Leitsatz (amtlich)
In einer Werbung, mit der die Verbraucher aufgefordert werden, bestimmte Anschaffungen bis zur bevorstehenden Eröffnung eines neuen Geschäftslokals des werbenden Unternehmens zurückzustellen, liegt im allgemeinen weder eine pauschale Herabsetzung ungenannter Mitbewerber noch eine wettbewerbswidrige Marktstörung.
Normenkette
UWG § 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 8. Mai 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 21. Oktober 1997 im Umfang der Aufhebung abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist ein Verein zur Förderung gewerblicher Interessen. Die Beklagte betreibt seit der Geschäftseröffnung am 17. April 1997 ein Einzelhandelsgeschäft, in dem sie u.a. Haushaltsgeräte sowie Geräte der Unterhaltungselektronik und Telekommunikation anbietet.
Vor der Eröffnung ließ die Beklagte in der Zeit zwischen dem 1. und dem 9. April 1997 in Kölner Tageszeitungen eine Reihe von Anzeigen veröffentlichen. In einem Teil dieser Anzeigen empfahl der bekannte Kölner Schauspieler Willy Millowitsch dem Leser in rheinischer Mundart, bis zum 17. April bestimmte zum Sortiment der Beklagten gehörende Geräte – Computer, CD-Player, Autoradios, CDs, Mobiltelefone, Fernsehgeräte und Waschmaschinen – nicht zu erwerben (z.B. „Willy säht: Bis 17.4. kein Wäschmaschin kaufe jon.”). Der Name der Beklagten war in diesen Anzeigen nicht genannt; sie wiesen jedoch eine von Unternehmen der Media-Markt-Gruppe häufig verwendete Farbgestaltung (schwarze Schrift auf rotem Grund) auf:
Andere Anzeigen legten – dieses Mal unter Hinweis auf die Beklagte – Willy Millowitsch die Aufforderung in den Mund, ab 17. April die fraglichen Artikel zu erwerben (z.B. „Willy säht: Ab 17.4. Videokamera kaufe jon.”):
Der Kläger hat diese Werbung unter dem Gesichtspunkt einer pauschalen Herabsetzung als wettbewerbswidrig beanstandet. Da bei den in Rede stehenden Gegenständen der Wettbewerb im wesentlichen über den Preis geführt werde, entnehme der Verkehr der Werbung, daß er ab dem 17. April den beworbenen Gegenstand zu einem Preis erwerben könne, der unter dem der Konkurrenz liege. Der Kläger hat die Beklagte dementsprechend auf Unterlassung und auf Zahlung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, in dem fraglichen Werbeverhalten liege eine wettbewerbswidrige Marktstörung. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung der Beklagten im wesentlichen bestätigt, sie jedoch auf eine Veröffentlichung der entsprechenden Anzeigen in Printmedien beschränkt.
Hiergegen wendet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiterverfolgt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die beanstandete Werbung als eine pauschale Herabsetzung der Mitbewerber für wettbewerbswidrig gehalten. Ein entsprechender Unterlassungsanspruch setze voraus, daß die Werbung die Aussage enthalte, die beworbene Ware sei – etwa nach Preis und Qualität – so nur bei dem werbenden Unternehmen und nicht auch bei Mitbewerbern zu erhalten. Diese Voraussetzung liege ersichtlich vor.
Die Anzeigen, in denen von einem Erwerb der fraglichen Geräte vor dem 17. April abgeraten werde, enthielten durchweg die Aussage, das werbende Unternehmen biete die Geräte ab dem genannten Datum zu einem günstigeren Preis als sämtliche in Betracht kommenden Mitbewerber an. Denn das empfohlene Zurückstellen des Kaufentschlusses wegen einer Neueröffnung sei nur dann sinnvoll, wenn die fraglichen Produkte in dem zu eröffnenden Geschäft günstiger zu haben seien als bei der Konkurrenz. Aufgrund des anonymen Charakters der Anzeige werde deutlich, daß sie nicht zur Herausstellung der eigenen Leistung der Beklagten diene; vielmehr werde der Eindruck verstärkt, daß sie sich gezielt gegen die Konkurrenten, und zwar gegen sämtliche Anbieter entsprechender Waren im Kölner Raum richte.
