Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 30.11.2001; Aktenzeichen 5 S 2046/01) |
VG Karlsruhe (Urteil vom 13.07.2001; Aktenzeichen 8 K 1632/98) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Einordnung des Straßenverkaufs von Sonntagszeitungen als erlaubnispflichtige Sondernutzung an öffentlichen Straßen.
I.
Die Beschwerdeführerin ist Teil des Vertriebsnetzes des Axel Springer Verlags für Sonntagszeitungen. Sie liefert die Zeitungen “Bild am Sonntag”, “Welt am Sonntag” und “Euro am Sonntag” an ambulante Straßenverkäufer, die die Zeitungen im Auftrag der Beschwerdeführerin aus mitgeführten Tragetaschen an Passanten verkaufen. Angesichts der gegenüber Werktagen geringeren Anzahl fester Verkaufsstellen für Sonntagszeitungen hat diese Vertriebsform für den Absatz von Sonntagszeitungen erhebliche Bedeutung.
Die Stadt Mannheim erließ am 21. Februar 1995 eine Satzung über Sondernutzungen an öffentlichen Straßen. Darin heißt es:
§ 2. Sondernutzungen
Sondernutzung ist jede Benutzung der Straße über den gemeinen Gebrauch hinaus, sofern dieser dadurch beeinträchtigt wird oder beeinträchtigt werden kann.
§ 3. Erlaubnispflicht
(1) Sondernutzungen bedürfen vorbehaltlich des § 4 der Erlaubnis der Stadt Mannheim entsprechend § 16 Straßengesetz.
§ 7 der Satzung sieht für Sondernutzungen eine Gebührenpflicht nach Maßgabe des Gebührenverzeichnisses vor. Nach Ziff. 4.7 dieses Verzeichnisses fällt für “sonstigen Straßenverkauf von kurzfristiger Dauer” eine Gebühr in Höhe von 80 bis 160 DM täglich an. Für Fußgängerzonen gilt ergänzend die Satzung über Sondernutzungen in der Fußgängerzone der Innenstadt vom 21. Mai 1985 in der Fassung vom 19. Oktober 1999.
Seit Frühjahr 1998 wurden die Straßenverkäufer der Beschwerdeführerin wiederholt aufgefordert, den Zeitungsverkauf zu unterlassen. Die Stadtverwaltung Mannheim teilte mit Schreiben vom 3. Juni 1998 mit, der Straßenverkauf sei als Sondernutzung im Sinne von § 16 Abs. 1 des Straßengesetzes des Landes Baden-Württemberg (StrG) anzusehen und daher erlaubnispflichtig; ein etwaiger Antrag auf eine solche Erlaubnis würde gegebenenfalls abschlägig beschieden.
Die Beschwerdeführerin erhob daraufhin Feststellungsklage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe dahin, dass der Straßenverkauf von Sonntagszeitungen am Sonntag aus einer vom Verkäufer mitgeführten Umhängetasche im Bereich der Stadt Mannheim in Fußgängerzonen, auf Bürgersteigen, im Zentrum und in zentral gelegenen Stadtteilbereichen sowie in Parks und auf Fußgängerplätzen keine erlaubnispflichtige Sondernutzung an öffentlichen Straßen darstellt.
Diese Klage wies das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit dem angegriffenen Urteil vom 13. Juli 2001 ab.
Zur Begründung führt es aus, die von der Klägerin beabsichtigte Straßennutzung gehöre nicht mehr zum Gemeingebrauch im Sinne von § 13 Abs. 1 StrG und sei daher erlaubnispflichtige Sondernutzung im Sinne des § 16 Abs. 1 StrG. Maßgeblich für den Gemeingebrauch sei der Widmungszweck, nämlich der Gebrauch der Straße zum öffentlichen Verkehr. Dazu gehöre außer der Fortbewegung und dem Aufenthalt im Straßenraum die Begegnung und Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern, so dass etwa Diskussionen und das Verteilen von Flugblättern vom Gemeingebrauch erfasst seien. Eine ausschließlich kommerzielle Nutzung der Straße ohne kommunikative Zwecksetzung überschreite jedoch den Gemeingebrauch. Ein solcher Fall liege hier vor. Die Beschwerdeführerin übe hier nicht ihr Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus, da es ihr nicht darum gehe, für die in den Zeitungen vertretenen Meinungen zu werben und diese zu verbreiten. Das Grundrecht der Pressefreiheit, der die Tätigkeit der Beschwerdeführerin unterfalle, erfordere es nicht, den Straßenverkauf erlaubnisfrei zuzulassen. Zu berücksichtigen sei nämlich, dass es im vorliegenden Fall nicht um die Ausübung des Ermessens bei der Erlaubniserteilung gemäß § 16 Abs. 1 StrG, sondern darum gehe, ob bereits der Vorbehalt der Erlaubnis selbst als verfassungswidrig anzusehen sei. Der Vorbehalt an sich begegne jedoch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf den Schutz der Pressefreiheit, da er deren Ausübung nicht unverhältnismäßig beeinträchtige.
