urteils. In der Revisionsbegründung muß vielmehr dargelegt werden, daß und inwiefern das angefochtene Urteil auf dem gerügten Mangel beruht oder zumindest beruhen kann (vgl. BVerwGE 48, 369 ≪371 f.≫ m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1984 – BVerwG 6 C 14.83 – Buchholz 310 § 105 VwGO Nr. 36 S. 11 ≪12 f.≫ m.w.N.; Beschluß vom 22. September 1987 – BVerwG 6 B 22.87 – Buchholz 310 § 105 VwGO Nr. 42 S. 4 ≪5≫ m.w.N.; st.Rspr.). Dies ist dem Revisionsvorbringen nicht zu entnehmen. Die Revision zeigt auch nicht auf, daß und aus welchen Gründen nur eine den gesetzlichen Erfordernissen entsprechende Protokollierung eine hinreichende Grundlage für die Überprüfung des angefochtenen Urteils im Revisionsverfahren bieten könnte (vgl. dazu Beschluß vom 22. September 1987, aaO S. 5). Ein Ausnahmefall, in dem zur Sicherung des vom Tatsachengericht ermittelten Tatsachenstoffs die Protokollierung einer Beweisaufnahme offensichtlich unerläßlich ist und deswegen auf nähere Ausführungen zur Erheblichkeit eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Wiedergabe von Bekundungen verzichtet werden kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 10. Dezember 1976 – BVerwG VI C 12.76 – Buchholz 310 § 105 VwGO Nr. 21 S. 10 ≪11≫, vom 24. Oktober 1984 – BVerwG 6 C 14.83 – Buchholz 310 § 105 VwGO Nr. 36 S. 11 ≪13≫ und vom 15. September 1988 – BVerwG 6 C 31.86 – Buchholz 310 § 105 VwGO Nr. 46 S. 8 ≪9≫; Beschluß vom 11. Februar 1976 – BVerwG VI C 3.76 – Buchholz 310 § 105 VwGO Nr. 15 S. 4 ≪5≫ m.w.N.), liegt hier nicht vor. Der Mangel einer Niederschrift über die mündliche Verhandlung der Vorinstanz macht eine erschöpfende sachliche Überprüfung durch das Revisionsgericht nicht unmöglich. Der für die Entscheidung maßgebliche Tatsachenstoff ist im Tatbestand des angefochtenen Urteils beurkundet (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. Dezember 1978 – BVerwG 1 C 46.75 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 15 S. 45 ≪47≫ m.w.N. und vom 16. Oktober 1984 – BVerwG 9 C 67.83 – Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 25 S. 12 ≪14≫ m.w.N.). Der Urteilstatbestand ist eine öffentliche Urkunde. Diese erbringt Beweis für das mündliche Parteivorbringen (§ 173 VwGO i.V.m. § 314 ZPO). Sie weist auch nach, daß eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat und welche Anträge die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung gestellt haben (vgl. Urteil vom 16. Oktober 1984, aaO S. 14; Beschluß vom 22. November 1984 – BVerwG 9 CB 171.83 – Buchholz 312 EntlG Nr. 40 S. 29 ≪30≫).
c) Entgegen dem Revisionsvorbringen hat das Dienstgericht § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO nicht verletzt. Die von den Richtern des Dienstgerichts unterschriebene Urteilsformel ist nach der Beratung vom 23. Mai 2000 innerhalb der Zweiwochenfrist des § 116 Abs. 2 Halbs. 2 VwGO am 6. Juni 2000 zur Geschäftsstelle gelangt. Das vollständig abgefaßte und unterzeichnete Urteil ist innerhalb von fünf Monaten seit der durch Niederlegung der Urteilsformel dokumentierten Beratung am 17. Oktober 2000 bei der Geschäftsstelle eingegangen. Damit ist den sich aus § 117 Abs. 4 und § 138 Nr. 6 VwGO ergebenden Anforderungen genügt (vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 – GmS OGB 1/92 – BVerwGE 92, 367 ≪372 ff.≫; BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 1997 – BVerwG 3 B 146.97 – Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 31 S. 5 und vom 26. April 1999 – BVerwG 8 B 67.99 – Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 30 S. 2 ≪6 f.≫). Den Entscheidungsgründen sind die maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen und die entscheidungstragenden rechtlichen Erwägungen zu entnehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1993 – BVerwG 2 C 14.91 – DVBl 1993, 955).
