Leitsatz (amtlich)
a) Wird ein Urteil entgegen § 310 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht verkündet, den Parteien aber zum Zwecke der Verlautbarung förmlich zugestellt, so liegt eine bloß fehlerhafte Verlautbarung vor, die die Wirksamkeit der Entscheidung nicht berührt.
b) Ein im schriftlichen Verfahren vor dem anberaumten Verkündungstermin erlassenes Anerkenntnisurteil kann den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzen.
Normenkette
ZPO § 310; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Erfurt (Urteil vom 23.12.2002) |
AG Sömmerda (Urteil vom 25.03.2002) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Kläger werden das Urteil des LG Erfurt v. 23.12.2002 und das Urteil des AG Sömmerda v. 25.3.2002 nebst dem ihm zu Grunde liegenden Verfahren aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das AG Sömmerda zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger erwarben 1999 von der Beklagten mit dem Sondereigentum an mehreren Wohnungen verbundene Miteigentumsanteile eines Grundstücks in S. . Mit der Behauptung, die Beklagte habe den Befall des Gebäudes mit echtem Hausschwamm arglistig verschwiegen, haben sie zunächst Kosten einer Schwammsanierung i. H. v. 9.450 DM geltend gemacht.
Nach der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme, in der ein früherer Bewohner des Hauses ausgesagt hat, dass sich bei seinem Einzug 1986 meterlange Fruchtkörper des Schwamms an der Außenwand des Gebäudes befunden hätten, er deshalb mehrmals die Woche ein chemisches Nahkampfmittel gespritzt und die Kosten hierfür von der Rechtsvorgängerin der Beklagten erstattet bekommen habe, hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger erklärt, er prüfe, inwieweit ein Rücktritt vom Kaufvertrag in Betracht komme, und eine Klageerweiterung angekündigt.
Anschließend hat das AG mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet, eine Schriftsatzfrist "zur Beweiswürdigung" bis zum 20.3.2002 gesetzt und Verkündungstermin für den 24.4.2002 bestimmt. Am 20.3.2002 haben die Kläger wegen schwebender Vergleichsgespräche gebeten, die Frist bis zum 10.4.2002 zu verlängern und einen gleich lautenden Antrag der Gegenseite angekündigt. Mit Schriftsatz v. 21.3.2002 hat die Beklagte die Klageforderung anerkannt und gleichzeitig mitgeteilt, dass noch Vergleichsverhandlungen liefen, um die Gesamtproblematik einvernehmlich zu klären.
Am 25.3.2002 hat das AG ohne vorherige Ankündigung ein Anerkenntnisurteil erlassen. Der Beklagten ist es förmlich zugestellt, den Klägern zusammen mit der Abschrift des Anerkenntnisses zunächst formlos übersandt worden.
Die Kläger, die nunmehr die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen, haben gegen das Anerkenntnisurteil Berufung eingelegt. Das LG hat den Parteien mitgeteilt, dass das AG auch im Hinblick auf die fehlende Verkündung des Urteils aufgefordert worden sei, die Zustellung des Anerkenntnisurteils an die Kläger zu bewirken, was im Juli 2002 geschehen ist. Anschließend hat das LG die Berufung mangels Beschwer der Kläger als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich ihre - von dem Senat zugelassene - Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht meint, das angefochtene Urteil sei trotz unterbliebener Verkündung infolge der förmlichen Zustellung an die Parteien wirksam geworden. Zwar sehe die Zivilprozessordnung eine Zustellung an Verkündungs statt für ein im schriftlichen Verfahren erlassenes Anerkenntnisurteil nicht vor. Gleichwohl sei eine, wenn auch fehlerhafte, Verlautbarung des Urteils vorgenommen worden, so dass nicht etwa ein Nichturteil, sondern ein rechtsmittelfähiges Urteil vorliege. Dieses beschwere die Kläger nicht, da ihrem zuletzt gestellten Antrag voll entsprochen worden sei. Eine Beschwer liege auch nicht darin, dass es den Klägern im erstinstanzlichen Verfahren nicht möglich gewesen sei, einen geänderten Sachantrag zu stellen. Für das AG habe keine Veranlassung bestanden, den Klägern nach Eingang des Anerkenntnisses nochmals rechtliches Gehör zu gewähren, nachdem sie den Erlass eines Anerkenntnisurteils bereits in der Klageschrift beantragt und die bis zum 20.3.2002 gewährte Schriftsatzfrist nicht zu einer Antragsänderung genutzt hätten.