Auch in den Anzeigen, in denen ein Erwerb der fraglichen Geräte ab dem 17. April empfohlen werde, liege eine pauschale Herabsetzung der Mitbewerber. Denn diese Inserate würden vom Verkehr als Folgewerbung erkannt, die das Rätsel über den unbekannten Werbetreibenden auflöse. Die Werbung knüpfe damit unmittelbar an die erste Werbung an, indem sie sage, wo der bislang zurückgestellte Kauf zu tätigen sei.
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen – soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist – zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur vollständigen Abweisung der Klage.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt in der beanstandeten Werbung keine wettbewerbswidrige pauschale Herabsetzung nach § 1 UWG.
a) Im Streitfall ist nicht die gesetzliche Neuregelung über die vergleichende Werbung in § 2 UWG anzuwenden (zur nunmehr in § 2 UWG umgesetzten Richtlinie 97/55/EG vgl. BGHZ 138, 55 – Testpreis-Angebot; BGH, Urt. v. 23.4.1998 – I ZR 2/96, GRUR 1999, 69 = WRP 1998, 1065 – Preisvergleichsliste II; BGHZ 139, 378 – Vergleichen Sie; BGH, Urt. v. 25.3.1999 – I ZR 77/97, GRUR 1999, 1100 = WRP 1999, 1141 – Generika-Werbung). Denn die beanstandete Werbung macht die Mitbewerber oder die von ihnen angebotenen Waren oder Leistungen weder unmittelbar noch mittelbar erkennbar. Um dieses Merkmal zu erfüllen, muß eine Werbung so deutlich gegen einen oder mehrere bestimmte Mitbewerber gerichtet sein, daß sich eine Bezugnahme auf sie für die angesprochenen Verkehrskreise förmlich aufdrängt (vgl. BGH GRUR 1999, 1100, 1101 – Generika-Werbung; ferner BGH, Urt. v. 5.12.1996 – I ZR 203/94, GRUR 1997, 539, 540 = WRP 1997, 709 – Kfz-Waschanlagen). Je größer der Kreis der in Betracht kommenden Mitbewerber ist, desto geringer wird dabei die Neigung der Leser sein, eine allgemein gehaltene Werbeaussage auf einzelne Mitbewerber zu beziehen, die von ihr allenfalls pauschal erfaßt werden.
Im Hinblick auf die große Zahl von Anbietern entsprechender Leistungen im Kölner Raum kann danach im Streitfall nicht von einer Werbung ausgegangen werden, die die betroffenen Mitbewerber erkennbar macht (§ 2 Abs. 1 UWG).
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die beanstandete Werbung auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer pauschalen Herabsetzung ungenannter Mitbewerber nach § 1 UWG als wettbewerbswidrig angesehen werden.
Für eine solche rechtliche Prüfung ist trotz der neuen Bestimmung des § 2 Abs. 2 Nr. 5 UWG auch weiterhin Raum. Denn die Neuregelung zur vergleichenden Werbung bezieht sich allein auf Werbung, die einen Mitbewerber erkennbar macht. Fehlt es an der Erkennbarkeit, gelten für die Fälle pauschaler Herabsetzung die bisherigen Grundsätze (vgl. BGH GRUR 1999, 1100, 1102 – Generika-Werbung; ferner zu diesen Grundsätzen BGH, Urt. v. 2.5.1996 – I ZR 108/94, GRUR 1996, 983, 984 = WRP 1997, 549 – Preistest I; Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 1 Rdn. 350 ff.). Es kommt mithin darauf an, ob die angegriffene Werbeaussage sich noch in den Grenzen einer sachlich gebotenen Erörterung hält oder bereits eine pauschale Abwertung der fremden Erzeugnisse darstellt (vgl. BGH, Urt. v. 7.11.1996 – I ZR 183/94, GRUR 1997, 227, 228 = WRP 1997, 182 – Aussehen mit Brille). Letzteres ist nur dann der Fall, wenn zu den mit jedem Werbevergleich verbundenen (negativen) Wirkungen für die Konkurrenz besondere Umstände hinzutreten, die den Vergleich in unangemessener Weise abfällig, abwertend oder unsachlich erscheinen lassen (vgl. BGH GRUR 1999, 1100, 1102 – Generika-Werbung; ferner zur Frage der Herabsetzung bei der vergleichenden Werbung BGHZ 139, 378 ff. – Vergleichen Sie).