d) Soweit die Revision in Frage stellt, „ob die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung … ordentlich hergestellt war”, trägt sie keine Tatsachen vor, aus denen sich – ihre Richtigkeit unterstellt – der absolute Revisionsgrund des § 138 Nr. 5 VwGO ergibt. Die Revision zieht die Einhaltung des Öffentlichkeitsgebots vielmehr lediglich in Zweifel. Das reicht nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 1997 – RiZ(R) 3/96 – DRiZ 1998, 20 ≪21≫). Die Annahme, die mündliche Verhandlung vor dem Dienstgericht sei mangels freien Zutritts für jeden Interessierten nicht in dem durch § 55 VwGO in Verbindung mit § 169 Satz 1 GVG geforderten Sinne öffentlich gewesen (vgl. dazu BVerwG, Beschluß vom 25. Juni 1998 – BVerwG 7 B 120.98 – Buchholz 300 § 169 GVG Nr. 9 S. 3 m.w.N.; st.Rspr.), entbehrt jeglichen tatsächlichen Anhalts. Der Hinweis der Revision auf das Fehlen einer Sitzungsniederschrift gibt dafür nichts her. Das Protokoll ist auch kein unentbehrlicher Nachweis der Einhaltung des Öffentlichkeitsgebots. Zwar ist in einer Niederschrift anzugeben, daß die Sitzung öffentlich war (§ 105 VwGO i.V.m. § 159 Abs. 1, § 160 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Damit ist aber nicht bewiesen, daß die Vorschriften über die Öffentlichkeit gewahrt worden sind (vgl. Beschluß vom 13. November 1987 – BVerwG 1 C 53.86 – Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 74 S. 9 ≪10≫). Die in der Verfügung des Vorsitzenden des Dienstgerichts vom 17. Oktober 2000 enthaltene Feststellung, der Antragsteller sei in der mündlichen Verhandlung in Begleitung von drei Zuhörern erschienen, deutet entgegen der Ansicht der Revision gerade darauf hin, daß offenbar kein Zutrittshindernis für an dem Verfahren nicht beteiligte Personen bestand. Gegenteiliges ist weder dargetan noch sonstwie ersichtlich.
e) Unzulänglich begründet ist schließlich auch die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO). Mit einer Aufklärungsrüge muß substantiiert dargelegt werden, daß und hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände aufgrund der maßgebenden materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1996 – BVerwG 2 C 12.94 – Buchholz 237.6 § 86 NdsLBG Nr. 4 S. 3 ≪10≫ m.w.N.; st.Rspr.) Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das angefochtene Urteil auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann. Weiterhin muß dargelegt werden, daß im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der nunmehr vermißten Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder daß sich dem Gericht von seiner materiellen Rechtsauffassung aus die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 S. 8 ≪9≫ m.w.N. und vom 18. Juni 1998 – BVerwG 8 B 56.98 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 154 S. 472 ≪475≫; st.Rspr.). Derartige Ausführungen läßt die Revisionsbegründung insgesamt vermissen.
2. Die Zulässigkeit des Antrags hat das Dienstgericht für Richter zu Recht bejaht.
a) Gegenstand des vorliegenden Prüfungsverfahrens sind allein die dienstliche Beurteilung des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Dresden vom 7. Juli 1998 und der Beurteilungsvermerk des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts vom 24. August 1998. Davon ist das Dienstgericht für Richter zutreffend ausgegangen.
