Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch wegen Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrags. Anwaltliche Pflichtverletzung durch Betreiben eines Erhöhungsverlangens des Erbbauzinses entsprechend dem Ansteigen des Lebenshaltungskostenindexes statt anhand der erheblich gestiegenen Grundsstückspreise
Leitsatz (amtlich)
Zur Anpassung des Erbbauzinses aufgrund eines Leistungsvorbehalts.
Unterbreitet der Mandant infolge eines Anwaltsfehlers ein ungünstiges Vertragsangebot, tritt der Vermögensschaden erst mit dessen Annahme ein.
Normenkette
ErbbauVO § 9; BRAO § 51 a.F.
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe |
LG Freiburg i. Br. |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe – 9. Zivilsenat in Freiburg – vom 11. Mai 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revisionsinstanz – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, Eigentümerin eines mit einem Erbbaurecht belasteten, gewerblich genutzten, 192 qm großen Grundstücks in der Innenstadt von F., nimmt die verklagten Rechtsanwälte bzw. deren Erben (i.f.: Beklagte) wegen Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages auf Schadensersatz in Anspruch.
Die jeweiligen Rechtsvorgänger der Klägerin und der jetzigen Erbbauberechtigten schlossen am 12. Oktober 1953 auf die Dauer von 50 Jahren einen Erbbaurechtsvertrag über das Grundstück. Ausgehend von einem Grundstückswert von 700 DM/m² wurde ein Erbbauzins in Höhe von 8.000 DM jährlich (entspricht 666,67 DM monatlich) vereinbart. § 9 des Vertrages enthält folgende Regelung:
„Sollten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse gegenüber dem heutigen Stand wesentlich verändern, so daß dem Grundstückseigentümer die Annahme des Erbbauzinses in seiner angegebenen ziffernmäßigen Höhe nicht mehr zugemutet werden kann, so kann er verlangen, daß der Erbbauzins auf einen angemessenen Betrag neu festgesetzt wird. Eine wesentliche Veränderung der gegenwärtigen Verhältnisse ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich die Kaufkraft der Deutschen Mark gegenüber dem heutigen Stand um mehr als 20 v. H. verschlechtern sollte. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Lebenshaltungskostenindex nach den für das Bundesgebiet maßgebenden amtlichen Feststellungen gegenüber dem 01. Januar 1954 um mehr als 20 v. H. steigen sollte.”
In den Jahren 1962 und 1970 trat die Rechtsvorgängerin der Klägerin unter Hinweis auf eine Erhöhung des Lebenshaltungskostenindexes an die damalige Erbbauberechtigte wegen einer Erhöhung des Erbbauzinses heran. Jene schlug jeweils eine Erhöhung um 20 % vor, womit sich die Rechtsvorgängerin der Klägerin einverstanden erklärte. Im Jahre 1974 verlangte die Klägerin, die das Grundstück inzwischen erworben hatte, eine weitere Erhöhung des Erbbauzinses. Sie stellte sich aber nunmehr auf den Standpunkt, der Umfang der Steigerung des Lebenshaltungskostenindexes könne für die Erhöhung des Erbbauzinses nicht allein maßgebend sein; vielmehr sei diese unter Berücksichtigung aller Umstände nach Billigkeit zu bestimmen, wobei insbesondere das Ansteigen der Grundstückspreise zu berücksichtigen sei. Die Erbbauberechtigte erklärte sich lediglich zu einer Erhöhung um wiederum 20 % bereit. Die hierauf von der Klägerin eingereichte Klage, mit der sie ab 1. Januar 1974 eine weitergehende Erhöhung geltend machte, wurde rechtskräftig abgewiesen (LG Freiburg, Urt. v. 19. April 1978 – 8 O 94/77). Die nächste Erhöhung des Erbbauzinses fand im Jahre 1984 statt. Die Beklagten forderten für die Klägerin unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Bodenrichtwertes von 6.000 DM/m² und einer Verzinsung von 4 % eine Erhöhung des Erbbauzinses auf jährlich 46.080 DM (entspricht monatlich 3.840 DM). Mit notariellem Vertrag vom 25. Juni 1984 wurde der dingliche Erbbauzins „mit Wirkung vom Tage der Eintragung in das Erbbaugrundbuch” (3. Oktober 1984) auf den geforderten Betrag erhöht. Für die Zeit vom 1. Januar 1982 bis zum Tage der Eintragung der Erhöhung vereinbarten die Vertragsparteien die Zahlung von monatlich 2.467,60 DM (statt der bisherigen 1.066,67 DM).
