Entscheidungsstichwort (Thema)
Beurkundungsbedürftigkeit von Bauverträgen bei rechtlicher Einheit mit Grundstückserwerb
Leitsatz (amtlich)
a) Ein Bauvertrag ist gem. § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB beurkundungsbedürftig, wenn er mit einem Vertrag über den Erwerb eines Grundstücks eine rechtliche Einheit bildet. Eine solche besteht, wenn die Vertragsparteien den Willen haben, beide Verträge in der Weise miteinander zu verknüpfen, dass sie miteinander stehen und fallen sollen. Sind die Verträge nicht wechselseitig voneinander abhängig, ist der Bauvertrag nur dann beurkundungsbedürftig, wenn das Grundstücksgeschäft von ihm abhängt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 13.6.2002 - VII ZR 321/00, BauR 2002, 1541 = NZBau 2002, 502 = ZfBR 2002, 777).
b) Ein Bauvertrag kann auch dann beurkundungsbedürftig sein, wenn er vor einem Grundstückskaufvertrag geschlossen wird und die Parteien des Bauvertrages nicht identisch sind mit den Parteien des bevorstehenden Grundstückskaufvertrages. In diesem Fall ist ein Bauvertrag beurkundungsbedürftig, wenn die Parteien des Bauvertrages übereinstimmend davon ausgehen, dass der Grundstückserwerb nach dem Willen der Parteien des Kaufvertrages von dem Bauvertrag abhängt.
Normenkette
BGB § 311b Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 06.11.2008; Aktenzeichen 6 U 67/08) |
LG Hildesheim (Entscheidung vom 09.04.2008; Aktenzeichen 5 O 154/07) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Teil- und Grundurteil des 6. Zivilsenats des OLG Celle vom 6.11.2008 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin begehrt von den Beklagten nach vorzeitiger Beendigung eines Bauvertrags Werklohn abzgl. ersparter Aufwendungen.
Rz. 2
Die Beklagten beauftragten durch schriftlichen Vertrag vom 8./11.10.2006 die Klägerin mit der Errichtung eines Einfamilienhauses auf einem näher bezeichneten Grundstück in W., das nicht im Eigentum der Beklagten stand. § 10 (Sondervereinbarungen) des Vertrages lautet:
"Der Bauherr erhält ein kostenfreies Rücktrittsrecht vom Bauvertrag sollte er das Grundstück ... nicht erwerben. Angestrebt ist eine Grenzbebauung der Nebengebäude und sollte im Rahmen einer Bauvoranfrage mit dem zuständigen Bauamt abgestimmt werden."
Rz. 3
Zu einem Erwerb des Grundstücks durch die Beklagten kam es nicht. Diese teilten der Klägerin mit Schreiben vom 17.10.2006 mit, sie machten von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch. Nach Ansicht der Klägerin liegen die Voraussetzungen für einen Rücktritt nicht vor. Sie wertet das Schreiben der Beklagten als Kündigung des Vertrags und hat auf dieser Basis eine ihr zustehende Vergütung von 58.269,58 EUR errechnet.
Rz. 4
Das LG hat die auf Zahlung dieses Betrags und weiterer 892,44 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten jeweils nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist hinsichtlich des Betrags von 892,44 EUR ohne Erfolg geblieben. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Sache wegen des Streits über den Betrag des Anspruchs an das LG zurückverwiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hält den Bauvertrag für wirksam. Er habe nicht der notariellen Beurkundung nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB bedurft. Die Beklagten hätten sich in ihm nicht zum Erwerb des vorgesehenen Baugrundstücks verpflichtet. Sie hätten im Gegenteil ein Rücktrittsrecht eingeräumt erhalten für den Fall, dass sie das Grundstück nicht erwürben.
II.
Rz. 7
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Erwägungen des Berufungsgerichts rechtfertigen nicht seine Ansicht, der Bauvertrag sei ohne notarielle Beurkundung wirksam.
Rz. 8
1. Zwar ist es richtig, dass der Bauvertrag eine Verpflichtung der Beklagten zum Erwerb des Baugrundstücks nicht enthält. Das Berufungsgericht übersieht jedoch, dass sich der Formzwang des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB dann auf einen Bauvertrag erstreckt, wenn dieser mit dem vorgesehenen Vertrag über den Erwerb des Grundstücks eine rechtliche Einheit bildet. Eine solche besteht, wenn die Vertragsparteien den Willen haben, beide Verträge in der Weise miteinander zu verknüpfen, dass sie miteinander stehen und fallen sollen (BGH, Urt. v. 6.12.1979 - VII ZR 313/78, BGHZ 76, 43, 48 f.; v. 6.11.1980 - VII ZR 12/80, BGHZ 78, 346, 349; v. 13.6.2002 - VII ZR 321/00, BauR 2002, 1541 = NZBau 2002, 502 = ZfBR 2002, 777; v. 12.2.2009 - VII ZR 230/07, BauR 2009, 1138 = NZBau 2009, 442 = ZfBR 2009, 559; st.Rspr.). Sind die Verträge allerdings nicht wechselseitig voneinander abhängig, kommt eine Ausdehnung des Formerfordernisses des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Bauvertrag nur in Betracht, wenn das Grundstücksgeschäft vom Bauvertrag abhängt (BGH, Urt. v. 13.6.2002 - VII ZR 321/00, a.a.O.).