Die dienstliche Beurteilung eines Richters und jede dazu abgegebene Stellungnahme einer übergeordneten dienstaufsichtführenden Stelle, die sich in irgendeiner Weise kritisch mit dem dienstlichen oder außerdienstlichen Verhalten eines Richters befaßt, stellen Maßnahmen der Dienstaufsicht im Sinne des § 26 Abs. 3 DRiG dar, gegen die mit der nachvollziehbaren Behauptung, sie beeinträchtigen die richterliche Unabhängigkeit, das Richterdienstgericht im Prüfungsverfahren (§ 62 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e, § 66 Abs. 1, § 78 Nr. 4 Buchst. e DRiG) angerufen werden kann (vgl. BGHZ 95, 313 ≪320≫ m.w.N.; Urteil vom 14. April 1997 – RiZ(R) 3/96 – DRiZ 1998, 20 ≪22≫; st.Rspr.).
b) Dem Erfordernis eines Vorverfahrens (§ 3, §34 Nr. 4 Buchst. f, § 45 Abs. 1 Satz 1 SächsRiG, § 126 Abs. 3 BRRG, § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist genügt. Da der Antragsgegner das Begehren des Antragstellers abgelehnt und sich im vorliegenden Prüfungsverfahren auf den Antrag sachlich eingelassen und dessen Abweisung beantragt hat, ist jedenfalls dem Zweck des Vorverfahrens hinreichend Rechnung getragen (vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 27. September 1988 – BVerwG 1 C 3.85 – Buchholz 130 § 9 RuStAG Nr. 10 S. 37 ≪38≫ m.w.N.; st.Rspr.).
c) Die nach der mündlichen Verhandlung und nach Bekanntgabe des Tenors des angefochtenen Urteils erklärte Rücknahme des Antrags ist mangels Einwilligung des Antragsgegners unbeachtlich (§ 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Von einer rechtsmißbräuchlichen und deswegen unwirksamen Verweigerung der Einwilligung kann bei der gegebenen Sachlage keine Rede sein. Sinn der den Verfügungsgrundsatz einschränkenden Regelung des § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist es, dem Beklagten die Befugnis zu geben, eine Flucht des Klägers aus dem Prozeß zu verhindern, wenn aufgrund des fortgeschrittenen Verfahrensstadiums seine Unterlegenheit bereits deutlich geworden ist (vgl. u.a. BVerwG, Beschluß vom 29. März 1990 – BVerwG 5 B 16.90 – Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 9 S. 1 ≪2≫ m.w.N.). Von dieser Befugnis darf der Beklagte (Antragsgegner) auch und erst recht dann Gebrauch machen, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Rücknahme erklärt wird, nachdem bereits eine die erste Instanz abschließende Entscheidung zu seinen Gunsten ergangen ist.
3. Der Antrag ist unbegründet.
a) Zutreffend hat das Dienstgericht für Richter die angefochtene dienstliche Beurteilung und den Beurteilungsvermerk ausschließlich daraufhin überprüft, ob sie den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigen. Bei der Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht aus den Gründen des § 26 Abs. 3 DRiG hat das Dienstgericht nur darüber zu entscheiden. Ob die Maßnahme auch allgemein rechtmäßig ist, hat es nicht zu beurteilen. Nach § 71 Abs. 3 DRiG in Verbindung mit § 126 Abs. 1 BRRG ist für alle Streitigkeiten aus dem Richterdienstverhältnis unmittelbar kraft Bundesrechts der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Dies gilt nur insoweit nicht, als der Richter eine Beeinträchtigung seiner richterlichen Unabhängigkeit durch eine Maßnahme der Dienstaufsicht nach § 26 Abs. 3 DRiG geltend macht. Der Unabhängigkeitsstreit wird bei dem Richterdienstgericht nur in dem Umfang rechtshängig, der sich aus dem Anfechtungsgrund des § 26 Abs. 3 DRiG und der darauf beschränkten Sachentscheidungsbefugnis des angerufenen Gerichts ergibt. Die Vereinbarkeit der Dienstaufsichtsmaßnahme mit anderen Gesetzen und Rechtsvorschriften hat das vom Antragsteller angerufene Verwaltungsgericht nachzuprüfen (vgl. BVerwGE 67, 222 ≪223 ff.≫; BGHZ 90, 41 ≪48 ff.≫; 102, 369 ≪371≫; st.Rspr.; BVerfGE 87, 68 ≪79, 86≫). Die vom Gesetzgeber nebeneinander in verschiedenen Rechtswegen mit unterschiedlichen Rechtsschutzzielen zugelassenen Rechtsbehelfe (vgl. BGHZ 90, 41 ≪50 f.≫) sind der in § 17 Abs. 2 GVG vorgesehenen Konzentration der Prüfungsbefugnis bei dem zuerst angerufenen Gericht (§ 17 Abs. 1 Satz 2 GVG, § 90 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 1 Satz 1, § 83 DRiG) unzugänglich. Es handelt sich nicht um einen einheitlichen Streitgegenstand, sondern um zwei verschiedene Streitgegenstände (vgl. BVerwGE 67, 222 ≪223 ff.≫). Auf diese findet § 17 Abs. 2 GVG keine Anwendung.