Auf einen erneuten Erhöhungswunsch der Klägerin teilten die Beklagten dieser im Januar 1991 mit, daß inzwischen der Lebenshaltungskostenindex wieder um 20 % gestiegen sei. Mit Schreiben vom 7. Februar 1991 brachte die Klägerin ihr Anliegen in Erinnerung, daß bei der Neufestsetzung des Erbbauzinses die zwischenzeitliche Erhöhung des Grundstückswertes zu berücksichtigen sei. Sie regte an, „den Auslöseeffekt schon anzukündigen und den Rest dann nachzuschieben”. Mit Datum vom 11. März 1991 schrieben die Beklagten die Erbbauberechtigte wegen einer Erhöhung des Erbbauzinses ab 1. April 1991 um zumindest 20 % an. Der Klägerin teilten sie unter dem 20. März 1991 mit, daß für den Zeitraum vom 1. Januar 1982 bis 1. April 1991 eine Erhöhung der Grundstückspreise um mehr als 20 % kaum nachzuweisen sei, weshalb man gut daran tue, sich nicht auf die Entwicklung der Grundstückspreise, sondern auf die der Lebenshaltungskosten zu berufen. Auf die abschließend gestellte Frage, ob die Klägerin dieses Vorgehen billige, antwortete diese mit Schreiben vom 25. April 1991. Sie teilte mit, sie habe einen Sachverständigen um ein Gutachten über den Grundstückswert gebeten und der Sachverständige habe sie bereits wissen lassen, daß die Wertsteigerung ihres Grundstücks jedenfalls mehr als 20 % betrage. Das Schreiben schließt wie folgt:
„Ich finde, es besteht kein Grund, die bisherige Linie aufzugeben. Da wegen der Verzögerung des Gutachtens die Neufestsetzung des Erbbauzinses notgedrungen hinausgezögert wird, möchte ich Sie bitten, die Gegenseite aufzufordern, schon jetzt die 20 %ige Erhöhung zu zahlen, da die Neufestsetzung keinesfalls darunter liegen wird. Eine Nachzahlung bringt steuerliche Nachteile mit sich. Das ist mir von der letzten Neufestsetzung her bekannt.”
Mit Schreiben an die Erbbauberechtigte vom 17. Mai 1991 teilten die Beklagten die Entwicklung des Preisindexes für Lebenshaltungskosten von Dezember 1981 bis März 1991 mit und führten aus:
„Dies ergibt eine Steigerung von 22,16 %, so daß sich bereits ohne Berücksichtigung der in starkem Maße gestiegenen Grundstückspreise eine Erhöhung des Erbbauzinses mit Wirkung ab 01.04.1991 auf (46.080,00 DM × 122,16 % =) 56.291,00 DM errechnet. Ich bitte, uns zu bestätigen, daß Sie dieser Erhöhung des Erbbauzinses zustimmen und entsprechende Überweisungen an unsere Mandantin vorzunehmen.”
Mit Schreiben vom 28. Mai 1991 bestätigte die Erbbauberechtigte den Beklagten die entsprechende Erhöhung des Erbbauzinses ab 1. April 1991.
Im Frühjahr 1994 wandte sich die Klägerin unter Vorlage des inzwischen erstellten Wertgutachtens an die Erbbauberechtigte, um rückwirkend zum 1. April 1991 einen erhöhten Erbbauzins auszuhandeln. Die Erbbauberechtigte stellte sich mit Schreiben vom 15. März 1994 auf den Standpunkt, daß der Erbbauzins verbindlich angepaßt sei; ein neues Erhöhungsverlangen könne nur für die Zukunft gestellt werden.
