Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzpflicht bei Geltendmachung nicht geschuldeter Leistungen oder Ausübung nicht bestehender Gestaltungsrechte. Verschulden. Plausibilität der Rechtsposition
Leitsatz (amtlich)
a) Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, oder ein Gestaltungsrecht ausübt, das nicht besteht, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB und handelt i.S.v. § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB pflichtwidrig.
b) Im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu vertreten hat die Vertragspartei diese Pflichtwidrigkeit aber nicht schon dann, wenn sie nicht erkennt, dass ihre Rechtsposition in der Sache nicht berechtigt ist, sondern erst, wenn sie diese Rechtsposition auch nicht als plausibel ansehen durfte.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1 S. 1, § 241 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des OLG Köln vom 26.5.2008 wird auf Kosten der Beklagten und Widerklägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Die beklagte Bauträgerin kaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 8.9.2005 von dem Kläger ein mit einem abzubrechenden Gebäude bebautes Grundstück für 351.000 EUR. Das Grundstück sollte parzelliert und nach Bebauung mit sechs Einfamilienhäusern weiterverkauft werden. Die Beklagte sollte nach Vertragsschluss eine Bauvoranfrage einreichen. Weiter heißt es in dem Vertrag:
"Sobald die Baugenehmigung zur Errichtung der Häuser nebst der Genehmigung zur Teilung des Grundbesitzes insgesamt in die entsprechende Zahl Baugrundstücke erteilt sind, ist der Kaufvertrag wirksam und die Vertragsbeteiligten zur Erbringung der ihnen obliegenden Leistung verpflichtet."
[2] Der Vollzug des Vertrags stockte, weil ein Nachbar gegen den der Beklagten erteilten Bauvorbescheid Widerspruch einlegte. Außerdem machte, was dem Kläger zunächst unbekannt blieb, die zuständige Behörde mit einem Schreiben vom 13.2.2006 die Erteilung der für die vorgesehene Teilung des Grundstücks erforderlichen Genehmigung von dem vorherigen Abbruch der vorhandenen Bebauung auf dem Grundstück abhängig. Mit Rücksicht auf den Nachbarwiderspruch vereinbarten die Parteien am 20.2.2006 in einem notariell beurkundeten Ergänzungsvertrag eine Stundung des Kaufpreises bis zur Erteilung der Baugenehmigung und weiter "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht seitens des Käufers", dass "der aus abzuschließenden Weiterverkäufen zu zahlende Kaufpreis in voller Höhe vorzeitig an den Verkäufer zu zahlen ist". Zu diesem Zeitpunkt war die Baugenehmigung noch nicht beantragt.
[3] Nach einem Schriftwechsel der Parteien wegen der Zahlung des Kaufpreises ließ der Kläger die Beklagte mit anwaltlichen Schreiben vom 21.7.2006 und vom 3.8.2006 auffordern, den Kaufpreis bis zum 16.8.2006 zu zahlen. Dem leistete die Beklagte mit der Begründung nicht Folge, die Baugenehmigung sei wegen des schwebenden Widerspruchsverfahrens und der fehlenden Teilungsgenehmigung noch nicht erteilt worden. Die Erteilung der Teilungsgenehmigung setze den vorherigen Abriss der Gebäude voraus.
[4] Mit Schreiben vom 23.8.2006 teilte die Bauaufsichtsbehörde dem Kläger auf dessen Anfrage hin mit, dass ein Bauantrag noch nicht gestellt worden sei. Die Beklagte ließ ihm mit einem Schreiben vom 5.9.2006 mitteilen, die Bauanträge seien selbstverständlich eingereicht. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 12.9.2006 unter Hinweis auf treuwidriges Verhalten der Beklagten den Rücktritt vom Grundstückskaufvertrag.