II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, das Anerkenntnisurteil sei, wenn auch fehlerhaft, verlautbart worden und damit wirksam.
a) Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und materiellrechtlichen Wirkungen existent. Vorher liegt nur ein - allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugender - Entscheidungsentwurf vor (BGH BGHZ 14, 39 [44]). Die Verlautbarung eines Urteils erfolgt grundsätzlich öffentlich im Anschluss an die mündliche Verhandlung oder in einem hierfür anberaumten Termin durch das Verlesen der Urteilsformel (§§ 310 Abs. 1 S. 1, 311 Abs. 2 S. 1 ZPO, § 173 Abs. 1 GVG). Im schriftlichen Verfahren sind Urteile in einem nach § 128 Abs. 2 S. 2 ZPO zu bestimmenden Termin zu verkünden. Abweichendes gilt nur für Anerkenntnis- und Versäumnisurteile, die im schriftlichen Vorverfahren (§§ 307 Abs. 2, 331 Abs. 3 ZPO) ergehen; hier wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt (§ 310 Abs. 3 ZPO). Da das vom AG im schriftlichen Verfahren vorbereitete Anerkenntnisurteil nicht unter die Vorschrift des § 310 Abs. 3 ZPO fiel, entsprach eine Verlautbarung durch Zustellung an die Parteien nicht den gesetzlichen Formerfordernissen, vielmehr hätte das Urteil in einem zu diesem Zweck anzuberaumenden Termin verkündet werden müssen.
b) Der Verfahrensfehler führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Anerkenntnisurteils. Nach der Rechtsprechung des BGH stehen Verkündungsmängel dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht (vgl. BGH BGHZ 14, 39 [44 ff.]; Urt. v. 16.10.1984 - VI ZR 205/83, MDR 1985, 396 = NJW 1985, 1782 [1783]). Zu den Mindestanforderungen gehören, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden. Mit dem Wesen der Verlautbarung nicht unvereinbar ist dagegen eine Bekanntgabe des Urteils durch Zustellung statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung, da dies eine gesetzlich vorgesehene, wenn auch anderen Urteilen vorbehaltene Verlautbarungsform (§ 310 Abs. 3 ZPO) erfüllt. Wird ein § 310 Abs. 1 ZPO unterfallendes Urteil den Parteien an Verkündungs statt förmlich zugestellt, liegt deshalb kein Verstoß gegen unverzichtbare Formerfordernisse, sondern ein auf die Wahl der Verlautbarungsart beschränkter Verfahrensfehler vor (vgl. BGH, Urt. v. 16.10.1984 - VI ZR 25/83, VersR 1984, 1192 [1993]; BAG BAGE 17, 286 [288]; Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 310 Rz. 26; Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 310, Rz. 10; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 310 Rz. 6).
Nach diesen Grundsätzen ist das erstinstanzliche Urteil wirksam verlautbart worden. Der erk. Richter hat die Übersendung des Urteils an die Parteien selbst verfügt, so dass sein Wille, die Entscheidung zu erlassen, trotz des Verstoßes gegen § 310 Abs. 1 S. 1 ZPO außer Frage steht. Bei der Verfügung ist ihm zwar ein (weiterer) Fehler insoweit unterlaufen, als er die Zustellung des Urteils nur an die Beklagten angeordnet und im Übrigen eine formlose Übersendung als ausreichend angesehen hat. Jedoch ist die Zustellung an die Kläger durch das AG nachgeholt worden, wobei diese auf Grund des vorausgegangenen Schreibens des Berufungsgerichts nicht darüber im Unklaren sein konnten, dass eine Zustellung an Verkündungs statt beabsichtigt war.
c) Ist somit von einer wirksamen Verlautbarung des Urteils auszugehen, stellt sich die unterlassene Verkündung in einem gesonderten Termin lediglich als Verfahrensfehler dar, der auf eine Rüge hin nur dann zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils geführt hätte, wenn die Entscheidung auf der Verletzung des Verfahrensrechts beruhte, ohne den Fehler also anders hätte ausfallen können (§ 545 Abs. 1 ZPO). Dafür ist hier aber, wie das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision unbeanstandet angenommen hat, nichts ersichtlich.