Die Klägerin hat wegen des ihr angeblich entgangenen bzw. noch entgehenden Erbbauzinses Klage auf Zahlung von zunächst 279.537,96 DM, später erhöht auf 308.455,68 DM, und der weiteren ihr bis zum 31. Dezember 2003 entgehenden monatlichen Zinsen von 3.213,08 DM erhoben. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben; das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat sein Urteil wie folgt begründet:
Die Beklagten hätten pflichtwidrig gehandelt, als sie mit Schreiben vom 17. Mai 1991 ein annahmefähiges Angebot über eine Erhöhung des Erbbauzinses um ca. 20 % auf 56.291 DM unterbreitet hätten. Da das Schreiben der Klägerin vom 25. April 1991 nicht ganz eindeutig gewesen sei, hätten die Beklagten sie weiter aufklären und deren Weisung einholen müssen.
Durch diese Pflichtverletzung sei der Klägerin aber kein Schaden entstanden. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Erbbauberechtigte einer lediglich vorläufigen Anpassung des Erbbauzinses ab 1. April 1991 zugestimmt und der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt hätte, wegen der noch festzustellenden Wertentwicklung der Grundstückspreise eine weitere Erhöhung zu verlangen. Bei einer streitigen Auseinandersetzung hätte die Klägerin nicht einmal die ca. 20 %ige Erhöhung zum 1. April 1991 durchsetzen können. Denn die vertraglichen Voraussetzungen hierfür seien erst ab 1. April 1993 erfüllt gewesen. Erst zu diesem Zeitpunkt sei der Lebenshaltungskostenindex – ausgehend von der letzten Erhöhung des Erbbauzinses durch notariellen Vertrag vom 25. Juni 1984 – um ca. 20 % gestiegen. Wegen der von Oktober 1984 bis zum 1. April 1993 um über 20 % gestiegenen Grundstückspreise hätte die Klägerin bei einer streitigen Auseinandersetzung ab dem 1. April 1993 zwar einen um 1.309 DM pro Jahr höheren Erbbauzins erzielen können, als er ihr aufgrund der Vereinbarung vom 17./28 Mai 1991 zustehe. Dieser Vorteil hätte aber bis zum Auslaufen des Erbbaurechtsvertrages im Jahre 2003 einen geringeren Betrag ergeben, als denjenigen, den die Klägerin zwischen dem 1. April 1991 und dem 31. März 1993 dank der Vereinbarung zusätzlich vereinnahmt habe.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. Zutreffend ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, daß die Beklagten ihre anwaltlichen Pflichten verletzt haben, indem sie vorbehaltlos eine Erhöhung des Erbbauzinses auf lediglich 122,16 % – entsprechend dem Ansteigen des Lebenshaltungskostenindexes – betrieben.
Die Revisionserwiderung macht geltend, das Schreiben der Beklagten vom 17. Mai 1991 habe dem Auftrag der Klägerin genau entsprochen; insbesondere habe es den von der Klägerin gewünschten „Vorbehalt bezüglich der erheblich gestiegenen Grundstückspreise” enthalten.
Dieser Einwand ist unzutreffend. Aus dem Schreiben vom 17. Mai 1991 mußte die Erbbauberechtigte nicht entnehmen, daß es bei den dort genannten „entsprechenden Überweisungen” nicht sein Bewenden haben würde. Der Hinweis auf die „in starkem Maße gestiegenen Grundstückspreise” konnte auch als Bekräftigung des konkreten Erhöhungsverlangens – auf 122,16 %, aber eben nicht mehr – verstanden werden. Daran ändert die Bezugnahme auf das vorangegangene Schreiben vom 11. März 1991 nichts. In jenem Schreiben war sogar ausschließlich vom Anstieg der Lebenshaltungskosten die Rede gewesen.
