Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Zusammenspiel der Rechtsschutzsysteme nach nationalem Patentrecht und Europäischem Patentübereinkommen (EPÜ).
1. Die Beschwerdeführerin ist eine im Jahr 2002 gegründete Kapitalgesellschaft nach Schweizer Recht. Hauptsitz sowie Produktions- und Fertigungsstätten liegen in Genf. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin besteht in der Entwicklung, Herstellung und dem Vertrieb von Röntgengeräten, die sich durch den Einsatz einer besonderen Linse auszeichnen.
Das Patent für diese Linse (im Folgenden: Streitpatent) wurde im Jahr 1991 von der Beklagten des Ausgangsverfahrens, einem US-amerikanischen Wettbewerber der Beschwerdeführerin, beim Europäischen Patentamt angemeldet und im Jahr 1998 auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für die Beklagte eingetragen. Gegen dieses Streitpatent legte noch im selben Jahr ein heute bei der Beschwerdeführerin beschäftigter Erfinder Einspruch ein, mit dem er geltend macht, die Lehre des Streitpatents bereits im Jahr 1990 veröffentlicht zu haben. Das Europäische Patentamt erhielt das Streitpatent mit Entscheidung vom 1. Februar 2005 in abgeänderter Form aufrecht. Die Beschwerdeführerin erwartet eine weitere Verzögerung der Rechtskraft dieser Entscheidung durch das Beschreiten des Beschwerdeweges seitens beider Parteien des Einspruchsverfahrens. Sie selbst war und ist an dem Einspruchsverfahren nicht beteiligt.
2. Im Jahr 2002 wurde die Beschwerdeführerin durch die Beklagte im Wege einer so genannten Berechtigungsanfrage auf das ihrer Geschäftspraxis entgegenstehende Streitpatent hingewiesen. Da die Beschwerdeführerin keine Möglichkeit sah, dem bereits anhängigen Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt beizutreten, erhob sie im Jahr 2004 – neben parallelen Nichtigkeitsklagen in England, Frankreich und den Niederlanden – Klage auf Nichtigerklärung des deutschen Teils des Streitpatents vor dem Bundespatentgericht, um auf diese Weise einem etwaigen gegen sie gerichteten Verletzungsverfahren durch die Beklagte zuvorzukommen und durch eine frühzeitige Klärung der patentrechtlichen Situation Investitionssicherheit für den deutschen Markt zu erzielen.
Das Bundespatentgericht wies die Klage mit Urteil vom 21. Dezember 2004 ab (veröffentlicht in GRUR 2005, S. 498). Die Nichtigkeitsklage sei gemäß § 81 Abs. 2 PatG unzulässig, solange das europäische Einspruchsverfahren anhängig sei. Die Berufung wies der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 12. Juli 2005 zurück (GRUR 2005, S. 967). Die Subsidiaritätsregel des § 81 Abs. 2 PatG vermeide die Gefahr von widersprüchlichen Entscheidungen bei Parallelverfahren auch hinsichtlich des europäischen Einspruchsverfahrens und entlaste zugleich das Bundespatentgericht. Dies gelte jedenfalls für Nichtigkeitsklagen, die nur auf Nichtigkeitsgründe gestützt würden, die zugleich Einspruchsgründe nach Art. 100 EPÜ seien. Eine unzulässige Beeinträchtigung der prozessualen Rechte der Beschwerdeführerin, die an dem in Bezug genommenen europäischen Einspruchsverfahren selbst nicht beteiligt sei, liege darin nicht. Das Rechtsschutzsystem des Europäischen Patentübereinkommens genüge dem Standard, der bei der Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 24 Abs. 1 GG zu beachten sei.
3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihres verfassungsrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG. Mit einer rechtskräftigen Entscheidung im als vorgreiflich erachteten europäischen Einspruchsverfahren sei erfahrungsgemäß nicht vor dem Jahr 2008 zu rechnen. Die Abweisung ihrer Nichtigkeitsklage als unzulässig nach § 81 Abs. 2 PatG beraube sie ihrer einzigen Möglichkeit, innerhalb angemessener Zeit die Patentlage in Deutschland klären zu lassen und damit die Grundlage für ihr weiteres wirtschaftliches Engagement zu legen. Diese Rechtsschutzverweigerung beeinträchtige auch ihre Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Es sei deshalb geboten, die Vorschrift des § 81 Abs. 2 PatG dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass sie im Hinblick auf das europäische Einspruchsverfahren nicht gelte.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫).