b) Die angefochtene dienstliche Beurteilung des Präsidenten des Verwaltungsgerichts und der Prüfvermerk des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts beeinträchtigen den Antragsteller nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit (§ 26 Abs. 3 DRiG). Darin ist dem angefochtenen Urteil ebenfalls beizupflichten.
Dienstliche Beurteilungen der Richter sind grundsätzlich mit ihrer verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) vereinbar (vgl. BVerfG, Beschluß vom 14. Juni 1975 – 2 BvR 370/75 – DRiZ 1975, 284; BGHZ 57, 344 ≪347≫). Zu Unrecht sieht der Antragsteller sich in seiner richterlichen Unabhängigkeit dadurch verletzt, daß der Präsident des Verwaltungsgerichts die angefochtene Regelbeurteilung nach Maßgabe der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz erstellt hat. Das Staatsministerium der Justiz ist grundsätzlich befugt, in seinem Geschäftsbereich durch Verwaltungsvorschriften die periodische Beurteilung der Richter auf Lebenszeit zu bestimmten Stichtagen im zeitlichen Abstand von vier Jahren anzuordnen, um dem Dienstherrn ein umfassendes Bild von der Leistungsfähigkeit der Richter zu vermitteln. Das Sächsische Staatsministerium der Justiz ist oberste Dienstbehörde der Richter des Landes. Als oberster Dienstbehörde obliegt dem Justizministerium auch die Dienstaufsicht über die Richter der Verwaltungsgerichte (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 SächsJustAG). Dagegen ist bundesrechtlich nichts einzuwenden. Die Verwaltungsgerichtsordnung, insbesondere § 38 VwGO, regelt nicht, wer oberste Dienstaufsichtsbehörde für die Gerichte der Länder ist. Dies bestimmt das jeweilige Landesrecht. Art. 97 GG hindert den Landesgesetzgeber nicht daran, der obersten Landesbehörde als Spitze der Exekutive dienstaufsichtliche Befugnisse gegenüber den Richtern einzuräumen (vgl. BVerfGE 38, 139 ≪151 f.≫). Die verfassungsrechtlich gebotene Unabhängigkeit der Richter zwingt nicht zu deren Freistellung von jeglicher Dienstaufsicht der Exekutive. Die in Art. 97 GG garantierte richterliche Unabhängigkeit ist kein Grundrecht oder Privileg der Richter (vgl. BVerfGE 27, 211 ≪217≫). Art. 97 Abs. 1 GG fordert sie nicht im Interesse des einzelnen Richters, sondern um dem rechtssuchenden Bürger zu gewährleisten, daß sein Rechtsstreit neutral und ohne eine andere Bindung als die an Gesetz und Recht entschieden wird. Die Dienstaufsicht trägt zur Sicherung des Justizgewährungsanspruchs des Bürgers bei. Sie soll eine den Anforderungen des Grundgesetzes entsprechende, geordnete Rechtspflege gewährleisten und sicherstellen, daß die richterlichen Dienstpflichten eingehalten werden. Dazu ist auch bei Richtern ungeachtet der verfassungsrechtlichen Garantie ihrer Unabhängigkeit eine Dienstaufsicht zulässig (vgl. BGHZ 112, 189 ≪193≫; Senat, Urteil vom 24. November 1994 – RiZ(R) 4/94 – NJW 1995, 731 ≪732≫). Die Dienstaufsicht der zuständigen obersten Landesbehörden berührt als solche die richterliche Unabhängigkeit nicht, solange sie sich im Rahmen des § 26 DRiG hält (vgl. BVerfGE 38, 139 ≪151 f.≫). Sind konkrete Maßnahmen der Dienstaufsicht, welche die Spitze der Exekutive gegen Richter trifft, wegen Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit verfassungswidrig, gewährt das Deutsche Richtergesetz dem betroffenen Richter durch die Anrufung des Dienstgerichts den im Einzelfall erforderlichen effektiven Rechtsschutz (vgl. BVerfGE 38, 139 ≪152≫). Der Hinweis des Antragstellers, die dritte Gewalt müsse durch eine Entkoppelung von der Dienstaufsicht durch die Exekutive stärker verselbständigt werden, ist lediglich eine rechtspolitische Forderung. Für die Beurteilung der geltenden Rechtslage gibt diese nichts her. Art. 97 GG garantiert nur das verfassungskräftige Minimum des Schutzes der Unabhängigkeit der Richter. Der Gesetzgeber kann zu deren Wahrung mehr als das verfassungsrechtlich Gebotene tun, ist dazu aber nicht gezwungen (vgl. BVerfGE 38, 139 ≪151≫).