Daß die Beklagten beauftragt waren, „zunächst ein auf die Erhöhung des Lebenshaltungskostenindexes gestütztes Erhöhungsverlangen als Mindestverlangen” zu stellen, „um sodann nach Vorliegen des von ihr (der Klägerin) in Auftrag gegebenen Gutachtens (zum Grundstückswert) ein Verlangen auf weitere Erhöhung nachschieben zu können”, wird nicht in Zweifel gezogen.
2. Demgegenüber rügt die Revision mit Recht die Ansicht des Berufungsgerichts, der Klägerin sei aus der Pflichtverletzung kein Schaden entstanden.
a) Das Berufungsgericht hat zwar im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, daß zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs der hypothetische Tatsachenverlauf zu ermitteln ist. Ist dem Rechtsanwalt – wie im Streitfall – ein Unterlassen (hier: die unterlassene Aufnahme eines ausdrücklichen Vorbehalts in das Schreiben vom 17. Mai 1991) vorzuwerfen, ist dieses kausal, wenn der Schaden bei pflichtgemäßer Vornahme der versäumten Handlung ausgeblieben wäre (BGH, Urt. v. 22. März 1990 – IX ZR 128/89, WM 1990, 1161, 1163).
b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Erbbauberechtigte einer nur vorläufigen Anpassung des Erbbauzinses ab dem 1. April 1991 zugestimmt und der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt hätte, wegen eines höheren Grundstückswertes eine weitere Erhöhung zu verlangen.
Dies steht im Widerspruch zum unstreitigen Sachvortrag der Parteien (§ 138 ZPO). Die Beklagten haben in ihrer Berufungsbegründung behauptet, die Erbbauberechtigte hätte sich einem solchen Vorbehalt nicht widersetzt. Dieses Vorbringen hat sich die Klägerin zu eigen gemacht, indem sie ausdrücklich nur den Zusatz bestritten hat, die Erbbauberechtigte hätte sich sogar einem nachträglich erklärten Vorbehalt nicht entgegengestellt.
Da eine Grundlage für die hierzu im Widerspruch stehende Würdigung des Berufungsgerichts nicht erkennbar ist, muß zugunsten der Revision davon ausgegangen werden, daß eine zunächst nur vorläufige Anpassung des Erbbauzinses zum 1. April 1991 unter Offenhaltung einer weiteren Erhöhung unter dem Gesichtspunkt der gestiegenen Grundstückswerte einvernehmlich erzielbar gewesen wäre.
c) Ferner greift die Revision mit Erfolg die Ansicht des Berufungsgerichts an, im Falle einer streitigen Auseinandersetzung wäre eine auf einen zumindest 20 %igen Anstieg des Lebenshaltungskostenindexes gestützte Anpassung erst zum 1. April 1993 – und nicht schon zum 1. April 1991 – durchsetzbar gewesen, weil der Anstieg frühestens auf Mitte 1984 – und nicht auf den 1. Januar 1982 – zu beziehen gewesen sei.
aa) Die Frage nach dem richtigen Bezugspunkt für die Feststellung einer Änderung der „wirtschaftlichen Verhältnisse” muß auf der Grundlage einer Auslegung der Anpassungsregelung im Erbbaurechtsvertrag beantwortet werden (vgl. BGHZ 87, 198, 201; BGH, Urt. v. 24. April 1992 – V ZR 52/91, BB 1992, 1238, 1239). Ob das Berufungsgericht eine derartige Auslegung vorgenommen hat, ist nicht erkennbar. Es hat gemeint, „jedenfalls” für die Erhöhungsrunde 1991 sei „an das Wirksamwerden der letzten Anpassung (im Jahre 1984) anzuknüpfen”. Begründet hat es diese Ansicht nicht. Sie ist nicht haltbar.
Da das Berufungsgericht eine Auslegung der Anpassungsklausel unterlassen hat und weitere tatsächliche Feststellungen dazu nicht erforderlich sind, kann der Senat die Klausel selbst auslegen (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 30. September 1999 – IX ZR 329/98, NJW 1999, 3708, 3709).