2. Unzutreffend ist demgegenüber die Auffassung des Berufungsgerichts, die Berufung gegen das Anerkenntnisurteil sei unzulässig, weil es an der nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Beschwer der Kläger fehle.
a) Die klagende Partei ist beschwert, wenn die angefochtene Entscheidung von ihren in der Instanz gestellten Anträgen abweicht (sog. formelle Beschwer, vgl. BGH v. 2.2.1999 - VI ZR 25/98, BGHZ 140, 335 [338] = MDR 1999, 545; Urt v. 29.6.2000 - I ZR 29/98, MDR 2001, 343 = NJW-RR 2001, 620 [621]). Das ist der Fall, wenn das Gericht über einen Sachantrag befunden hat, der nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits war (BGH, Urt. v. 9.10.1990 - VI ZR 89/90, MDR 1991, 328 = NJW 1991, 703 [704]; BayObLG WE 1997, 117 [118]), und zwar auch dann, wenn die Entscheidung der anfechtenden Partei scheinbar günstig ist. Denn auch aus der Zuerkennung eines Anspruchs können, insb. im materiellen Recht begründete, unerwünschte Folgen erwachsen, deren Beseitigung der betroffenen Partei möglich sein muss.
b) Das AG durfte den ursprünglichen, auf den sog. kleinen Schadensersatz gerichteten Klageantrag im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht mehr als gestellt ansehen.
aa) Grundsätzlich kann das Gericht zwar davon ausgehen, dass ein einmal gestellter Sachantrag aufrechterhalten bleibt und ihn deshalb auch dann zur Grundlage seiner Entscheidung machen, wenn er in einer späteren Verhandlung nicht erneut gestellt worden ist (vgl. BGH v. 26.3.1999 - V ZR 294/97, BGHZ 141, 184 [193] = MDR 1999, 861; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 137 Rz. 2). Hält die klagende Partei dagegen an ihrem bisherigen Antrag erkennbar nicht fest, so darf das Gericht, dessen Entscheidungsbefugnis durch den Klageantrag beschränkt ist (§ 308 S. 1 ZPO), über ihn nicht mehr befinden. Fehlt jeglicher Sachantrag des Klägers, kann die Gegenseite nicht verurteilt werden (vgl. BAG BAGE 23, 146; Musielak in MünchKomm/ZPO, § 308 Rz. 14). Inwieweit eine Partei ihren zu Beginn einer mündlichen Verhandlung gestellten Antrag zurücknehmen kann, um als säumig zu gelten (vgl. BGH BGHZ 63, 94; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 333 Rz. 1), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn den Klägern ging es nicht darum, durch eine Flucht in die Säumnis den Erlass eines kontradiktorischen Urteils zu ihren Ungunsten zu verhindern.
bb) Im Zeitpunkt des Erlasses des Anerkenntnisurteils hielten die Kläger an ihrem ursprünglichen Klageantrag nicht mehr fest.
Die Kläger hatten bereits mit ihrer Ankündigung einer Klageerweiterung und der Prüfung, inwieweit ein Rücktritt vom Kaufvertrag in Betracht komme, nach der Beweisaufnahme zu erkennen gegeben, dass ihnen eine abschließende Entscheidung, über welchen Sachantrag das Gericht befinden solle, nicht möglich sei. Ihre Bezugnahme auf den bisherigen Sachantrag stand damit ersichtlich unter dem Vorbehalt einer kurzfristigen Änderung.