[5] Gegen die auf Rückabwicklung des - inzwischen vollzogenen - Kaufvertrags und auf Löschung eines Grundpfandrechts zugunsten eines Gläubigers der Beklagten gerichtete, rechtskräftig abgewiesene Klage hat die Beklagte Widerklage erhoben und von dem Kläger Ersatz der Kosten für ihre Verteidigung gegen sein Zahlungsverlangen i.H.v. 3.301,20 EUR und gegen seinen Rücktritt i.H.v. 1.660,60 EUR verlangt. Das LG hat die Widerklage abgewiesen. Das OLG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die von dem OLG zugelassene Revision der Beklagten, mit welcher diese ihre Ansprüche weiterverfolgt. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
[6] Das Berufungsgericht hält die Widerklage für unbegründet. Ein allein in Betracht kommender Anspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB scheitere an einer Pflichtverletzung des Klägers. Zwar seien sowohl die Zahlungsaufforderung des Klägers als auch sein Rücktritt in der Sache nicht gerechtfertigt gewesen, weil der Kaufpreis weder zum ersten noch zum zweiten Zeitpunkt fällig gewesen sei. Das begründe aber allein eine Pflichtverletzung nicht. Zwar habe der BGH anerkannt, dass die unberechtigte Geltendmachung gewerblicher Schutzrechte Schadensersatzansprüche auslösen könne. Das lasse sich aber nicht verallgemeinern. Die Geltendmachung unberechtigter Ansprüche löse in anderen Fällen ohne Hinzutreten besonderer Umstände keine Schadensersatzverpflichtung aus. Wäre es anders, würde die Geltendmachung von Ansprüchen mit einem hohen Haftungsrisiko belastet und damit unzumutbar erschwert. Dieser Wertung stehe auch das Urteil des VIII. Zivilsenats des BGH vom 23.1.2008 (VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147) nicht entgegen. Darin habe der BGH zwar entschieden, dass eine unberechtigte Aufforderung zur Beseitigung von Mängeln eine Schadensersatzhaftung auslösen könne. Er habe aber offen gelassen, ob das auch in anderen Fallgestaltungen gelte. Hier sei der Kläger nicht gehalten gewesen, von seinem Zahlungsverlangen Abstand zu nehmen. Nach den ihm bekannten Umständen habe er annehmen dürfen, die Beklagte vereitele die Erteilung der Baugenehmigung. Im Ergebnis genauso liege es bei dem unberechtigten Rücktritt. Eine unberechtigte Kündigung werde zwar als Pflichtverletzung angesehen. Diese Rechtsprechung sei aber für Mietverhältnisse entwickelt worden, bei denen eine unberechtigte Kündigung häufig ein existentielles Problem darstelle. Sie lasse sich nicht verallgemeinern. In anderen Fällen löse auch der unberechtigte Rücktritt nur bei Hinzutreten besonderer Umstände eine Schadensersatzhaftung aus. Daran fehle es hier.
II.
[7] Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.
[8] 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich ein Anspruch der Beklagten auf Ersatz ihrer vorprozessualen Rechtsverteidigungskosten nur aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vertraglicher Pflichten ergeben kann. Die Geltendmachung unberechtigter Ansprüche und nicht bestehender Rechte kann zwar unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten zu einem Ersatzanspruch führen (dazu BGH, Urt. v. 12.12.2006 - VI ZR 224/05, NJW 2007, 1458). Liegt sie aber - wie hier - darin, dass der eine Partner eines (gegenseitigen) Vertrags aus diesem Vertrag Ansprüche gegen den anderen Partner und Gestaltungsrechte ableitet, die ihm nach dem Vertrag nicht zustehen, kommt allein ein Anspruch aus der Verletzung vertraglicher Pflichten in Betracht.
[9] 2. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht schon die für eine Haftung des Klägers nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche Pflichtverletzung. Diese liegt vor.
