Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerden werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden betreffen eine Klage aus § 826 BGB gegen die Vollstreckung aus einem Schiedsspruch eines internationalen Schiedsgerichts.
I.
Die Beschwerdeführerin, die Russische Föderation, wurde durch einen Schiedsspruch des internationalen Schiedsgerichts bei der Handelskammer in Stockholm zur Zahlung einer Entschädigung an den Beklagten des Ausgangsverfahrens, eines deutschen Staatsangehörigen, verpflichtet. Dem Schiedsverfahren lag der Vertrag der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom 13. Juni 1989 (BGBl II 1990 S. 342) zugrunde. Der Schiedsspruch wurde durch einen Beschluss des Kammergerichts Berlin für vorläufig vollstreckbar erklärt. Die gegen den Schiedsspruch erhobene Nichtigkeitsklage der Beschwerdeführerin wurde von den zuständigen schwedischen Gerichten rechtskräftig abgewiesen.
Nachdem der Beklagte des Ausgangsverfahrens Zwangssicherungshypotheken für Grundstücke der Beschwerdeführerin in Köln eintragen ließ, beantragte die Beschwerdeführerin vor dem Landgericht Köln, den Schiedsspruch in Verbindung mit den vollstreckbaren Ausfertigungen des Beschlusses des Kammergerichts Berlin herauszugeben und die Vollstreckung daraus zu unterlassen. Sie behauptete, der Beklagte habe die Anwendung des deutsch-sowjetischen Vertrages und damit die Zuständigkeit des Schiedsgerichts durch falsche Angaben zu seinem angeblich ununterbrochenen Aufenthalt in Deutschland erschlichen. Das Landgericht Köln wies die Klage durch das im Verfahren 2 BvR 2271/07 angegriffene Urteil vom 7. Dezember 2006 ab. Der Anspruch aus § 826 BGB scheitere unter anderem daran, dass die Beschwerdeführerin die Anforderungen an die Darlegung der Unrichtigkeit des Schiedsspruchs nicht erfüllt habe. Sie habe nicht substantiiert dargelegt, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, die von ihr vorgebrachten Einwendungen im Schiedsverfahren oder in der sich daran anschließenden Nichtigkeitsklage geltend zu machen.
Die Beschwerdeführerin legte daraufhin Berufung ein. Das Oberlandesgericht Köln wies in einem Beschluss vom 14. Mai 2007 darauf hin, dass es beabsichtige, die Berufung der Beschwerdeführerin nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Es begründete die Erfolglosigkeit des Rechtsmittels unter anderem damit, dass die Beschwerdeführerin die Unrichtigkeit des Schiedsspruchs nicht hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt habe. Der Vorwurf, der Beklagte habe durch unrichtige Angaben zum Wohnsitz die Zuständigkeit des Schiedsgerichts erschlichen, sei schon deshalb unbeachtlich, weil unter Unrichtigkeit nur die materielle Unrichtigkeit verstanden werden könne. In einem weiteren Beschluss vom 9. Juli 2007 korrigierte das Oberlandesgericht Köln auf eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin hin seine Rechtsansicht. Zwar sei der Wohnsitz des Beklagten nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeit des Schiedsgerichts, sondern auch für die materielle Anspruchsberechtigung des Beklagten aus dem deutsch-sowjetischen Vertrag von Bedeutung. Der Vortrag der Beschwerdeführerin zur Frage des Wohnsitzes sei jedoch im Hinblick auf die Unrichtigkeit des Schiedsspruchs unsubstantiiert. Selbst wenn man die Richtigkeit der von ihr vorgelegten Auskünfte über den Aufenthalt des Beklagten in der Russischen Föderation unterstellte, wäre damit nicht widerlegt, dass der Beklagte vor dem Hintergrund seiner gesamten persönlichen und geschäftlichen Beziehungen in Deutschland jedenfalls seinen Hauptwohnsitz in Deutschland beibehalten habe. Für die Voraussetzungen des § 826 BGB trage die Beschwerdeführerin die Beweislast. Darüber hinaus datierten die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen teilweise aus 1999 und 2003, sodass die unterstellte Unrichtigkeit des Schiedsspruchs zumindest auch auf nachlässiger Prozessführung beruhe.