Das Erfordernis einer vorgängigen Einholung einer Erlaubnis löse typischerweise keine unverhältnismäßigen organisatorischen Hindernisse aus; die insoweit anfallenden Gebühren seien als eigenständige Belastung nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Gegenüber den Belangen der Beschwerdeführerin seien die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu berücksichtigen. Grundsätzlich gehöre es nicht zur Funktion eines öffentlichen Verkehrsweges, als weiterer Verkaufsraum neben bereits vorhandenen Ladengeschäften zur Verfügung zu stehen. Der rein kommerzielle Straßenverkauf berühre regelmäßig auch die Geschäftsinteressen konkurrierender Gewerbetreibender, die angesichts hoher Mieten ein Interesse daran hätten, dass die Straße nicht von Konkurrenzunternehmen genutzt werde. Außerdem könnte der Zeitungsverkauf auf Bürgersteigen entlang befahrbarer Straßen auch das Interesse von Autofahrern wecken und dadurch die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gefährden.
Die Berufung gegen dieses Urteil ließ der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 30. November 2001 nicht zu.
Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg und das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe richtet sich die Verfassungsbeschwerde. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
Der Erlaubnisvorbehalt sei ein Eingriff in die Pressefreiheit. Die in § 16 Abs. 1 StrG enthaltene, an sich verfassungsgemäße Grundrechtsschranke sei als allgemeines Gesetz verfassungskonform auszulegen. Die Pressefreiheit dürfe von derartigen Vorschriften nicht mehr als unvermeidlich und nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. Das in § 16 Abs. 2 StrG eröffnete Ermessen ermögliche es den Behörden jedoch, den Handverkauf von Zeitungen von der Zahlung einer Sondernutzungsgebühr abhängig zu machen oder ihn sogar ganz zu untersagen, was die Stadt Mannheim mit ihrem Schreiben vom 3. Juni 1998 bereits angekündigt habe.
Der Anfall einer Gebühr in Höhe von 80 bis 160 DM pro Straßenverkäufer übersteige deutlich den durchschnittlichen Tagesgewinn je Verkäufer. Damit sei der Vertrieb von Sonntagszeitungen durch ambulante Straßenverkäufer nicht mehr wirtschaftlich. Eine Verallgemeinerung auf das Bundesgebiet würde angesichts des zu erwartenden Absatzeinbruchs um bis zu 30 % zu einer Bestandsgefährdung führen.
Zum Schutz anderer Rechtsgüter sei der Erlaubnisvorbehalt nicht erforderlich. Allgemeine ordnungsrechtliche Gesichtspunkte geböten den Erlaubnisvorbehalt nicht. Der Straßenverkauf führe auch nicht zu unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen der Belange anderer Verkehrsteilnehmer. Insbesondere sei es den ambulanten Straßenverkäufern untersagt, Passanten gezielt anzusprechen oder die Zeitungen auszurufen. Zudem sei ein genereller Erlaubnisvorbehalt auch zur Unterbindung solcher Verkaufsmethoden nicht erforderlich, da insoweit auch ein Erlaubnisvorbehalt für bestimmte Werbetätigkeiten ausreichen würde. Daher sei § 16 Abs. 1 StrG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Handverkauf von Zeitungen nicht schlechter gestellt werde als eine äußerlich ähnliche Benutzung zu anderen Zwecken, wie etwa die Verteilung von Flugblättern. Nach Auffassung der ordentlichen Gerichte und einiger Oberverwaltungsgerichte sei der Handverkauf grundsätzlich als Gemeingebrauch einzustufen.
II.