Der ursprüngliche Erbbaurechtsvertrag vom 12. Oktober 1953 enthält keine ausdrückliche Regelung dazu, welcher Zeitpunkt für die den Anspruch auf Anpassung des Erbbauzinses auslösende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebend sein soll. Da auf eine Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse „gegenüber dem heutigen Stand” (12. Oktober 1953) abgehoben wurde, der Erbbauzins jedoch erst ab dem 1. Januar 1954 zu zahlen war, liegt die Annahme nahe, daß es auch künftig nicht auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens von Veränderungen der Zahlungspflicht, sondern auf den Zeitpunkt ankommen sollte, für den eine solche Veränderung angezeigt wurde oder auf den man sich einigte.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die in der notariell beurkundeten Vereinbarung vom 25. Juni 1984 enthaltene Absprache über das Wirksamwerden der Erhöhung desdinglichen Erbbauzinses unerheblich. Es ist nicht erkennbar, daß die Regelung in Ziffer 1 der Vereinbarung, nach der die Erhöhung des Erbbauzinses mit Wirkung vom Tage der Eintragung in das Erbbaugrundbuch wirksam werden sollte, auf der Grundlage von Überlegungen der Parteien zum Bezugspunkt für spätere Erhöhungen erfolgte. Vielmehr dürfte sie mit Rücksicht auf die Vorschrift des § 9 ErbbauVO getroffen worden sein. Danach wird der dingliche, eintragungsfähige Anspruch auf den Erbbauzins erst mit Eintragung fällig, und eine rückwirkende Erhöhung ist nicht eintragungsfähig (MünchKomm-BGB/v. Oefele, 3. Aufl. § 9 ErbbauVO Rn. 10). Der übereinstimmende Wille, ab wann ein erhöhter Erbbauzinsschuldrechtlich zu zahlen war, wird in der Ziffer 2 der Vereinbarung deutlich, in der die Verpflichtung der Erbbauberechtigten geregelt ist, ab dem 1. Januar 1982 rückwirkend einen höheren Zins zu zahlen. Diese rückwirkend geltende Verpflichtung hat das Berufungsgericht in ihrer Bedeutung verkannt.
Daß die Parteien des Erbbaurechtsvertrages allgemein nicht auf die Wirksamkeit der Änderung der dinglichen Rechtslage abgestellt haben, wird außerdem durch das in den Jahren 1962, 1970 und 1974 eingeschlagene Verfahren belegt. Damals wurde jeweils auf der Grundlage angenommener Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse der schuldrechtliche Anspruch angepaßt. Auf die Wirksamkeit einer vorangegangenen Änderung des dinglichen Erbbauzinsanspruchs konnten die Vertragsparteien nicht Bezug nehmen. Die Änderung des dinglichen Anspruchs im Jahre 1984 erfolgte um 38.080 DM auf 46.080 DM. Denn seinerzeit war noch der bereits im Jahre 1953 vereinbarte Betrag von 8.000 DM eingetragen.
Darauf, daß die Parteien des Erbbaurechtsvertrages im Rahmen der Erbbauzinserhöhung des Jahres 1991 einvernehmlich eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse mit dem 1. Januar 1982 bzw. Dezember 1981 als Anknüpfungszeitpunkt erörtert und festgestellt haben, kommt es danach nicht mehr an.
bb) Die Revisionserwiderung meint, selbst wenn das Erhöhungsverlangen entsprechend der übereinstimmenden Handhabung durch die Parteien des Erbbaurechtsvertrages auf den Zeitpunkt 1. Januar 1982 zu beziehen sei, ergebe sich daraus nicht, daß die Klägerin ihr auf die Preisentwicklung auf dem Grundstücksmarkt gestütztes weiteres Erhöhungsverlangen bei einer streitigen Auseinandersetzung rückwirkend hätte durchsetzen können. Zu der erforderlichen Konkretisierung ihres Erhöhungsverlangens sei sie nämlich erst im März 1994 in der Lage gewesen.