[10] a) Zutreffend geht es allerdings davon aus, dass der Kläger von der Beklagten weder am 21.7.2006 noch am 3.8.2006 Zahlung des Kaufpreises verlangen konnte. Er war deshalb auch zu dem am 12.9.2006 erklärten Rücktritt von dem Kaufvertrag nicht berechtigt. Das lässt sich zwar nur hinsichtlich des Rücktritts schon aus der rechtskräftigen Abweisung der (auf Zustimmung zur Aufhebung des Kaufvertrags und Löschung eines von der Beklagten bestellten Grundpfandrechts gerichteten) Klage ableiten, folgt aber auch im Übrigen daraus, dass die Klage zu Recht abgewiesen worden ist. Der Kaufpreis war nicht fällig, weil die Baugenehmigung noch nicht erteilt und ihre Erteilung von der Beklagten nicht treuwidrig hintertrieben worden war. Das wird von den Parteien nicht angegriffen.
[11] b) Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht aber in seiner weiteren Überlegung, es fehle dennoch schon an einer Pflichtverletzung, weil der Kläger Grund zu der Annahme gehabt habe, ihm stehe der Kaufpreis zu und er dürfe wegen des Ausbleibens der Zahlung zurücktreten. Beides ändert an der Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nichts.
[12] aa) In der Rechtsprechung des BGH ist, das ist dem Berufungsgericht zuzugeben, anerkannt, dass allein in der Erhebung einer Klage oder in der sonstigen Inanspruchnahme eines staatlichen, gesetzlich geregelten Rechtspflegeverfahrens zur Durchsetzung vermeintlicher Rechte weder eine unerlaubte Handlung i.S.d. §§ 823 ff. BGB (BGHZ 36, 18 [20 f.]; 74, 9, 15f.; 95, 10, 18 ff.; 118, 201, 206; 148, 175, 181 f.; 154, 269, 271 ff.; 164, 1, 6; BGH, Urt. v. 23.1.2008 - VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147 [1148]) noch eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung gesehen werden kann (BGH BGHZ 20, 169 [172]; BGH, Urt. v. 20.3.1979 - VI ZR 30/77, NJW 1980, 189, 190, insoweit in BGHZ 75, 1 nicht abgedruckt; Urt. v. 4.11.1987, IVb ZR 83/86, NJW 1988, 2032 [2033]; BGH, Urt. v. 12.11.2004 - V ZR 322/03, NJW-RR 2005, 315 [316]; BGH, Urt. v. 23.1.2008, a.a.O.; vgl. auch Zeiss, NJW 1967, 703 [706 f.], a.A. Becker-Eberhard, Grundlagen der Kostenerstattung, 1985, S. 99 ff.; Haertlein, Exekutionsintervention und Haftung, 2008, S. 352 ff.; Kaiser NJW 2008, 1709 [1710 f.]). Für die Folgen einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage haftet der ein solches Verfahren Betreibende außerhalb der im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen grundsätzlich nicht, weil der Schutz des Prozessgegners regelmäßig durch das gerichtliche Verfahren nach Maßgabe der gesetzlichen Ausgestaltung gewährleistet wird (BGH, Urt. v. 23.1.2008 - VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147 [1148]). Ein dadurch nicht abgedeckter Schaden ist damit auch materiell-rechtlich nicht ersatzfähig (BGH BGHZ 20, 169 [172]; BGHZ 74, 9 [15]; 118, 201, 206). Diese Rechtsprechung wird wesentlich von der Überlegung bestimmt, dass andernfalls der freie Zugang zu staatlichen Rechtspflegeverfahren, an dem auch ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise eingeschränkt würde.
[13] bb) Richtig ist weiter, dass diese Überlegung teilweise auf die außergerichtliche Geltendmachung einer nicht bestehenden Forderung übertragen wird (KG, Urt. v. 18.8.2005 - 8 U 251/04, juris, Rz. 142, im Ergebnis bestätigt durch BGH, Beschl. v. 7.12.2006 - IX ZR 167/05, juris; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 746; Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, BGB, 2. Aufl., § 241 Rz. 54), und zwar auch in der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 25.10.1995 - VIII ZR 258/94, NJW 1996, 389 [390]; Beschl. v. 7.12.2006, a.a.O.; vor allem aber im Vorlagebeschluss v. 12.8.2004 - I ZR 98/02, NJW 2004, 3322 [3323]). Für diese Gleichstellung, die nicht immer näher begründet wird, werden im Wesentlichen zwei Argumente angeführt: Zum einen könne die außergerichtliche Geltendmachung von in Wirklichkeit nicht bestehenden Ansprüchen und Rechten nicht anders behandelt werden als deren gerichtliche Geltendmachung. Zum anderen gebe es auch in bestehenden Schuldverhältnissen ein Recht, in subjektiv redlicher Weise - wenn auch unter fahrlässiger Verkennung der Rechtslage - Ansprüche geltend zu machen, die sich als unberechtigt erwiesen (KG, a.a.O.).
