Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 1. Oktober 1996 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin zu 1, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, ist die Berufsvertretung der Zahnärzte in Schleswig-Holstein. Zu ihren satzungsgemäßen Zwecken gehört es, die beruflichen Belange der ihr angehörenden Zahnärzte wahrzunehmen und die Einhaltung der Berufspflichten zu überwachen. Der Kläger zu 2 ist ein in K. praktizierender Zahnarzt.
Die Beklagte zu 1 betreibt in K. in der Rechtsform einer GmbH eine im Handelsregister eingetragene Zahnklinik. Die von der Beklagten zu 1 angebotenen zahnärztlichen Leistungen werden von dem Beklagten zu 2 als dem Leiter ihres zahnmedizinischen Dienstes erbracht. Er unterhält in demselben Gebäude auch eine Praxis als niedergelassener Zahnarzt. Geschäftsführer der Beklagten zu 1 ist der Vater des Beklagten zu 2. Die Beklagte zu 1 verfügt über ein Zimmer mit zwei Betten für einen stationären Aufenthalt von Patienten.
Unter der Bezeichnung „Zahnklinik O. – Zentrum für Implantologie” wirbt die Beklagte zu 1 mit einem farbigen Faltblatt (Anl. K 1), wie es im folgenden – schwarz-weiß – wiedergegeben ist:
Die Kläger haben diese Faltblattwerbung als einen Verstoß gegen die zahnärztliche Berufsordnung und zugleich gegen § 1 UWG beanstandet und Unterlassung begehrt, da die Beklagte zu 1 durch den Beklagten zu 2 ausschließlich wie in einer Zahnarztpraxis ambulante Behandlungen erbringe und mit dem Faltblatt auch für solche werbe.
Die Kläger haben beantragt,
- den Beklagten unter Androhung von Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, zu untersagen,
- im geschäftlichen Verkehr für ambulant durchgeführte zahnärztliche Leistungen auf dem Gebiet der Implantologie und der Prothetik zu werben.
Die Beklagten sind dem entgegengetreten. Sie haben geltend gemacht, die Beklagte zu 1 werbe in dem Faltblatt nur für ihre Klinik; der Beklagte zu 2 werde gar nicht genannt. Ihre Klinik besitze die erforderlichen Räumlichkeiten für zahnärztliche Behandlungen und die stationäre Unterbringung von Patienten. Die zahnärztlichen Behandlungen führe der Beklagte zu 2 durch; für Narkosebehandlungen stehe ein Anästhesist zur Verfügung. Weiterhin sei eine Krankenschwester für die Klinik tätig.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben.
Auf die Revision der Kläger hat der Senat die Beklagten durch Urteil vom 26. November 1998 (BGH GRUR 1999, 504 = WRP 1999, 501 – Implantatbehandlungen I) unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für ambulant durchgeführte zahnärztliche Leistungen auf dem Gebiet der Implantologie und der Prothetik zu werben (Beklagte zu 1) oder werben zu lassen (Beklagter zu 2) wie in dem Faltblatt Anlage K 1.
Mit Beschluß vom 4. Juli 2000 hat das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidung wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG aufgehoben und das Verfahren an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen (NJW 2000, 2734).
Die Kläger beantragen mit der Revision nunmehr, das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Beklagten beantragen, die Revision der Kläger zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Bundesverfassungsgericht hat aus dem unstreitigen Umstand, daß der Beklagte zu 2 in dem Faltblatt überhaupt nicht genannt wird, abgeleitet, daß es sich bei der angegriffenen Werbung um eine solche der Beklagten zu 1 handele, für die das in Rede stehende, nur die Werbung für die Tätigkeit des niedergelassenen Arztes betreffende berufsrechtliche Verbot nicht gelte. Die Beklagte zu 1 stehe als Klinikbetreiberin niedergelassenen Ärzten auch dann nicht gleich, wenn bei ihr Eingriffe ambulant vorgenommen würden. Solange sie weder durch Namensnennung noch durch Telefonnummern oder sonstige Kontakte auf einen bestimmten Arzt hinweise, halte sie sich im Rahmen der Klinikwerbung. Sofern die Klinik nicht nur als Vorwand betrieben werde, blieben auch die dort angebotenen ambulanten Leistungen solche des Gewerbebetriebs.
II. Der Senat hat in seinem ersten in der vorliegenden Sache ergangenen Urteil die – von der Revisionserwiderung seinerzeit nicht in Zweifel gezogene – Prozeßführungsbefugnis der Klägerin zu 1 bejaht. Die nunmehr in der mündlichen Verhandlung von der Revisionserwiderung erhobenen Bedenken, die Klägerin zu 1 neben dem Kläger zu 2 als klagebefugt anzusehen, hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.
III. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, daß bei diesem Verfahrensstand – ungeachtet der gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG bestehenden Bindung des Gerichts an die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene rechtliche Beurteilung – das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen sei.
1. Die Revision führt insoweit aus, das Bundesverfassungsgericht habe die von den Klägern beanstandete Faltblattwerbung in seinem Beschluß vom 4. Juli 2000 keineswegs uneingeschränkt und unter allen Umständen als verfassungsrechtlich gerechtfertigt und wettbewerbsrechtlich unangreifbar angesehen und namentlich nicht entschieden, daß diese Werbung, wäre sie als solche eines niedergelassenen Zahnarztes anzusehen, aus einfach- und verfassungsrechtlichen Gründen zulässig wäre. Dementsprechend müsse den Klägern – schon zur Wahrung des verfassungsrechtlichen Gebots des rechtlichen Gehörs – Gelegenheit gegeben werden, ihr Klagebegehren unter den vom Bundesverfassungsgericht geänderten rechtlichen Voraussetzungen ergänzend mit weiterem Tatsachenvorbringen zu begründen, auf das es bisher nach der Auffassung des Senats nicht angekommen sei. Da aber in der Revisionsinstanz neues Vorbringen nicht zulässig sei, könne diesem Anspruch der Kläger nur durch Zurückverweisung der Sache an die Tatsacheninstanz entsprochen werden. Die Revision führt näher aus, die Kläger würden im wiedereröffneten Berufungsrechtszug vortragen, daß der Beklagte zu 2 die im selben Gebäude wie seine Praxis untergebrachte „Zahnklinik” nur als Vorwand betreibe, um damit den Werbebeschränkungen für seine ambulanten zahnärztlichen Leistungen zu entgehen.
2. Die Revision übersieht hierbei, daß das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils einleitend ausdrücklich festgestellt hat, daß – wie in der Berufungsverhandlung klargestellt wurde – im Hinblick auf die Fassung des Klageantrags ungeachtet der von den Klägern im Verfahren erhobenen weiteren Beanstandungen Streitgegenstand allein die Frage ist, ob die in dem Faltblatt der Beklagten zu 1 enthaltene Werbung für ambulant durchgeführte zahnärztliche Leistungen auf dem Gebiet der Implantologie und der Prothetik wettbewerbswidrig ist. Der erkennende Senat hat diese Beurteilung in dem Urteil vom 26. November 1998 ausdrücklich gebilligt (GRUR 1999, 504, 505 – Implantatbehandlungen I). Dementsprechend bezieht sich der von den Klägern nunmehr ergänzend vorgetragene und unter Beweis gestellte Sachverhalt nicht auf den dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegenden Streitgegenstand.
3. Die Nichtberücksichtigung des neuen Vortrags der Kläger verletzt auch weder deren durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistetes Recht auf rechtliches Gehör noch deren sich aus den §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO ergebenden prozessualen Rechte.
Die genannte Verfassungsnorm verlangt grundsätzlich nicht, daß das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; ihr ist keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters zu entnehmen. Sie ist lediglich dann verletzt, wenn ein Verfahrensbeteiligter bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt nicht zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Nur in diesem besonderen Fall ist es auch geboten, die Beteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht seiner Entscheidung zugrunde legen will (vgl. BVerfGE 84, 188, 190; 96, 189, 204).
Daran gemessen kommt im vorliegenden Fall die – ausnahmsweise – Zulassung des von der Revision eingeführten neuen Sachvortrags von Verfassungs wegen nicht in Betracht. Das Berufungsgericht hatte, wie zu vorstehend 2. ausgeführt ist, die Kläger in der Berufungsverhandlung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß deren Vortrag, soweit er über die Frage der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit der in dem Faltblatt enthaltenen Werbung hinausging, im Hinblick auf die Fassung des Klageantrags unerheblich war.
Vor diesem Hintergrund war das Berufungsgericht auch nicht gemäß §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO verpflichtet, die – anwaltlich vertretenen – Kläger darauf hinzuweisen, daß diese, wollten sie eine gerichtliche Überprüfung der nach ihrer Auffassung auf die Umgehung des Werbeverbots für ambulante zahnärztliche Leistungen gerichteten Verhaltensweise der beiden Beklagten erreichen, auch einen entsprechenden Antrag zu stellen hatten (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.1996 – VIII ZR 311/95, NJW-RR 1997, 441; Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., § 139 Rdn. 13, m.w.N.).
IV. Danach war die Revision der Kläger mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Erdmann, Starck, Pokrant, Büscher, Schaffert
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 22.02.2001 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 584879 |
BGHR 2001, 605 |
GRUR 2001, 754 |