Rz. 9
2. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen rechtlichen Voraussetzungen für eine Beurkundungsbedürftigkeit des Bauvertrages nicht befasst. Seine Erwägungen sind nicht geeignet, die Beurkundungsbedürftigkeit des Bauvertrages zu verneinen. Allein der Umstand, dass im Bauvertrag der Grundstückserwerb nicht geregelt ist, steht einer rechtlichen Einheit von Bau- und Grundstückskaufvertrag nicht entgegen. Diese kann auch dann vorliegen, wenn beide Verträge nicht in einer Urkunde enthalten sind, sondern nacheinander geschlossen werden (BGH, Urt. v. 13.6.2002 - VII ZR 321/00, a.a.O.) und sogar dann, wenn die Parteien des Bauvertrages nicht identisch sind mit den Parteien des Grundstückskaufvertrages (BGH, Urt. v. 12.2.2009 - VII ZR 230/07, a.a.O.). Die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts in einem Vertrag steht der rechtlichen Einheit mit einem anderen Vertrag nicht entgegen (BGH, Urt. v. 12.2.2009 - VII ZR 230/07, a.a.O.).
III.
Rz. 10
Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Das Berufungsgericht wird prüfen müssen, ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, dass der Bauvertrag beurkundet werden muss, um Wirksamkeit zu erlangen. Insoweit ist auf Folgendes hinzuweisen: Der Bauvertrag ist an sich formfrei wirksam. Er kann aber selbst dann, wenn er vor einem Grundstückskaufvertrag geschlossen wird, der Beurkundung bedürfen, um Wirksamkeit zu erlangen (vgl. BGH, Urt. v. 6.11.1980 - VII ZR 12/80, BGHZ 78, 346, 349; MünchKomm/BGB/Kanzleiter, 5. Aufl., § 311b Rz. 54; Staudinger/Wufka, BGB 2005, § 311b Rz. 175). Maßgeblich kann in diesem Fall nicht der tatsächliche Wille der Parteien des Grundstückskaufvertrages sein, denn dieser ist in aller Regel vor Abschluss des Bauvertrages nicht feststellbar (missverständlich insoweit möglicherweise BGH, Urt. v. 13.6.2002 - VII ZR 321/00, a.a.O.). Vielmehr ist zu prüfen, ob nach dem Willen der Bauvertragsparteien der für die Bebauung notwendige Grundstückserwerb von dem Bauvertrag in der Weise abhängen soll, dass beide Verträge miteinander stehen und fallen (vgl. BGH, Urt. v. 6.11.1980 - VII ZR 12/80, BGHZ 78, 346, 349). Es reicht nicht aus, dass die Parteien eine Abhängigkeit des Bauvertrages vom zukünftigen Grundstückserwerb wollen. Vielmehr müssen sie gemeinsam davon ausgehen, dass dieser Grundstückserwerb nach dem Willen der Parteien des Kaufvertrages von dem Bauvertrag abhängt. Denn maßgeblich für die Beurkundungspflicht ist die Abhängigkeit des Grundstücksvertrages von einer etwaigen anderen Abrede. Nur diese Abhängigkeit erlaubt den Rückgriff auf § 311b BGB (BGH, Urt. v. 13.6.2002 - VII ZR 321/00, a.a.O.; Urt. v. 26.11.1999 - V ZR 251/98, NJW 2000, 951). Ausreichend ist, dass in dem dem Grundstückserwerb vorgezogenen Geschäft ein Verknüpfungswille vorhanden ist, der den Willen aller Beteiligten einbezieht (vgl. MünchKomm/BGB/Kanzleiter, 5. Aufl., § 311b Rz. 54, 55; Otto, NotBZ 2002, 298, 299 f.). Denn es kann keinen Unterschied machen, ob der Bauvertrag vor dem Grundstückskaufvertrag, gleichzeitig mit ihm oder später geschlossen wird.
Rz. 11
Ein solcher Verknüpfungswille kann nicht schon deshalb angenommen werden, weil der Besteller für die Durchführung eines Bauvertrages ein Grundstück benötigt (BGH, Urt. v. 6.12.1979 - VII ZR 313/78, BGHZ 76, 43, 49; Urt. v. 13.6.2002 - VII ZR 321/00, a.a.O.). Auch der Umstand, dass der Bauvertrag auf einem bestimmten, bereits ins Auge gefassten Grundstück ausgeführt werden soll, reicht für sich genommen nicht. Ein Wille, die Verträge in der notwendigen Weise zu einer rechtlichen Einheit zu verknüpfen, kommt aber dann in Betracht, wenn die Parteien des Bauvertrages und diejenigen des Kaufvertrages identisch sind oder der Bauunternehmer maßgeblichen Einfluss auf die Durchführung des Kaufvertrages hat. Er wird dann häufig dadurch im Bauvertrag manifestiert, dass die Bebauung auf einem bestimmten Grundstück erfolgen soll (BGH, Urt. v. 6.11.1980 - VII ZR 12/80, BGHZ 78, 346 ff.; Urt. v. 16.12.1993 - VII ZR 25/93, BauR 1994, 239 = ZfBR 1994, 122 und zum Baubetreuungsvertrag Urt. v. 12.2.2009 - VII ZR 230/07, a.a.O.). Hat der Bauunternehmer hingegen keine Einflussmöglichkeit auf die Durchführung des Kaufvertrages, bedarf es anderer, besonderer Umstände, die den Schluss zulassen, der Bauvertrag sei beurkundungsbedürftig (vgl. auch BGH, Urt. v. 22.3.1991 - V ZR 318/89, NJW-RR 1991, 1031, 1032).
Fundstellen
Haufe-Index 2379685 |
BGHZ 2011, 345 |