[14] cc) Das erste Argument hat der Große Senat für Zivilsachen des BGH in seinem Beschluss vom 15.7.2005 (BGHZ 164, 1) zurückgewiesen. Anlass war der erwähnte Vorlagebeschluss des I. Zivilsenats vom 12.8.2004 (BGH, Beschl. v. 12.8.2004 - I ZR 98/02, a.a.O.), mit welchem dieser die ständige Rechtsprechung des BGH zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung in Frage gestellt hat. Nach dieser Rechtsprechung kann eine unberechtigte außergerichtliche Schutzrechtsverwarnung einen rechtswidrigen Eingriff in eine nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsposition sowohl des Verwarnten als auch desjenigen Gewerbetreibenden darstellen, dessen Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung eines Ausschließlichkeitsrechts ggü. dem verwarnten Abnehmer schwerwiegend beeinträchtigt werden (BGHZ 2, 387 [393]; 38, 200, 204 ff.; 62, 29, 31 ff.; 164, 1, 5 f.; BGH, Urt. v. 23.2.1995 - I ZR 15/93, NJW-RR 1995, 810 [811]; Urt. v. 30.11.1995 - IX ZR 115/94, NJW 1996, 397, 398, insoweit nicht in BGHZ 131, 233 abgedruckt; Urt. v. 13.4.2000 - I ZR 220/97, NJW 2000, 3716 [3717]; RGZ 58, 24 [30 f.]). Erfolgt der Eingriff unmittelbar durch Anrufung der Gerichte, entfällt - wie auch sonst - die Haftung (BGHZ 164, 1 [6]). Diese Privilegierung findet ihrer Rechtfertigung zum einen in einer förmlichen Beteiligung des zu Unrecht in Anspruch Genommenen an dem gerichtlichen Verfahren und zum anderen in der verschuldensunabhängigen Haftung des Klägers nach §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO für den Fall einer Vollstreckung aus einem später geänderten vorläufig vollstreckbaren Urteil (BGHZ 164, 1 [7 f.]). An beidem fehlt es, wenn eine unberechtigte Verwarnung außergerichtlich erfolgt. Bei der unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen liegt es nicht anders.
[15] dd) Das teilweise angenommene, von dem Berufungsgericht sog. "Recht auf Irrtum" bei der unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen und Rechten erkennt der BGH bei bestehenden Schuldverhältnissen nicht an. Er geht im Gegenteil davon aus, dass sie gerade hier im Grundsatz pflichtwidrig ist.