1. Die Vorschrift des § 81 Abs. 2 PatG selbst ist nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde. § 81 Abs. 2 PatG soll widersprüchliche Entscheidungen bei parallelen Verfahren über den Rechtsbestand eines Patents vermeiden, wobei dem Einspruchsverfahren der Vorrang gebührt, um das Bundespatentgericht zu entlasten (vgl. Schulte, Patentgesetz, 7. Aufl. 2005, § 81 Rn. 39). Dies gilt – worauf der Bundesgerichtshof in der angegriffenen Entscheidung zu Recht hinweist – umso mehr, als ein Patent in einem Einspruchsverfahren einen Inhalt erhalten kann, dem der in einem parallelen Nichtigkeitsverfahren geltend gemachte Stand der Technik nicht entgegensteht, obwohl er in einem vor Abschluss des Einspruchsverfahrens durchgeführten Nichtigkeitsverfahren zur Nichtigerklärung des Patents in seiner ursprünglich erteilten Fassung führen könnte (vgl. BPatGE 45, 190 ≪191≫). Der Vorrang des Einspruchsverfahrens beschränkte sich schon bisher nicht auf Einsprüche, die vor dem deutschen Marken- und Patentamt anhängig gemacht wurden, sondern bezog auch das Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt mit ein (vgl. BPatG, Urteil vom 7. März 2002, 3 Ni 11/01 ≪EU≫ – JURIS; BPatGE 45, 190 ≪191≫).
Der Sache nach angegriffen ist vielmehr allein das mittelbar gerügte, im Ausgangsverfahren als vorgreiflich erachtete Rechtsschutzsystem des Europäischen Patentübereinkommens.
2. Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG ist diesbezüglich nicht gegeben. Die aufgeworfenen Fragen zum Grundrechtsschutz gegenüber supranationalen Organisationen sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt (vgl. BVerfGE 73, 339 ≪387≫; 89, 155 ≪174 f.≫; 102, 147 ≪162 ff.≫; speziell zum Rechtsschutzsystem des Europäischen Patentübereinkommens vgl. BVerfG, 4. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 4. April 2001 – 2 BvR 2368/99 –, NJW 2001, S. 2705; BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 28. November 2005 – 2 BvR 1751/03 –, JURIS).
3. Die Annahme ist auch nicht nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist unzulässig.
a) Die Beschwerdeführerin trägt nicht hinreichend substantiiert vor, dass der Grundrechtsschutz auf dem Gebiet des Europäischen Patentübereinkommens nicht den Anforderungen des Grundgesetzes entspricht; das Bundesverfassungsgericht übt seine Gerichtsbarkeit daher nicht aus.
aa) Die Gewährleistung des Grundrechtsschutzes gegenüber Akten einer supranationalen Organisation ist nicht auf die Europäischen Gemeinschaften beschränkt. Die Europäische Patentorganisation ist eine supranationale Organisation im Sinne von Art. 24 Abs. 1 GG, der Hoheitsrechte zur Ausübung übertragen sind. Das Rechtsschutzsystem des Europäischen Patentübereinkommens entspricht dabei dem Standard, der bei der Übertragung von Hoheitsrechten gemäß Art. 24 Abs. 1 GG gewahrt sein muss (vgl. BVerfG, 4. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 4. April 2001 – 2 BvR 2368/99 –, NJW 2001, S. 2705; BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 28. November 2005 – 2 BvR 1751/03 –, JURIS; sowie im Hinblick auf Art. 6 EMRK Europäische Kommission für Menschenrechte, Beschluss vom 9. September 1998, Beschwerde 38817/97 – Lenzing AG/Vereinigtes Königreich).
bb) Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, dass das Einspruchsverfahren nach dem Europäischen Patentübereinkommen das vom Grundgesetz geforderte Maß an effektivem Rechtsschutz generell und offenkundig unterschreitet (vgl. BVerfGE 73, 339 ≪387≫; 102, 147 ≪164≫). Die von der Beschwerdeführerin pauschal aufgestellte Behauptung, das europäische Einspruchsverfahren sei von unangemessen langer Dauer, wird weder durch allgemeine noch auf den konkreten Fall bezogene Ausführungen zu den Gründen der behaupteten Verfahrensverzögerung unterlegt. Es fehlt bereits an einer Darstellung des bloßen Verfahrensablaufs. Der Rügevortrag entfaltet daher nicht das erforderliche Gewicht, um Zweifel daran zu wecken, dass das Niveau des vom Grundgesetz gewährleisteten Grundrechtsschutzes auch im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt strukturell erreicht wird. Dies gilt angesichts der grundsätzlich bestehenden Optionen des Verfahrensbeitritts sowie der Angabe von Druckschriften auch bezüglich nicht am Einspruchsverfahren beteiligter Dritter wie der Beschwerdeführerin (vgl. § 59 Abs. 2, Abs. 3 i.V.m. § 43 Abs. 3 Satz 3 PatG; Art. 115 EPÜ; Schulte, a.a.O., § 59 Rn. 6, 142, 232).
b) Auf die Fragen der Beschwerdefähigkeit und Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin als ausländischer juristischer Person des Privatrechts sowie das Vorliegen einer von Art. 19 Abs. 4 GG vorausgesetzten subjektiven Rechtsposition kommt es nach all dem nicht mehr an.
4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Gaier
Fundstellen
NJW 2006, 2544 |
GRUR 2006, 569 |
Mitt. 2006, 313 |