Die Stadt Mannheim hat zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Sie erkennt keinen Verfassungsverstoß. Die Möglichkeiten des Verkaufs über feste Verkaufsstellen seien ausreichend, zumal angesichts jüngerer Ausweitungen des Sonntagsverkaufs durch das baden-württembergische Ladenöffnungsgesetz (GBl vom 5. März 2007, S. 135 ff.). Der Erlaubnisvorbehalt diene auch dazu, das “knappe Gut öffentlicher Straßen” bei miteinander in Konflikt geratenen Nutzungsinteressen mit verschiedenen grundrechtlich geschützten Belangen in Einklang zu bringen. Nur dann, wenn besondere Versagungsgründe entgegenstünden, werde eine Sondernutzungserlaubnis nicht erteilt.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.
1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil Schutzbereich und Grenzen der Pressefreiheit in einer für die Beurteilung des vorliegenden Falles ausreichenden Weise durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt sind (vgl. insbesondere BVerfGE 57, 295; 66, 116; 97, 391; 100, 313).
2. Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt.
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist das bloße Bestehen eines Erlaubnisvorbehalts, nicht aber die etwaige Versagung einer gegebenenfalls noch zu beantragenden Erlaubnis oder die für ein Erlaubnisverfahren festzusetzende Verwaltungsgebühr. Die gegen das Bestehen des Erlaubnisvorbehalts gerichtete Verfassungsbeschwerde hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht verletzt.
a) Der Gewährleistungsbereich der Pressefreiheit ist allerdings berührt. Dieses Grundrecht sichert die Voraussetzungen und Hilfstätigkeiten für die Herstellung und Aufrechterhaltung des auf Verwirklichung der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit gerichteten Kommunikationsprozesses (vgl. BVerfGE 57, 295 ≪319≫; 97, 391 ≪399≫; 100, 313 ≪365≫). Die Tätigkeit der Presse fällt damit von der Beschaffung von Informationen bis zur Verbreitung der Nachricht in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 10, 118 ≪121≫; 66, 116 ≪133≫; stRspr). Auch inhaltsferne pressetechnische Hilfstätigkeiten, einschließlich der Tätigkeiten zur Erhaltung der wirtschaftlichen Grundlagen der Unabhängigkeit des Presseunternehmens als notwendige Voraussetzung einer freien Presse (BVerfGE 64, 108 ≪114≫), sowie solche von Dritten selbständig ausgeübte Tätigkeiten, die typischerweise pressebezogen sind, in enger organisatorischer Bindung an die Presse erfolgen und für das Funktionieren einer freien Presse notwendig sind, werden vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst (BVerfGE 77, 346 ≪354≫).
Der Straßenverkauf von Zeitungen ist typischerweise pressebezogen und erfolgt bei der vorliegend geplanten Nutzung des Vertriebsnetzes des Verlages auch in enger organisatorischer Bindung an die Presse. Der Vertrieb von Presseerzeugnissen gehört zu den für das Funktionieren einer freien Presse notwendigen Tätigkeiten, und zwar sowohl im Hinblick auf die Verbreitung von Nachrichten als Teil des Kommunikationsprozesses selbst als auch im Hinblick auf die Erhaltung der wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Bestand einer freien Presse.
b) Die Entscheidungen der Gerichte greifen in dieses Grundrecht ein.
Das von den Gerichten bejahte Erfordernis, vor Aufnahme des Straßenverkaufs um eine Erlaubnis der Stadt Mannheim nachzusuchen, erschwert – auch dann, wenn ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Erlaubnis besteht – den Vertrieb der Zeitungen auf dem von der Beschwerdeführerin gewählten Weg. Die darin liegende Beeinträchtigung ist ein Eingriff in das Grundrecht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Oktober 1991 – 1 BvR 1377/91 –, NVwZ 1992, S. 53; siehe auch Beschluss des Vorprüfungsausschusses vom 22. Dezember 1976 – 1 BvR 306/76 –, NJW 1977, S. 671).
c) Der Eingriff ist verfassungsrechtlich auf der Grundlage des § 16 Abs. 1 StrG gerechtfertigt.
aa) Die Pressefreiheit ist gemäß Art. 5 Abs. 2 GG durch die allgemeinen Gesetze beschränkt. Dies sind solche Gesetze, die sich nicht gegen das in Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht an sich oder gegen die Äußerung einer bestimmten Meinung oder gegen die Tätigkeit eines bestimmten Presseorgans richten, die vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf bestimmte Kommunikationsinhalte, zu schützenden Rechtsguts dienen. Die allgemeinen Gesetze müssen ihrerseits unter Berücksichtigung des Schutzgehalts von Art. 5 Abs. 1 GG ausgelegt und angewandt werden (vgl. BVerfGE 111, 147 ≪155≫; stRspr).