[16] (1) Anerkannt ist das, was auch das Berufungsgericht nicht übersieht, für die unberechtigte Kündigung. Kündigt der Vermieter das Mietverhältnis, ohne dass ein Kündigungsgrund besteht, kann er zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet sein (BGHZ 89, 296 [301 ff.]; BGH, Urt. v. 14.1.1988 - IX ZR 265/86, NJW 1988, 1268 [1269]; Urt. v. 18.5.2005 - VIII ZR 368/03, NJW 2005, 2395 [2396]). Entsprechendes gilt, wenn der Vermieter, ohne zu kündigen, unberechtigt Räumung verlangt (BGH, Urt. v. 28.11.2001 - XII ZR 197/99, NJW-RR 2002, 730 [731]). Das ergibt sich in diesen Fallkonstellationen allerdings schon daraus, dass der Vermieter mit der Kündigung bzw. dem Räumungsverlangen das Besitzrecht des Mieters in Frage stellt und damit zugleich seine eigene vertragliche Leistungspflicht zur Überlassung der Mietsache verletzt. Ähnlich liegt es bei dem Käufer, der den Vertrag unberechtigt "annulliert" (RGZ 57, 105 [113]), oder dem Verkäufer, der sich unberechtigt weigert, den Käufer weiter zu beliefern (RGZ 67, 313 [317]). Auf einen solchen - bei der Geltendmachung von nicht bestehenden Ansprüchen fehlenden - Bezug zu der Nichterfüllung eigener Leistungspflichten kommt es aber nicht entscheidend an. Vielmehr kommt eine Haftung auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB auch dann in Betracht, wenn eine Vertragspartei, ohne eigene Leistungspflichten zu verletzen, unberechtigte Ansprüche an die andere Vertragspartei stellt (BGH, Urt. v. 12.12.2006 - VI ZR 224/05, NJW 2007, 1458 f.; ebenso OLG Braunschweig OLGReport Braunschweig 2001, 196, 198; LG Zweibrücken NJW-RR 1998, 1105 [1106]; AG Münster NJW-RR 1994, 1261, 1262 [für c.i.c.]; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 280 Rz. 27; Hösl, Kostenerstattung bei außerprozessualer Verteidigung gegen unberechtigte Rechtsverfolgung, 2004, S. 85 f.; Kaiser, NJW 2008, 1709 [1711]). Dies hat der BGH bei einem unberechtigten Mängelbeseitigungsverlangen angenommen (Urt. v. 23.1.2008 - VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147 [1148]). Für ein unberechtigtes Zahlungsverlangen gilt nichts anderes.
[17] (2) Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das ihr nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, oder ein Gestaltungsrecht ausübt, das nicht besteht, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB (BGH, Urt. v. 23.1.2008, a.a.O.; a.A. Hösl, a.a.O., S. 34: Leistungstreuepflicht). Danach hat jede Vertragspartei auf die Rechte und Interessen der anderen Partei Rücksicht zu nehmen. Zu diesen Rechten und Interessen gehört auch das Interesse des Schuldners, nicht in weitergehendem Umfang in Anspruch genommen zu werden als in dem Vertrag vereinbart. Wie der Gläubiger von dem Schuldner die uneingeschränkte Herbeiführung des Leistungserfolgs beanspruchen kann, darf der Schuldner von dem Gläubiger erwarten, dass auch er die Grenzen des Vereinbarten einhält (im Ergebnis ebenso Hösl, a.a.O.; Haertlein, MDR 2009, 1 [2]; zu dem Argument der Waffengleichheit auch derselbe in Exekutionsintervention und Haftung, 2008, S. 362 f., 383 ff.).
[18] ee) Nach diesen Maßstäben waren sowohl die Aufforderung des Klägers an die Beklagte zur Zahlung des Kaufpreises als auch sein Rücktritt vom Vertrag nicht nur sachlich unbegründet, sondern auch i.S.v. § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB pflichtwidrig.
[19] 3. Eine Haftung des Klägers aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet aber nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB aus, weil er nicht fahrlässig gehandelt und die Verletzung seiner Pflichten nach § 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB nicht zu vertreten hat.
[20] a) Fahrlässig handelt der Gläubiger nämlich nicht schon dann, wenn er nicht erkennt, dass seine Forderung in der Sache nicht berechtigt ist. Die Berechtigung seiner Forderung kann sicher nur in einem Rechtsstreit geklärt werden. Dessen Ergebnis vorauszusehen kann von dem Gläubiger im Vorfeld oder außerhalb eines Rechtsstreits nicht verlangt werden. Das würde ihn in diesem Stadium der Auseinandersetzung überfordern und ihm die Durchsetzung seiner Rechte unzumutbar erschweren (Haertlein, MDR 2009, 1 [2 f.]). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) entspricht der Gläubiger nach der Rechtsprechung des BGH vielmehr schon dann, wenn er prüft, ob die Vertragsstörung auf eine Ursache zurückzuführen ist, die dem eigenen Verantwortungsbereich zuzuordnen, der eigene Rechtsstandpunkt mithin plausibel ist (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.2008 - VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147 [1148]). Mit dieser Plausibilitätskontrolle (ähnlich Kaiser, NJW 2008, 1709, 1712: Evidenzkontrolle) hat es sein Bewenden. Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf der Gläubiger die sich aus einer Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend machen, ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt (BGH, Urt. v. 23.1.2008, a.a.O.; Haertlein, MDR 2009, 1 [2]).