Mit diesem Argument läßt sich die Klageabweisung nicht rechtfertigen. Es setzt voraus, daß es ohne die anwaltliche Pflichtverletzung zu einer streitigen Auseinandersetzung zwischen den Parteien des Erbbaurechtsvertrages gekommen wäre. Davon kann indes – wie oben unter b ausgeführt – nicht ausgegangen werden. Eine rückwirkende Vereinbarung, in welcher Höhe auch immer, hätten die Parteien – wie im Jahre 1984 – auch im Jahre 1991 schließen können. Unter Zugrundelegung der auch von den Beklagten gegebenen Darstellung, daß sich die Erbbauberechtigte einem von den Beklagten angemeldeten Vorbehalt nicht verschlossen hätte, liegt dies auch nahe. Denn dieser Vorbehalt bezweckte gerade, ein rückwirkendes Verlangen des unter ergänzender Berücksichtigung des Grundstückswertes erhöhten Zinses zu ermöglichen.
Selbst von dem abweichenden Ansatz des Berufungsgerichts aus wäre der Ansicht der Revisionserwiderung nicht zu folgen. Von welchem Zeitpunkt an die Erhöhung wirksam werden sollte, wenn sich die Parteien des Erbbaurechtsvertrages über das Erhöhungsverlangennicht einigten, hat das Berufungsgericht nicht geprüft. Da indes im Rahmen der bei dieser hypothetischen Betrachtung erforderlichen ergänzenden Vertragsauslegung weitere tatsächliche Feststellungen nicht in Betracht kommen, ist der Senat befugt, die Auslegung selbst vorzunehmen. Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, daß die Parteien, wenn sie diesen Punkt bedacht hätten, eine Festsetzung der Leistung durch Urteil vorgesehen hätten; außerdem ist mit Rücksicht auf Treu und Glauben anzunehmen, daß dem Parteiwillen eine Wirkung der Erhöhung auf den Zeitpunkt entsprochen hätte, zu welchem ein berechtigtes Erhöhungsverlangen, das die Größenordnung erkennen ließ, gestellt wurde (vgl. BGHZ 81, 135, 145 f). Ein solches für die Rückwirkung ausreichendes Erhöhungsverlangen muß nicht notwendig durch ein Sachverständigengutachten unterlegt sein.
d) Das Berufungsgericht ist selbst davon ausgegangen, daß zu den „wirtschaftlichen Verhältnissen” im Sinne des § 9 des Erbbaurechtsvertrages auch der Grundstückswert gehören kann. Das wird in der Revisionsinstanz nicht angegriffen und läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Wie sich die Grundstückswerte zwischen dem 1. Januar 1982 und dem 1. April 1991 entwickelt haben, hat das Berufungsgericht jedoch nicht geprüft. Es kann deshalb derzeit nicht ausgeschlossen werden, daß die Klägerin, wenn die Beklagten den Vorbehalt (s. oben 1) angebracht hätten, entweder im Wege einer Vereinbarung oder aufgrund eines streitigen Urteils mehr erhalten hätte, als ihr aufgrund der Vereinbarung vom 17./28. Mai 1991 zugeflossen ist.
III.
Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend (§ 563 ZPO); denn die von den Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift nicht durch.
Gemäß § 51 BRAO a.F. (= § 51 b BRAO n.F.) verjährt der Schadensersatzanspruch des Auftraggebers aus dem zwischen ihm und dem Rechtsanwalt bestehenden Vertragsverhältnis in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist, spätestens in drei Jahren nach der Beendigung des Auftrags. Im Streitfall kommt nur die erste Alternative in Betracht, weil der Anspruch in jedem Falle vor der Mandatsbeendigung – die mit dem Zugang des Schreibens der Beklagten vom 10. Juni 1991 gleichzusetzen ist – entstanden ist.
Der Anspruch ist frühestens am 31. Mai 1991 entstanden, so daß der Lauf der Verjährungsfrist durch die am 31. Mai 1994 eingereichte und „demnächst” zugestellte Klage unterbrochen wurde. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Schadensentstehung (vgl. BGHZ 119, 69, 73; BGH, Urt. v. 20. Juni 1996 – IX ZR 106/95, WM 1996, 1832, 1833). Der Schaden entstand, als sich die Vermögenslage der Klägerin durch die Pflichtverletzung objektiv verschlechterte. Das war nicht schon dann der Fall, als den Erbbauberechtigten das Schreiben der Beklagten vom 17. Mai 1991 zuging.