Nach Anordnung des schriftlichen Verfahrens war eine solche Änderung bis zum Ablauf der nach § 128 Abs. 2 S. 2 ZPO gesetzten Schriftsatzfrist möglich. Dass das AG die Schriftsatzfrist nur "zur Beweiswürdigung" gewährt hatte, steht dem nicht entgegen. Diese Einschränkung war unbeachtlich, da sie der gesetzlichen Ausgestaltung des schriftlichen Verfahrens zuwiderlief. Sie rechtfertigt auch nicht die Annahme, das AG habe den Parteien in Wahrheit nur ein auf eine Stellungnahme zur Beweisaufnahme beschränktes Nachschubrecht einräumen wollen. Abgesehen davon, dass eine solche Verfahrensweise fehlerhaft gewesen wäre, da die Verhandlung über die Beweisaufnahme (§ 285 Abs. 1 ZPO) nicht entsprechend § 283 ZPO durchgeführt werden kann (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 285 Rz. 2), lässt die ausdrückliche, unter Bezugnahme auf § 128 Abs. 2 ZPO erfolgte Anordnung des schriftlichen Verfahrens und die Zustimmung der Parteien hierzu keinen Zweifel an der Absicht des AG, in diese Verfahrensart zu wechseln.
Der rechtzeitig gestellte Antrag auf Verlängerung der Schriftsatzfrist bis zum 10.4.2002 ließ erkennen, dass die Kläger ihren bisherigen Sachantrag nicht mehr zur Entscheidung stellten. Die Kläger hatten sich mit Rücksicht auf die darin erwähnten schwebenden Vergleichsverhandlungen mit der Beklagten ersichtlich noch nicht auf ihr weiteres Vorgehen im Prozess festgelegt. Der erwogene "Rücktritt" vom Kaufvertrag war ihnen aus materiell-rechtlichen Gründen allerdings nur möglich, solange keine rechtskräftige Entscheidung über den bislang geltend gemachten kleinen Schadensersatzanspruch erging. Denn das Wahlrecht des Gläubigers sowohl zwischen den in § 463 BGB aufgeführten Gewährleistungsrechten wie auch zwischen den verschiedenen Arten des Schadensersatzes erlischt, wenn einer der möglichen Ansprüche bzw. ein nach einer bestimmten Berechnungsweise geltend gemachter Schadensersatzanspruch rechtskräftig zuerkannt worden ist (vgl. für die Wahl zwischen den Gewährleistungsrechten: Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 465 Rz. 29; für die Wahl der Schadensberechnung: BGH v. 17.6.1992 - I ZR 107/90, BGHZ 119, 20 [23 f.] = MDR 1992, 1139 = CR 1992, 725). Angesichts dieser Rechtslage und der vorausgegangenen Änderungsankündigung musste dem AG deutlich sein, dass die Kläger eine Entscheidung über ihren bisherigen Antrag nicht wünschten, sie ihn also nicht mehr stellten. Für diese Auslegung sprach auch das Anerkenntnis der Beklagten. Der darin enthaltene Zusatz, es liefen noch Vergleichsverhandlungen, um die Gesamtproblematik zu klären, wies darauf hin, dass das Anerkenntnis nur einen Teil dessen abdeckte, was sich zwischen den Parteien nunmehr im Streit befand, und machte damit deutlich, dass der ursprüngliche Klageantrag infolge der Entwicklung der Ereignisse seit der Beweisaufnahme überholt war.
c) Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 600 EUR. Allerdings lässt sich dieser nicht wie im Regelfall ermitteln, also nach der Differenz zwischen dem in der unteren Instanz gestellten Antrag und dem rechtskraftfähigen Inhalt des angefochtenen Urteils, wenn über einen nicht mehr aufrechterhaltenen Antrag befunden und dem Rechtsmittelführer zugleich die Möglichkeit genommen wurde, einen neuen Antrag zu stellen. Andernfalls fehlte es in einem solchen Fall mangels wirksamen Antrags stets an einer Beschwer. Die Beschwer kann sich deshalb nur nach der Differenz zwischen dem Inhalt des angefochtenen Urteil und dem anhand seines Streitverhaltens zu bestimmenden Rechtsschutzziel des Rechtsmittelführers bemessen (vgl. Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, vor § 511 Rz. 15). Da die Kläger beabsichtigten, einen Antrag auf Rückzahlung des Kaufpreises von über 100.000 EUR zu stellen, bleibt das erstinstanzliche Urteil in einem die Anforderungen des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO weit übersteigenden Umfang hinter ihrem Rechtsschutzziel zurück.