Die Beschwerdeführerin nahm hierzu Stellung und legte ein in ihrem Auftrag erstattetes Privatgutachten eines Zivilrechtslehrers vor, das den Anspruch der Beschwerdeführerin aus § 826 BGB bejahte. Durch den in beiden Verfassungsbeschwerden angegriffenen Beschluss vom 6. August 2007 wies das Oberlandesgericht Köln die Berufung der Beschwerdeführerin nach § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Dabei nahm es auf die vorangegangenen Beschlüsse vom 14. Mai 2007 und vom 9. Juli 2007 Bezug und führte aus, dass die Stellungnahme der Beschwerdeführerin keine abweichende Beurteilung rechtfertige.
Die daraufhin von der Beschwerdeführerin erhobene Anhörungsrüge nach § 321a ZPO hatte ebenfalls keinen Erfolg und wurde durch den im Verfahren 2 BvR 2162/07 angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 12. September 2007 als unbegründet zurückgewiesen.
II.
Die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin sieht sich im Verfahren 2 BvR 2271/07 durch das Urteil des Landgerichts Köln und den Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 6. August 2007 im Wesentlichen in Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Ihre Gehörsrüge begründet sie damit, dass sich die Gerichte nicht mit zentralen Beweismitteln zum fehlenden Aufenthalt des Beklagten des Ausgangsverfahrens in Deutschland auseinandergesetzt hätten. Es handele sich bei dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 6. August 2007 zudem um eine Überraschungsentscheidung, da das vorgelegte Gutachten nicht gewürdigt worden sei. Ihrem Recht auf wirkungsvollen Rechtsschutz stehe entgegen, dass das Oberlandesgericht Köln das Urteil des Landgerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht ausreichend kontrolliert habe. Beide Gerichte hätten die Auskunft des föderalen Sicherheitsdienstes über die Grenzübergänge des Beklagten im Ausgangsverfahren nicht gewürdigt.
Im Verfahren 2 BvR 2162/07 macht die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG (prozessuales Willkürverbot) und Art. 103 Abs. 1 GG durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Köln vom 6. August 2007 und vom 12. September 2007 geltend.
III.
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen nach § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt. Die Verfassungsbeschwerden haben weder grundsätzliche Bedeutung noch ist ihre Annahme zur Entscheidung zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG bezeichneten Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig.
a) Zwar kann sich die Beschwerdeführerin als ausländischer Staat vor deutschen Gerichten zumindest auf Art. 103 Abs. 1 GG berufen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass sich juristische Personen des öffentlichen Rechts jedenfalls auf die grundrechtsgleichen Rechte der Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 103 Abs. 1 GG berufen können (vgl. BVerfGE 61, 82 ≪104≫; 75, 192 ≪200≫). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch ungeklärt ist allerdings die Frage, ob ein ausländischer Staat auch eine Verletzung der von der Beschwerdeführerin ebenfalls gerügten Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG geltend machen kann. Die Zweifel an der umfassenden Antragsberechtigung der Beschwerdeführerin können jedoch dahinstehen, da die Verfassungsbeschwerden jedenfalls aus anderen Gründen unzulässig sind.
b) Im Verfahren 2 BvR 2271/07 hat die Beschwerdeführerin durch ihre Bevollmächtigten die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten nicht hinreichend substantiiert nach § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG dargetan.
aa) Eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch das Urteil des Landgerichts Köln und den Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 6. August 2007 ist nicht ersichtlich.
(1) Soweit die Beschwerdeführerin durch ihre Bevollmächtigten die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts Köln, insbesondere das Übergehen von Beweismitteln zum Aufenthalt des Beklagten des Ausgangsverfahrens, rügt und die inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts Köln geltend macht, verkennt sie den Schutzbereich von Art. 103 Abs. 1 GG. Dieser verpflichtet das Gericht, Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin zu folgen (vgl. BVerfGE 64, 1 ≪12≫; 87, 1 ≪33≫). Art. 103 Abs. 1 GG garantiert weder die Richtigkeit der getroffenen tatsächlichen Feststellungen (vgl. BVerfGE 76, 93 ≪98≫) noch eine ordnungsgemäße Subsumtion und Entscheidungsbegründung (vgl. BVerfGE 65, 293 ≪295≫) und schützt auch nicht davor, dass das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt bleibt (vgl. BVerfGE 21, 191 ≪194≫; 70, 288 ≪294≫).