§ 16 Abs. 1 StrG ist ein allgemeines Gesetz in diesem Sinne (vgl. zur Vorgängerregelung in § 18 a.F. des baden-württembergischen Straßengesetzes BVerfG, Beschluss des Vorprüfungsausschusses vom 22. Dezember 1976 – 1 BvR 306/76 –, NJW 1977, S. 671, zur hamburgischen Regelung BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Oktober 1991 – 1 BvR 1377/91 –, NVwZ 1992, S. 53). Schutzzweck des Erlaubnisvorbehalts ist es insbesondere, Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs möglichst auszuschließen oder doch erheblich zu mindern (vgl. BGH, NJW 1979, S. 1610 f.; BVerwG, NJW 1978, S. 1933). Darüber hinaus soll dem Bedürfnis Rechnung getragen werden, beim Zusammentreffen gegenläufiger Straßennutzungsinteressen verschiedener Straßenbenutzer den erforderlichen Interessenausgleich zu schaffen (vgl. BVerwG, NJW 1981, S. 472). Damit geht es um die Abwehr von Gefahren, die nicht nur und nicht einmal typischerweise von der Ausübung der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG, sondern von allen möglichen Tätigkeiten ausgehen können. Dabei wirkt der straßenrechtliche Erlaubnisvorbehalt presseinhaltsneutral.
bb) Der Bedeutung der Pressefreiheit hat § 2 des baden-württembergischen Landespressegesetzes durch die Regelung Rechnung getragen, nach der die Pressetätigkeit einschließlich der Errichtung eines Verlagsunternehmens oder eines sonstigen Betriebes des Pressegewerbes nicht von irgendeiner Zulassung abhängig gemacht werden darf. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen diese Norm nicht angewandt haben und insofern davon ausgegangen sind, dass eine spezifische Art des Verkaufs einer Zeitung, hier der Straßenverkauf, von dieser Norm nicht erfasst ist (zur Reichweite der presserechtlichen Zulassungsfreiheit allgemein s. Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Aufl. 2006, Rn. 17 ff., 34 ff. zu § 2 LPG). Den aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt § 16 Abs. 1 StrG allerdings nur, wenn die Vorschrift dahin ausgelegt wird, dass die Erlaubnis für den hier in den Schutzbereich der Pressefreiheit fallenden Straßenverkauf von Zeitungen nur versagt werden darf, wenn dies zur Erreichung der von § 16 Abs. 1 StrG verfolgten Zwecke erforderlich und in Abwägung mit den Belangen der Pressefreiheit auch angemessen ist.
(1) Wird der Ausübung grundrechtlicher Befugnisse durch Gesetz ein Genehmigungsverfahren vorgeschaltet, so darf die Bestimmung der Voraussetzungen, unter denen eine Erlaubnis erteilt wird, nicht dem Belieben der Verwaltung überlassen bleiben (vgl. – am Beispiel der Verteilung von Informationsbriefen – BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Oktober 1991 – 1 BvR 1377/91 –, NVwZ 1992, S. 53). Erstreckt der Erlaubnistatbestand sich auf ein Verhalten, das unter einem besonderen Grundrechtsschutz, hier dem der Pressefreiheit, steht, ist ergänzend die Ausstrahlungswirkung dieses Grundrechts zu beachten. Dies erfordert vorliegend eine Berücksichtigung des Umstandes, dass der Zweck öffentlicher Straßen sich nicht in der Ermöglichung der Fortbewegung erschöpft, sondern grundsätzlich auch die Kontaktaufnahme und Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern umfasst. Auch wegen dieser grundrechtlichen Einwirkungen, aber auch aus allgemeinen rechtsstaatlichen Erwägungen muss sich in der Regel aus der Rechtsvorschrift selbst ergeben, von welchen Voraussetzungen die Erteilung der Erlaubnis abhängt oder aus welchen Gründen sie versagt werden darf (vgl. BVerfGE 20, 150 ≪158 ff.≫; 46, 120 ≪157≫; 49, 89 ≪145≫). Wann ein solcher Anspruch bei der Nutzung von Straßen für Kommunikationszwecke besteht, ist unter Berücksichtigung des Art. 5 Abs. 1 GG zu bestimmen. Mögliche Versagungsgrüde müssen presseinhaltsneutral sein. Die Erlaubnisnorm muss dem Betroffenen bei Vorliegen der Voraussetzungen ferner einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis gewähren (vgl. allgemein BVerfGE 58, 300 ≪347≫).