Im Rahmen der landesgesetzlichen Regelungen, nach denen dem Dienstherrn die dienstliche Beurteilung der Richter obliegt (§ 6 SächsRiG), kann die zuständige oberste Landesbehörde Beurteilungsrichtlinien erlassen, ohne dazu einer weiteren gesetzlichen Ermächtigung zu bedürfen (vgl. BVerwG, Beschluß vom 13. Dezember 1985 – BVerwG 2 CB 2.85 – Buchholz 238.37 § 72 NWPersVG Nr. 10 S. 21 m.w.N.). Eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit kann darin nicht erblickt werden (vgl. BGHZ 77, 111 ≪112 f.≫).
Ob der Antragsteller nach der Verwaltungsvorschrift zu dem vorgesehenen Stichtag dienstlich zu beurteilen war, ob bejahendenfalls der dabei zugrunde gelegte Beurteilungszeitraum und der Beurteilungsmaßstab richtig bestimmt worden sind, hat der erkennende Senat im vorliegenden Prüfungsverfahren nicht zu entscheiden. Darüber wird das vom Antragsteller angerufene Verwaltungsgericht zu befinden haben.
Der Prüfvermerk des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts beeinträchtigt die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers entgegen dessen Ansicht ebenfalls nicht schon mangels Dienstaufsichts- und Beurteilungsbefugnis. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 SächsJustAG übt der Präsident des Oberverwaltungsgerichts die Dienstaufsicht auch über die bei den Verwaltungsgerichten beschäftigten Richter aus. Er ist (übergeordneter) Dienstvorgesetzter dieser Richter. Die landesrechtliche Regelung stimmt mit dem Bundesrecht überein. Die unmittelbare Dienstaufsicht über die Richter des Verwaltungsgerichts obliegt nach § 38 Abs. 1 VwGO dem Präsidenten dieses Gerichts. Die Dienstaufsicht des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts als „übergeordnete Dienstaufsichtsbehörde für das Verwaltungsgericht” (§ 38 Abs. 2 VwGO) erstreckt sich auf dessen Richter. Dagegen sind verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben. In allen dreistufigen Gerichtsbarkeiten führen die Präsidenten der den obersten Bundesgerichten unmittelbar nachgeordneten Gerichte der Länder die Dienstaufsicht über die Richter der ihnen nachgeordneten Gerichte (vgl. BVerfGE 38, 139 ≪151≫). Eine Sonderstellung kommt den Verwaltungsgerichten nicht zu. Dienstaufsichtliche Befugnisse der Präsidenten der Oberverwaltungsgerichte beeinträchtigen ebensowenig wie derartige Befugnisse der zuständigen obersten Landesbehörden die richterliche Unabhängigkeit, solange sie sich im Rahmen des § 26 DRiG halten.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SächsRiG sind Richter auf Lebenszeit alle vier Jahre vom Dienstvorgesetzten dienstlich zu beurteilen. Die in dieser Vorschrift ursprünglich enthaltene Beschränkung auf den „unmittelbaren” Dienstvorgesetzten ist durch Art. 1 Nr. 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Richtergesetzes des Freistaats Sachsen und beamtenrechtlicher Regelungen vom 13. Dezember 1996 (SächsGVBl 1996, 503) aufgehoben worden. Der Landesgesetzgeber wollte ein mehrstufiges Beurteilungsverfahren im Interesse einheitlicher Beurteilungsmaßstäbe ermöglichen. Dies legt das angefochtene Urteil zutreffend dar. Die Beteiligung des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts an den dienstlichen Beurteilungen der erstinstanzlichen Richter ist grundsätzlich sachgerecht. Sie trägt dem aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden verfassungsrechtlichen Gebot Rechnung, daß der Dienstherr in seinem Bereich die Anwendung gleicher Beurteilungsmaßstäbe sicherstellen muß.