Anders wäre es allerdings dann, wenn dieses Schreiben – das vor dem 28. Mai 1991 (Datum des Antwortschreibens der Erbbauberechtigten) zugegangen sein muß – eine einseitige Leistungsbestimmung im Sinne des § 315 BGB durch die Klägerin enthalten hätte. Eine derartige Leistungsbestimmung konkretisiert den Leistungsinhalt, und zwar endgültig, weil sie unwiderruflich ist (BGH, Urt. v. 29. November 1965 – VII ZR 265/63, NJW 1966, 539, 540; BAG VersR 1981, 941, 942).
Indes hat der Beklagte zu 2 für die Klägerin in dem genannten Schreiben keine einseitige Leistungsbestimmung erklärt, sondern – wie auch das Berufungsgericht angenommen hat – der Gegenseite ein Angebot auf vertragliche Anpassung des Erbbauzinses unterbreitet. Dafür ließ die Anpassungsklausel in § 9 des Erbbaurechtsvertrages durchaus Raum. Derartige Klauseln hat die Rechtsprechung teils in dem Sinne verstanden, daß damit ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht begründet werden sollte (vgl. BGH, Urt. v. 19. Juni 1974 – VIII ZR 49/73, NJW 1974, 1464); teilweise wurde ihnen aber auch nur das Recht entnommen, von der Gegenseite die Mitwirkung zum Abschluß einer Anpassungsvereinbarung zu verlangen (vgl. BGH, Urt. v. 23. November 1964 – VIII ZR 125/63, LM WährG § 3 Nr. 15). Entscheidend ist stets die Auslegung des im Einzelfall anzupassenden Vertrags (BGH, Urt. v. 28. Juni 1968 – V ZR 195/64, WährG § 3 Nr. 18; v. 26. Mai 1978 – V ZR 82/76, WM 1978, 1133 f; Dürkes, Wertsicherungsklauseln 10. Aufl. Rn. D 219; MünchKomm-BGB/Grundmann, 4. Aufl. §§ 244, 245 Rn. 79; BGB-RGRK/Räfle, 12. Aufl. § 9 ErbbauVO Rn. 53). Die Auslegung – die der Senat selbst vornehmen kann, weil das Berufungsgericht nicht ausgelegt hat – bestätigt dessen Ergebnis. Da der Wortlaut der Anpassungsklausel „… so kann er verlangen, daß der Erbbauzins auf einen angemessenen Betrag neu festgesetzt wird” nicht eindeutig ist, gewinnt die von den Parteien des Erbbaurechtsvertrages geübte Praxis Bedeutung, weil sie Rückschlüsse darauf erlaubt, wie sie selbst die Klausel verstanden haben (vgl. BGH, Urt. v. 28. Juni 1971 – III ZR 103/68, WM 1971, 1513, 1515; v. 24. Juni 1988 – V ZR 49/87, NJW 1988, 2878, 2879). Von Anfang an – nämlich seit der ersten Erhöhung des Erbbauzinses im Jahre 1962 – ist die Erhöhung nie durch einseitige Leistungsbestimmung, sondern im Vereinbarungswege erfolgt. Die Erhöhung im Jahre 1962 wurde eingeleitet durch ein Schreiben der Rechtsvorgängerin der Klägerin an die damalige Erbbauberechtigte vom 16. August 1962. Darin heißt es:
„Ich bitte um Ihren Vorschlag zur Neufestsetzung auf einen angemessenen Betrag.”
