Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung fiktiver Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts. Nutzungserfordernis. Reparatur
Leitsatz (amtlich)
Ein Unfallgeschädigter kann (fiktiv) die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts in der Regel nur abrechnen, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiternutzt und zu diesem Zweck - falls erforderlich - verkehrssicher (teil-) reparieren lässt (im Anschluss an BGH BGHZ 154, 395 ff.; 168, 43 ff.).
Normenkette
BGB § 249 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 15.06.2007; Aktenzeichen 3 S 17/07) |
AG Wiesbaden (Entscheidung vom 15.02.2007; Aktenzeichen 93 C 4757/06) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Wiesbaden vom 15.6.2007 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der Pkw des Klägers ist bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden. Die Beklagte hat als Kraftfahrzeugpflichtversicherer des Unfallgegners in vollem Umfang für den Schaden einzustehen.
[2] Eine fachgerechte Instandsetzung des beschädigten Fahrzeugs hätte nach sachverständiger Schätzung 1.916,70 EUR netto gekostet. Der Kläger ließ die Reparatur jedoch kostengünstiger durchführen. Er veräußerte das Fahrzeug spätestens nach 22 Tagen. Die Beklagte erstattete ihm einen Betrag von 1.300 EUR, den sie aus dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs vor dem Unfall i.H.v. 3.800 EUR unter Abzug eines Restwerts von 2.500 EUR errechnete.
[3] Mit seiner Klage hat der Kläger die geschätzten Kosten einer fachgerechten Reparatur abzgl. gezahlter 1.300 EUR, mithin 616,70 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 295,51 EUR geltend gemacht. Hierbei hat er eine 1,5 Geschäftsgebühr aus dem Gegenstandswert von 2.567 EUR zugrunde gelegt, eine 0,75 Prozessgebühr aus dem Klagebetrag von 616,70 EUR abgesetzt und die Postpauschale von 20 EUR sowie die Umsatzsteuer hinzugerechnet.
[4] Das AG hat die Klage in der Hauptsache abgewiesen und vorgerichtliche Anwaltskosten lediglich aus einem Gegenstandswert von 1.879,06 EUR i.H.v. 254,62 EUR zugesprochen. Das LG hat die Berufung des Klägers, mit der dieser sein ursprüngliches Klageziel weiterverfolgt hat, zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine im Berufungsverfahren zuletzt gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
I.
[5] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die vom Kläger durchgeführte Reparatur könne zwar aufgrund der vorgelegten Lichtbilder und Anlagen nicht als unfachmännisch bezeichnet werden; eine Reparatur mit Gebrauchtteilen sei im Hinblick auf das Alter des Fahrzeugs angemessen. Der Kläger verstoße aber gegen das Bereicherungsverbot, wenn er trotz des alsbaldigen Weiterverkaufs durch den Unfall wirtschaftlich besser gestellt werde als ohne das schädigende Ereignis.
II.
[6] 1. Das Berufungsurteil ist nicht schon aus formellen Gründen aufzuheben. Zwar ist nach der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung der Zivilprozessordnung eine Aufnahme der Berufungsanträge in das Berufungsurteil nicht entbehrlich. Der Antrag des Berufungsklägers braucht aber nicht unbedingt wörtlich wiedergegeben zu werden. Es genügt, wenn aus dem Zusammenhang der Ausführungen des Berufungsgerichts wenigstens sinngemäß deutlich wird, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat (vgl. BGH BGHZ 161, 151, 153 f.; Urt. v. 18.11.2003 - VI ZR 385/02, VersR 2004, 255). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil noch, wenn es ausführt, der Kläger verfolge mit der Berufung sein ursprüngliches Klageziel in vollem Umfang weiter. Hieraus kann im Zusammenhang mit dem Urteil des AG, auf welches das Berufungsurteil verwiesen hat, das Berufungsbegehren und der Berufungsvortrag des Klägers mit noch hinreichender Deutlichkeit erkannt werden.
[7] 2. Die Ausführungen des angefochtenen Urteils halten rechtlicher Überprüfung auch in der Sache stand.
[8] a) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BGH BGHZ 154, 395, 397 ff.; 162, 161, 164 f.; 163, 180, 184; Urt. v. 5.12.2006 - VI ZR 77/06, VersR 2007, 372, 373) stehen dem Unfallgeschädigten für die Berechnung eines Kraftfahrzeugschadens im Allgemeinen zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung: Die Reparatur des Unfallfahrzeugs oder die Anschaffung eines "gleichwertigen" Ersatzfahrzeugs. Der Geschädigte, der sein Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt, kann grundsätzlich Ersatz der Reparaturkosten verlangen, wenn diese den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen.
[9] b) Der Kläger begehrt jedoch nicht (etwa unter Vorlage der Reparaturrechnung) Erstattung der Kosten der tatsächlich durchgeführten Instandsetzung. Er will vielmehr seinen Schaden (fiktiv) auf der Basis der geschätzten Kosten für die Instandsetzung berechnen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann der Geschädigte die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts in der Regel jedoch nur abrechnen, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiternutzt und zu diesem Zweck - falls erforderlich - verkehrssicher (teil-) reparieren lässt (BGHZ 154, 395 ff.; 168, 43 ff.).
[10] c) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Geschädigte im Streitfall das Fahrzeug spätestens 22 Tage nach dem Unfall weiterveräußert mit der Folge, dass er nicht (fiktiv) die geschätzten Reparaturkosten, sondern nur den Wiederbeschaffungsaufwand verlangen kann. Da er infolge der Weiterveräußerung den Restwert realisiert hat, muss er sich diesen bei der Schadensberechnung mindernd anrechnen lassen.
[11] 3. Auch der Anspruch des Klägers auf Erstattung der ihm außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten gem. Nr. 2300 RVG-VV n.F. bemisst sich daher unter Zugrundelegung des nach Abzug des Restwerts ermittelten Schadensbetrags. Der Ansatz einer 1,5-fachen Gebühr (vgl. Nr. 2300 RVG-VV n.F.) beschwert den Kläger nicht.
[12] 4. Nach allem ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1997036 |
BB 2008, 1181 |