[21] b) Gemessen an diesen Anforderungen hat der Kläger weder sein unberechtigtes Zahlungsverlangen noch seinen unberechtigten Rücktritt zu vertreten, weil er weder im einen noch im anderen Fall fahrlässig gehandelt hat.
[22] aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Kläger Grund zu der Annahme, die Beklagte führe die Erteilung der Baugenehmigung als Voraussetzung der Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs treuwidrig nicht herbei. Er habe auch angesichts der ihm berichteten Bekundung von Erwerbsinteresse durch vier Käufer annehmen dürfen, der Nachbarwiderspruch habe in den seit der Änderung des Kaufvertrags verstrichenen Monaten erledigt werden können. Auf das Erfordernis seiner Zustimmung zum Abbruch der vorhandenen Bebauung sei er erst im Anschluss an seine Zahlungsaufforderungen hingewiesen worden, obwohl dies schon seit Monaten bekannt gewesen sei. Die Auskunft der Beklagten in ihrem Schreiben vom 5.9.2006, der Bauantrag sei "selbstverständlich" gestellt, habe den Verdacht des Klägers, die Erteilung der Baugenehmigung werde von der Beklagten hintertrieben, verstärken müssen. Durch eine Mitteilung der zuständigen Behörde vom 23.8.2006 sei er nämlich darüber unterrichtet worden, dass der Antrag bis dahin in Wirklichkeit nicht gestellt worden war. Das genügt der gebotenen Plausibilitätskontrolle.
[23] bb) Diese Feststellungen hat das Berufungsgericht zwar nicht unter dem Gesichtspunkt der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt getroffen. Das ist aber unerheblich, weil es unter dem Gesichtspunkt besonderer Umstände, die aus seiner - von dem Senat nicht geteilten - Sicht für die Annahme einer Pflichtverletzung erforderlich sind, eine inhaltlich entsprechende Prüfung angestellt hat.
[24] cc) Diese tatrichterliche Würdigung ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar (dazu: BGH, Urt. v. 14.10.2003 - VI ZR 425/02, NJW-RR 2004, 425 [426]; BGH, Urt. v. 26.11.2004 - V ZR 119/04, MittBayNot 2005, 395; Urt. v. 5.5.2006 - V ZR 236/05, NJW-RR 2006, 1242). Sie ist in diesem Rahmen entgegen der Annahme der Revision nicht zu beanstanden.
[25] (1) Das Berufungsgericht habe, so meint die Revision, nicht gewürdigt, dass sich der Kläger in seiner Zahlungsaufforderung im Schreiben vom 21.7.2006 nicht darauf beschränkt habe, seine Ansicht darzustellen oder die Beklagte nur zur Zahlung aufzufordern. Vielmehr habe er der Beklagten eigene Obliegenheits- und Pflichtverletzungen vorgeworfen und mit der Rückabwicklung des Vertrags gedroht. Damit habe er sie bei ihren Vermarktungsbemühungen massiv behindert. Dabei übergeht die Revision, dass der Kläger die Beklagte in seinem Schreiben zunächst nur mit einem - durch das Schweigen der Beklagten zur Baugenehmigung zudem begründeten - Verdacht konfrontiert und ihr Gelegenheit gegeben hat, diesen Verdacht zu zerstreuen. Die Rückabwicklung des Vertrags war auch nur für den Fall angekündigt, dass sich die Beklagte weiterhin zum Stand des Baugenehmigungsverfahrens ausschweige. Damit genügte der Kläger der gebotenen Sorgfalt.