3. Die Berufung der Kläger war auch begründet, da der Verstoß des AG gegen § 308 Abs. 1 ZPO von Amts wegen beachtet werden musste (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.1989 - VI ZR 183/88, NJW-RR 1989, 1087) und der erstinstanzlichen Entscheidung die Grundlage entzog.
4. Auf die von der Revision angegriffene Auffassung des Berufungsgerichts, die Verfahrensweise des AG habe den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt, weil keine Veranlassung bestanden habe, ihnen das Anerkenntnis der Beklagten zur Kenntnis zu bringen, kommt es bei dieser Sachlage nicht an. Allerdings hat das Berufungsgericht hier Inhalt und Tragweite des Art. 103 Abs. 1 GG grundlegend verkannt.
Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können (BVerfG v. 7.10.2003 - 1 BvR 10/99, NJW 2003, 3687; v. 8.6.1993 - 1 BvR 878/90, BVerfGE 89, 28 [35]). Dem Informationsanspruch der Parteien unterliegt der gesamte Prozess-Stoff, einschließlich der verfahrensbezogenen Handlungen der Gegenseite. Hierzu zählt auch das Anerkenntnis einer Partei.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts machte es der in der Klageschrift vorsorglich gestellte Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils nicht entbehrlich, die Kläger über das Anerkenntnis der Beklagten zu informieren. Die Möglichkeiten, auf ein Anerkenntnis zu reagieren, erschöpfen sich nicht in dem - nach der Neufassung des § 307 ZPO durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses v. 27.7.2001 (BGBl I, 1887) ohnehin nicht mehr erforderlichen - Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils. Vielmehr soll die Gegenseite auch die Möglichkeit zu einer Stellungnahme und zur Anpassung ihres Verhaltens an die neue prozessuale Situation erhalten. Sie kann im Einzelfall Anlass haben, sich zur Wirksamkeit oder Reichweite des Anerkenntnisses zu äußern oder einen weiter gehenden, vom Anerkenntnis nicht umfassten Sachantrag zu stellen. Werden einer Partei diese Möglichkeiten durch die Verfahrensweise des Gerichts vorenthalten, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Vorliegend kommt hinzu, dass die Kläger eine Antragsänderung angekündigt hatten, das AG also auch nach den konkreten Umständen des Einzelfalls mit einer Reaktion auf das Anerkenntnis rechnen musste. Das gilt, anders als das Berufungsgericht meint, auch nach Ablauf der bis zum 20.3.2002 gesetzten Schriftsatzfrist. Zum einen hatten die Kläger um eine Verlängerung dieser Frist wegen schwebender Vergleichsverhandlungen gebeten, zum anderen hatte die Beklagte das Anerkenntnis mit dem Bemerken verbunden, die Vergleichsverhandlungen dauerten an, um die Gesamtproblematik einvernehmlich zu klären. Spiegelte das Anerkenntnis aber keinen Abschluss der Auseinandersetzung, sondern nur eine Teileinigung zwischen den Parteien wider, durfte das AG nicht davon ausgehen, dass sich eine Stellungnahme der Kläger zu dem Anerkenntnis erübrigte. Vielmehr lag es nahe, dass die Kläger zunächst den Ausgang der Vergleichsverhandlungen abwarten, sich aber für den Fall deren Scheiterns alle prozessualen Möglichkeiten offen halten wollten, wobei sie im Hinblick auf den erst für den 24.4.2002 anberaumten Verkündungstermin vor diesen Zeitpunkt mit einer Entscheidung des AG auch nicht zu rechnen brauchten. Der Erlass des Anerkenntnisurteils stellt sich deshalb auch als unzulässige Überraschungsentscheidung dar.
5. Da das Urteil des AG an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet, ist die Sache unter Aufhebung des Verfahrens zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten beider Rechtsmittel, an das AG zurückzuverweisen (§§ 563 Abs. 1, 562 Abs. 2, 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Hiervon ausgenommen sind die Gerichtskosten der Revisionsinstanz, die der Senat in Anwendung des § 8 Abs. 1 S. 1 GKG niedergeschlagen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 1157778 |
NJW 2004, 2019 |
BGHR 2004, 1116 |
FamRZ 2004, 1187 |
MDR 2004, 958 |