Der Ansicht des Berufungsgerichts, daß diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt seien, kann nicht beigetreten werden. Denn weder in der ersten noch in der zweiten Variante kann der beanstandeten Werbung überhaupt eine Aussage über die Mitbewerber der Beklagten oder die von ihnen angebotenen Produkte entnommen werden. Insbesondere enthält sie auch keine verdeckte Behauptung des Inhalts, daß die Produkte aus den beworbenen Gattungen nach der Geschäftseröffnung bei dem inserierenden Unternehmen günstiger angeboten würden als bei der Konkurrenz. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Verkehr verstehe die Werbeanzeigen in dieser Weise, ist erfahrungswidrig.
Mit einer Werbung, mit der ein Unternehmen die baldige Eröffnung eines neuen Geschäfts ankündigt, verfolgt es – legitimerweise – immer auch das naheliegende Ziel, die Verbraucher dazu zu bewegen, einen bestehenden Anschaffungswunsch noch bis zum Datum der Eröffnung zurückzustellen. Eine Aussage darüber, weshalb sich das Warten auf die Neueröffnung für den Verbraucher lohnen wird, enthält eine solche Werbung nicht. Ein Vorteil mag in den günstigen Preisen, kann aber auch in anderen Punkten – etwa in der großen Auswahl oder in einer kompetenten Beratung – liegen. Selbst wenn ein Unternehmen keinerlei derartige Vorteile aufzuweisen hätte, wäre es ihm unbenommen, auf eine bevorstehende Eröffnung hinzuweisen. Eine pauschale Herabsetzung der Mitbewerber wäre jedenfalls mit einer solchen Werbung für eine Neueröffnung niemals verbunden.
Denkbar ist es allerdings, daß eine konkret auf die Beklagte als Unternehmen der Media-Markt-Gruppe hinweisende Werbung dem Leser den Eindruck einer besonderen Preisgünstigkeit des Sortiments vermittelt, falls – wofür im Streitfall keine Anhaltspunkte bestehen – Unternehmen dieser Gruppe generell für ihre preisgünstigen Angebote bekannt wären. Aber auch dann wäre mit dem Hinweis auf eine bevorstehende Neueröffnung eines Media-Marktes keine pauschale Herabsetzung der Mitbewerber verbunden.
Allerdings gehen die beanstandeten Anzeigen der ersten Serie („Willy säht: Bis 17.4. kein … kaufe jon.”) über den Hinweis auf eine bevorstehende Neueröffnung hinaus, indem sie ausdrücklich dazu auffordern, entsprechende Anschaffungen bis zum Eröffnungsdatum zurückzustellen. Den Anzeigen kann aber auch damit noch keine pauschal herabsetzende Aussage über andere Anbieter der entsprechenden Waren entnommen werden. Denn sie sprechen nur das aus, was konkludent mit jeder Ankündigung einer bevorstehenden Neueröffnung zum Ausdruck gebracht wird, daß es sich nämlich empfehle, geplante Anschaffungen noch für ein paar Tage zurückzustellen. Nur weil die ausdrückliche Aussage genau dem entspricht, was unausgesprochen mit jeder Eröffnungswerbung gesagt wird, sieht der Verkehr in der beanstandeten Werbung auch einen Hinweis auf eine bevorstehende Neueröffnung.
2. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung können die beanstandeten Anzeigen auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer nach § 1 UWG wettbewerbswidrigen Marktstörung untersagt werden.
Die Revisionserwiderung sieht – dem Landgericht folgend, das sein stattgebendes Urteil auf diesen Gesichtspunkt gestützt hat – in den ersten sieben Anzeigen (z.B. „Willy säht: Bis 17.4. kein Wäschmaschin kaufe jon.”) eine einem Boykottaufruf gleichkommende Aufforderung, die näher bezeichneten Gegenstände in dem angegebenen Zeitraum schlechthin nicht zu kaufen. Würden die Verbraucher – so die Revisionserwiderung – eine solche Aufforderung befolgen, käme der gesamte Einzelhandelsabsatz auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt für die Dauer ihrer Geltung zum Erliegen. Diese Beurteilung vermag der Senat nicht zu teilen.