(2) Soweit die Beschwerdeführerin durch ihre Bevollmächtigten vorträgt, es handele sich bei dem Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 6. August 2007 um eine Überraschungsentscheidung, weil das von ihr vorgelegte Privatgutachten eines Zivilrechtslehrers zu Fragen des Bestehens eines Anspruchs aus § 826 BGB nicht gewürdigt worden sei, kann sie auch damit keine Gehörsverletzung begründen. Zwar verbietet die in Art. 103 Abs. 1 GG niedergelegte Pflicht der Gerichte, den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu entscheidungserheblichen Fragen einzuräumen, “Überraschungsentscheidungen”. Diese setzen allerdings voraus, dass sie sich ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützen, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Beteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte. Eine Überraschungsentscheidung setzt eine gravierende Enttäuschung prozessualen Vertrauens voraus (vgl. BVerfGE 84, 188 ≪190≫; 86, 133 ≪144≫; 98, 218 ≪263≫). Vorliegend hat das Oberlandesgericht Köln jedoch auf seine Einschätzung der entscheidungserheblichen Fragen in zwei Beschlüssen vom 14. Mai 2007 und vom 9. Juli 2007 hingewiesen. Die Beschwerdeführerin durfte es zwar für möglich halten, das Oberlandesgericht Köln durch das von ihr vorgelegte Privatgutachten von ihrem rechtlichen Standpunkt zu überzeugen, aus Sicht eines gewissenhaften und kundigen Beteiligten durfte sie aber nicht darauf vertrauen.
bb) Eine Verletzung des für zivilrechtliche Streitigkeiten allein aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und nicht aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anspruchs auf wirkungsvollen Rechtsschutz (vgl. BVerfGE 54, 277 ≪291≫; 93, 99 ≪107≫) erschließt sich aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin durch ihre Bevollmächtigten, das Oberlandesgericht Köln habe das vorinstanzliche Urteil in seinem Beschluss vom 6. August 2007 nicht ausreichend kontrolliert, ebenfalls nicht. Im Ergebnis greift sie auch hier die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts und die inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts an. Sie hätte aber darlegen müssen, dass das Oberlandesgericht ihr den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert habe (vgl. BVerfGE 74, 228 ≪234≫), indem es etwa § 522 Abs. 2 ZPO willkürlich ausgelegt und angewendet habe (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. Mai 2007 – 1 BvR 624/03 –; JURIS, Rn. 16).
c) Im Verfahren 2 BvR 2162/07 fehlt es am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin.
aa) Der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 12. September 2007 ist nicht mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar. Die Entscheidung nach § 321a ZPO, mit der das Gericht die Fortführung des Verfahrens ablehnt, schafft keine eigenständige Beschwer (vgl. für die Entscheidung nach § 33a StPO BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. März 2007 – 2 BvR 547/07 –; JURIS, Rn. 8). Sie lässt allenfalls eine bereits eingetretene Verletzung rechtlichen Gehörs fortbestehen, indem die gesetzlich vorgesehene, der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts dienende “Selbstkorrektur” durch das Fachgericht unterbleibt (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl. 2008, § 321a Rn. 2). Da die Beschwerdeführerin vor dem Bundesverfassungsgericht – wie das Verfahren 2 BvR 2271/07 unterstreicht – die Ausgangsentscheidung angreifen und auf die gerügte Gehörsverletzung hin überprüfen kann, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis an einer zusätzlichen Überprüfung der Entscheidung nach § 321a ZPO. Es gelten insoweit keine anderen Grundsätze als diejenigen, nach denen sich die Anfechtbarkeit von Zwischenentscheidungen richtet (vgl. BVerfGE 1, 322 ≪324 f.≫; 21, 139 ≪143 f.≫; 24, 56 ≪61≫ m.w.N.).
bb) Auch im Übrigen fehlt es am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin, da der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 6. August 2007 bereits mit der zeitlich früher eingelegten Verfassungsbeschwerde im Verfahren 2 BvR 2271/07 angegriffen wurde.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Di Fabio, Landau
Fundstellen