Im Antwortschreiben vom 27. August 1962 äußerte die damalige Erbbauberechtigte:
„Wir schlagen vor, den Erbbauzins auf 20 % über dem bisherigen neu festzusetzen …”
Der Schriftwechsel in bezug auf die nächste, im Jahre 1970 durchgeführte Erhöhung ist nicht vorgelegt worden. Im Tatbestand des von den Beklagten vorgelegten Urteils LG Freiburg 8 O 94/77 vom 19. April 1978 ist jedoch erwähnt, daß die Rechtsvorgängerin der Klägerin wiederum an die Erbbauberechtigte herangetreten sei und um Vorschläge für die Erhöhung des Erbbauzinses gebeten habe. Auch in der Erhöhungsrunde 1982/83, die allerdings schon die Rechtsnachfolger betraf, gab es keine einseitige Leistungsbestimmung; vielmehr wurde die Erhöhung in umfangreichen, mehr als zwei Jahre in Anspruch nehmenden Verhandlungen ausgehandelt und letztendlich in einer notariell beurkundeten Vereinbarung niedergelegt.
Die schriftlichen Äußerungen der Beklagten in den Schreiben vom 11. März und 17. Mai 1991 sind – unter besonderer Berücksichtigung ihres Wortlauts und der bisherigen Handhabung – ebenfalls so zu verstehen, daß die neue Leistungshöhe nicht einseitig, sondern einvernehmlich festgelegt werden sollte. Da das Berufungsgericht eine Auslegung dieser Erklärungen unterlassen hat und neuer Sachvortrag nicht zu erwarten ist, kann der Senat auch diese Auslegung selbst vornehmen.
Da das in dem zuletzt genannten Schreiben ausgesprochene Angebot der Klägerin der Annahme durch die Erbbauberechtigte bedurfte, hatte sich mit der Abgabe dieses Angebots – ungeachtet des Umstands, daß es auf eine für die Klägerin ungünstige Vereinbarung gerichtet war – die Vermögenslage der Klägerin noch nicht objektiv verschlechtert. Es war lediglich eine risikobehaftete Lage entstanden, die den Lauf der Verjährung noch nicht beginnen läßt (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 9. Dezember 1999 – IX ZR 129/99, WM 2000, 959, 960). Insofern ähnelt der vorliegende Sachverhalt dem Fall, daß der Mandant aufgrund eines mangelhaften Entwurfs seines Rechtsanwalts einen Vertrag schließt, der den Vertragspartner zur Irrtumsanfechtung berechtigt, oder dem Fall, daß der Mandant auf Anraten seines Anwalts eine Vertragsverletzung begeht, die den Vertragspartner berechtigt, seinerseits Rechte gegen den Mandanten geltend zu machen. Im ersten Fall entsteht dem Mandanten ein Schaden erst, wenn der Vertragspartner tatsächlich anficht (BGH, Urt. v. 16. November 1995 – IX ZR 148/94, WM 1996, 540, 541), und im zweiten Fall, wenn der Vertragspartner tatsächlich von seinen Rechten Gebrauch macht (BGH, Urt. v. 5. November 1992 – IX ZR 200/91, WM 1993, 610, 612).
IV.
Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht entscheidungsreif ist (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es wird nunmehr das Vorliegen eines Schadens und dessen Höhe zu prüfen sein (vgl. BGH, Urt. v. 12. Januar 2001 – V ZR 372/99, WM 2001, 631, 633).
Wegen des von den Beklagten erhobenen Mitverschuldenseinwands [vgl. GA I 169, II 33] wird auf die ständige Rechtsprechung des Senats hingewiesen, wonach im Bereich der rechtlichen Bearbeitung eines Auftrags ein Mitverschulden des Mandanten regelmäßig nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urt. v. 19. Dezember 1991 – IX ZR 41/91, WM 1992, 739, 740; v. 4. Juni 1996 – IX ZR 51/95, WM 1996, 1824, 1829; v. 15. April 1999 – IX ZR 328/97, WM 1999, 1330, 1336).
Unterschriften
Kreft, Kirchhof, Fischer, Ganter, Kayser
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.01.2002 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
NJW 2002, 1421 |
BGHR 2002, 367 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 1073 |
WuB 2002, 631 |
MDR 2002, 695 |
VersR 2002, 486 |
ZNotP 2002, 278 |
BRAK-Mitt. 2002, 170 |
KammerForum 2002, 297 |