Eine allgemeine Marktbehinderung oder Marktstörung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegeben, wenn ein für sich genommen nicht unlauteres, aber doch bedenkliches Wettbewerbsverhalten allein oder in Verbindung mit gleichartigen Maßnahmen von Mitbewerbern die ernstliche Gefahr begründet, der Leistungswettbewerb werde in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt (vgl. BGHZ 114, 82, 84 – Motorboot-Fachzeitschrift; BGH, Urt. v. 29.6.2000 – I ZR 128/98, GRUR 2001, 80, 81 = WRP 2000, 1394 – ad-hoc-Meldung). Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, daß die Werbung im Streitfall eine solche ernstliche Gefahr begründet hätte. Ungeachtet ihres ins Scherzhafte gezogenen Charakters sieht der verständige Durchschnittsverbraucher in der Aufforderung, bis zu einem etwa vierzehn Tage später liegenden Zeitpunkt gewisse Anschaffungen zurückzustellen, keine zu befolgende Anordnung, sondern bestenfalls die Empfehlung, einen bestehenden Bedarf bei einem bestimmten Unternehmen zu decken. Ebensowenig wie eine solche Aufforderung (z.B. „Wenn Sie eine Waschmaschine benötigen, kaufen Sie sie bei uns!”) dazu führt, daß das Geschäft der Mitbewerber zum Erliegen kommt, geht eine derartige Wirkung von der beanstandeten Empfehlung aus.
3. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich die Revisionserwiderung zur Begründung des ausgesprochenen Verbots schließlich noch auf den Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens gestützt und die Ansicht vertreten, in der Berufung auf die „Kultpersönlichkeit Willy Millowitsch” liege – jedenfalls in Köln, wo dieser Schauspieler besonders verehrt worden sei – eine unsachliche Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit der Abnehmer. Dem vermag der Senat nicht beizutreten. Unter dem Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens kann eine Werbung zu untersagen sein, wenn dem Umworbenen ein Geschenk oder eine sonstige Vergünstigung in Aussicht gestellt und dadurch eine so starke Anziehungskraft auf ihn ausgeübt wird, daß die Rationalität der Nachfrageentscheidung verdrängt wird (BGH, Urt. v. 26.3.1998 – I ZR 231/95, GRUR 1998, 1037, 1038 = WRP 1998, 727 – Schmuck-Set; Urt. v. 26.3.1998 – I ZR 222/95, GRUR 1999, 256, 257 = WRP 1998, 857 – 1.000 DM Umwelt-Bonus). Außerhalb solcher Formen der Wertreklame kann die unsachliche Beeinflussung der Abnehmerentscheidung auch in ganz bestimmten anderen Fallkonstellationen – etwa in Fällen des Ausnutzens von Angstvorstellungen der Umworbenen – eine Wettbewerbswidrigkeit begründen. Dagegen läßt sich § 1 UWG kein allgemeines Sachlichkeitsgebot entnehmen. Insbesondere ist es aus wettbewerbsrechtlicher Sicht unbedenklich, wenn sich die Werbenden zur Unterstreichung ihrer Werbeaussage bekannter Persönlichkeiten in der Erwartung bedienen, deren gutes Image werde die Wertschätzung des beworbenen Produkts positiv beeinflussen.
4. Da ein Unterlassungsanspruch des Klägers unter keinem denkbaren Gesichtspunkt besteht, kommt es auf die Frage nicht an, ob die Wiederholungsgefahr im Streitfall durch Unterwerfungserklärungen entfallen war.
III. Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat. Auf die Berufung der Beklagten ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Erdmann, Starck, Bornkamm, Pokrant, Büscher
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.12.2000 durch Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
DB 2001, 2345 |
BGHR 2001, 476 |
BGHR |
EWiR 2001, 597 |
GRUR 2001, 752 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2001, 1005 |
WRP 2001, 688 |