Die angefochtene dienstliche Beurteilung und der angefochtene Beurteilungsvermerk beeinträchtigen auch durch ihren Inhalt nicht die richterliche Unabhängigkeit (§ 26 Abs. 3 DRiG). Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn eine dienstliche Beurteilung die richterliche Amtsführung und spezifisch richterliche Fähigkeiten bewertet. Das entspricht vielmehr ihrem Zweck. Eine dienstliche Beurteilung verletzt die richterliche Unabhängigkeit, die in erster Linie Weisungsfreiheit bedeutet, nur dann, wenn sie auf eine direkte oder indirekte Weisung hinausläuft, wie der Richter künftig verfahren oder entscheiden soll. In dieser Richtung muß die dienstliche Beurteilung eines Richters sich auch jeder psychologischen Einflußnahme enthalten. Sie ist unzulässig, wenn die in ihr enthaltene Kritik den Richter veranlassen könnte, in Zukunft eine andere Verfahrens- oder Sachentscheidung als ohne diese Kritik zu treffen (vgl. BGHZ 90, 41 ≪44≫ m.w.N. und Senat, Urteil vom 27. Januar 1995 – RiZ(R) 3/94 – DRiZ 1995, 352; st.Rspr.).
Hieran gemessen sind die angefochtene dienstliche Beurteilung des Präsidenten des Verwaltungsgerichts und der sie abändernde Vermerk des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts im Prüfungsverfahren inhaltlich nicht zu beanstanden. Es ist zulässig, in der dienstlichen Beurteilung eines Richters seine Erledigungszahlen zu erörtern und mit denen anderer Richter derselben Gerichtsbarkeit zu vergleichen. Ein solcher Vergleich von Erledigungszahlen in der dienstlichen Beurteilung eines Richters beeinträchtigt für sich allein noch nicht die richterliche Unabhängigkeit (vgl. BGHZ 69, 309 ≪313≫). Entsprechendes gilt für die Herabsetzung des Gesamturteils in dem Beurteilungsvermerk des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts als übergeordneter Dienstaufsichtsbehörde.
Ob die streitigen Bewertungen in der dienstlichen Beurteilung und in dem Beurteilungsvermerk des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts, namentlich dessen nachträgliche Herabsetzung des Gesamturteils, auf vollständig und zutreffend ermittelten Tatsachen beruhen und nach den Maßstäben des Dienstrechts rechtmäßig sind, ist entgegen der Ansicht des Antragstellers im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen. Dies zu entscheiden bleibt dem Verwaltungsgericht vorbehalten (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1995, aaO S. 352; BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1984 – BVerwG 2 C 54.82 – Buchholz 238.5 § 26 DRiG Nr. 2 S. 9 ≪10 ff.≫).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 8.000 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG).
Unterschriften
Erdmann, Solin-Stojanović, Büscher, Silberkuhl, Gödel
Fundstellen
Haufe-Index 651659 |
Nachschlagewerk BGH |