[26] (2) Das Berufungsgericht habe, so rügt die Revision weiter, unberücksichtigt gelassen, dass die Auslegung der Fälligkeitsregelung im Kaufvertrag der Parteien nicht einfach zu durchschauen sei. Es habe sich auch nicht mit der Auslegung dieser Klausel befasst. Diese Überlegung stellt die Würdigung des Berufungsgerichts nicht in Frage; es bestätigt sie vielmehr. Wenn nämlich die Rechtslage schwierig zu überblicken und die eigene Rechtsposition jedenfalls vertretbar ist, muss sich der Gläubiger nach der Rechtsprechung des BGH gerade nicht zurückhalten; es kann ihm nicht vorgehalten werden, seinen eigenen Standpunkt zu vertreten (Urt. v. 23.1.2008 - VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147 [1148]). Dass dies mit - hier zudem nicht übertriebenem - Nachdruck geschieht, ändert daran nichts. Schon deshalb kam es nicht darauf an, wie die Klausel auszulegen ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht, wenn auch aus prozessualen Gründen, in Übereinstimmung mit der Sichtweise der Beklagten davon ausgegangen, dass die Fälligkeit nicht eingetreten war.
[27] (3) Schließlich habe das Berufungsgericht die Rücksichtslosigkeit und Beharrlichkeit außer Betracht gelassen, mit der der anwaltlich vertretene Kläger an seiner Rechtsauffassung festgehalten habe. Diese Bewertung stützt die Revision auf den Umstand, dass der Kläger der Bitte der Beklagten um Verlängerung der im Schreiben vom 21.7.2006 gesetzten Äußerungsfrist nicht entsprochen, sondern sie erneut, diesmal unter Fristsetzung, zur Zahlung aufgefordert hat. Ob dieser Umstand die Bewertung der Revision trägt, ist zweifelhaft, kann aber offen bleiben. Es kommt nämlich nicht darauf an, in welcher Form der Kläger sein Anliegen vertritt, sondern darauf, ob er seinen Rechtsstandpunkt in der Sache für vertretbar halten durfte. Das ist nach den nicht zu beanstanden Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall.
[28] 4. Die von der Beklagten geltend gemachten Rechtsberatungskosten könnten schließlich auch nur ersatzfähig sein, wenn sie durch die Pflichtverletzung des Klägers adäquat kausal verursacht worden sind. Das kann wiederum nur angenommen werden, wenn damit zu rechnen war, dass die Beklagte Rechtsrat einholte, bevor sie sich mit dem von dem Kläger zur Begründung seines Vorgehens angeführten Verdacht befasste, sie hintertreibe die Erteilung der Baugenehmigung (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH, Urt. v. 18.1.2008 - V ZR 174/06, NJW 2008, 1658 [1660]). Das ist zweifelhaft, bedarf aber keiner Entscheidung, da eine Haftung des Klägers schon dem Grunde nach ausscheidet.
III.
[29] Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
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BGHZ 2009, 238 |
BB 2009, 1154 |
NJW 2009, 1262 |
BGHR 2009, 483 |
BauR 2009, 1147 |
BauR 2009, 559 |
EBE/BGH 2009 |
CR 2009, 495 |
DNotI-Report 2009, 60 |
IBR 2009, 206 |
JR 2010, 72 |
JurBüro 2009, 359 |
JurBüro 2009, 388 |
NZM 2009, 367 |
WM 2009, 753 |
ZAP 2009, 493 |
DNotZ 2009, 532 |
JuS 2009, 1146 |
MDR 2009, 438 |
VersR 2009, 1378 |
VersR 2010, 493 |
ZfBR 2009, 350 |
AGS 2009, 153 |
Info M 2009, 502 |
NJW-Spezial 2009, 172 |
NZBau 2009, 237 |
NotBZ 2009, 186 |
RÜ 2009, 207 |
RdW 2010, 93 |
ZGS 2009, 147 |
ZGS 2009, 180 |
ZNotP 2009, 141 |
Jura 2009 |
NRÜ 2009, 145 |