Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Beschluss vom 07.01.2009; Aktenzeichen 3 U 1620/08) |
OLG Nürnberg (Beschluss vom 24.11.2008; Aktenzeichen 3 U 1620/08) |
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 16.07.2008; Aktenzeichen 3 O 4125/08) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde, die sich gegen Entscheidungen des Land- und Oberlandesgerichts in einem Patentverletzungsverfahren richtet, ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie ist teilweise schon unzulässig und, soweit zulässig, ohne sachliche Erfolgsaussicht.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist mangels Beschwerdebefugnis unzulässig, soweit die Beschwerdeführerin als gewillkürte Prozessstandschafterin für die Patentinhaberin eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG) rügt (vgl. BVerfGE 31, 275 ≪280≫; 72, 122 ≪131≫).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist hingegen zulässig, soweit die Beschwerdeführerin als Beteiligte des Ausgangsverfahrens eine Verletzung ihres eigenen Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht (vgl. BVerfGE 82, 286 ≪295 f.≫; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Bd. 2, § 90 Rn. 362 [Februar 2007]).
3. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, fehlt es an der Erfolgsaussicht in der Sache. Die Beschwerdeführerin ist durch das Nichteinholen eines Sachverständigengutachtens (a) und durch den unterbliebenen Hinweis auf die nunmehr prozessuale Begründung der Berufungszurückweisung (b) nicht (mehr) in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
a) Art. 103 Abs. 1 GG gebietet in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines solchen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 69, 141 ≪143 f.≫; stRspr). Art. 103 Abs. 1 GG schützt hingegen nicht davor, dass das Gericht dem Vortrag der Beteiligten in materiellrechtlicher Hinsicht nicht die richtige Bedeutung beimisst (vgl. BVerfGE 76, 93 ≪98≫).
Die Beschwerdeführerin betont in ihrer Anhörungsrüge selbst, die Auslegung eines Patents sei eine Rechtsfrage und müsse vom angerufenen Gericht eigenständig vorgenommen werden (vgl. dazu auch BGHZ 160, 204 ≪212≫; BGH, Urteil vom 17. April 2007 – X ZR 1/05 –, GRUR 2007, S. 959 ≪961≫). Folgerichtig wendet sich die Beschwerdeführerin in der Anhörungsrüge nicht gegen die unterlassene Beweiserhebung, sondern nur gegen die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts. Zu deren Überprüfung dient jedoch weder das Anhörungsrügen-, noch das Verfassungsbeschwerde-Verfahren.
b) Auf einer Überraschungsentscheidung des Oberlandesgerichts, die darin gesehen werden könnte, dass das Oberlandesgericht entgegen seinem Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Berufung nicht aus materiellrechtlichen, sondern aus prozessualen Gründen zurückgewiesen hat, beruhen die angegriffenen Entscheidungen jedenfalls nicht.
aa) Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern (vgl. BVerfGE 60, 175 ≪210, 211 f.≫; 64, 135 ≪143≫; 65, 227 ≪234≫). Dabei kann es in besonderen Fällen auch geboten sein, die Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will. Es kann im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte. Auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss jedoch ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (vgl. BVerfGE 86, 133 ≪144 f.≫; 98, 218 ≪263≫).
Eine gerichtliche Entscheidung kann nur dann wegen Verstoßes gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aufgehoben werden, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Anhörung des Beteiligten zu einer anderen, ihm günstigeren Entscheidung geführt hätte; nur dann beruht die Entscheidung darauf, dass der Beteiligte nicht gehört wurde (vgl. BVerfGE 7, 239 ≪241≫; 13, 132 ≪145≫; 52, 131 ≪152 f.≫; 89, 381 ≪392 f.≫).
Ein Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör kann geheilt werden, wenn das Gericht in der Lage ist, das nunmehr zur Kenntnis genommene Vorbringen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 5, 22 ≪24≫; 62, 392 ≪397≫; 73, 322 ≪326 f.≫; 107, 395 ≪411 f.≫). Dies ist im Verfahren der Anhörungsrüge jedenfalls dann der Fall, wenn das Gericht durch Ausführungen zur Rechtslage den gerügten Gehörsverstoß beseitigen kann, insbesondere indem es rechtliches Vorbringen nunmehr (erstmals) zur Kenntnis nimmt und bescheidet oder auch an einer in der vorangegangenen Entscheidung überraschend eingenommenen Rechtsposition unter Angabe von Gründen festhält. Hat sich das Gericht in einem solchen Fall eine abschließende Meinung gebildet, kann das Bundesverfassungsgericht davon ausgehen, dass eine für den Beteiligten günstigere Lösung ausgeschlossen ist, die Entscheidung also nicht auf der Gehörsverletzung beruht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 – 1 BvR 182/09 –, juris Rn. 27). Ob die Rechtsmeinung des Gerichts fachrechtlich zutrifft, ist, jedenfalls im Rahmen der Rüge einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, nicht vom Bundesverfassungsgericht zu überprüfen.
bb) Ob hier die Beschwerdeführerin von sich aus damit hätte rechnen müssen, dass das Berufungsgericht den mit einer neuen Rechtsbegründung unterlegten Hilfsantrag („äquivalente Patentverletzung”) als in der zweiten Instanz unzulässige Klageänderung zurückweisen würde, kann offen bleiben.
Jedenfalls beruhen die angegriffenen Entscheidungen nicht auf einem unterlassenen Hinweis. Im Beschluss über die Anhörungsrüge setzt sich das Oberlandesgericht mit der Argumentation der Beschwerdeführerin in ihrer Anhörungsrüge auseinander, der Hinweis auf eine äquivalente Patentverletzung stelle keine Klageänderung, sondern eine Hilfsbegründung des bereits erstinstanzlich gestellten Antrags dar. In diesem Zusammenhang grenzt das Gericht auch die von der Beschwerdeführerin angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom Streitfall ab. Sollte die Beschwerdeführerin also durch die Berufungszurückweisung in verfassungsrechtlich erheblicher Weise „überrascht” worden sein, so hätte sie im Verfahren der Anhörungsrüge noch hinreichend Gelegenheit erhalten, ihre abweichende Auffassung darzulegen und hierzu eine Stellungnahme des Oberlandesgerichts zu erhalten. Ob das Oberlandesgericht in diesem Punkt zivilprozessrechtlich richtig verfahren ist, ist im Hinblick auf die Rüge einer Gehörsverletzung nicht zu prüfen. Es ist somit davon auszugehen, dass eine für die Beschwerdeführerin günstigere Lösung ausgeschlossen ist, die Entscheidung also nicht auf der (unterstellten) Gehörsverletzung beruht.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Bryde, Schluckebier
Fundstellen