(2) Im vorliegenden Fall sind weder in § 16 StrG noch in den Satzungen der Stadt Mannheim die Voraussetzungen der Erteilung oder Versagung einer Sondernutzungserlaubnis ausdrücklich geregelt. Allerdings enthält § 16 Abs. 2 Satz 1 StrG die Maßgabe, dass hierüber “nach pflichtgemäßem Ermessen” zu entscheiden ist. Ferner regeln die Satzungen der Stadt Mannheim aufgrund einer Ermächtigung in § 16 Abs. 7 StrG in ihrem jeweiligen § 4 Tatbestände der erlaubnisfreien Sondernutzung, von denen die hier verfahrensgegenständliche Tätigkeit aber nicht erfasst ist.
Die Regelung ist einer Anwendung zugänglich, die verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Der Begriff des pflichtgemäßen Ermessens erlaubt eine Auslegung in dem Sinne, dass ein Anspruch auf die Erlaubniserteilung besteht, wenn die Versagung nicht zur Erreichung der von § 16 StrG verfolgten Zwecke erforderlich und unter Berücksichtigung des Grundrechts der Pressefreiheit angemessen ist. Mit dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 Satz 1 StrG ist diese Auslegung vereinbar, denn auch bei Anerkennung eines Anspruchs auf Erteilung der Erlaubnis unter den genannten Voraussetzungen entfällt das behördliche Ermessen nicht vollständig, es beschränkt sich nur auf die Fälle, in denen entweder die Sondernutzung nicht den grundrechtsrelevanten Bereich betrifft – etwa bei einer Sondernutzung durch öffentliche Stellen – oder in denen trotz Grundrechtsberührung nach dem genannten Maßstab ein Versagungsgrund besteht: Dann kann die Behörde nach ihrem Ermessen von dem Recht zur Versagung der Erlaubnis Gebrauch machen.
cc) Dies vorausgesetzt, genügt die Vorschrift den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Das Verwaltungsgericht durfte § 16 Abs. 1 StrG und die einschlägigen Satzungsvorschriften so deuten, dass die Tätigkeit der Beschwerdeführerin unter dem Vorbehalt der Sondernutzungserlaubnis steht.
Angesichts der grundlegenden Bedeutung der Pressefreiheit muss das grundrechtsbeschränkende Gesetz seinerseits im Lichte des beschränkten Grundrechts ausgelegt werden (vgl. BVerfGE 7, 198 ≪208≫; 82, 43 ≪50≫; 111, 147 ≪155≫). Die Einschränkung der Pressefreiheit muss geeignet sein, den mit dem Erlaubnisvorbehalt erstrebten Schutz zu bewirken, und der Erfolg, der damit erreicht wird, muss in angemessenem Verhältnis zu den Einbußen stehen, welche die Beschränkung der Pressefreiheit mit sich bringt.
(1) Der Erlaubnisvorbehalt dient legitimen Zwecken, nämlich der Wahrung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und der Koordination etwaiger verschiedener, unter Umständen durch Spezialgrundrechte gewährleisteter Nutzungsinteressen am Straßenraum.
Kein legitimes Interesse ist allerdings der vom Verwaltungsgericht angesprochene Schutz konkurrierender Gewerbetreibender angesichts von diesen entrichteter hoher Mieten in der Fußgängerzone von Mannheim. Derartigen Zwecken dient das Straßengesetz nicht.
(2) Der Erlaubnisvorbehalt ist zur Erreichung des Zwecks geeignet. Insoweit reicht es aus, wenn der verfolgte Zweck zumindest gefördert wird (vgl. BVerfGE 67, 157 ≪175 f.≫; 96, 10 ≪23≫). Der Erlaubnisvorbehalt ermöglicht es der zuständigen Behörde, etwa drohende Gefahren vor deren Eintritt zu prüfen und ihnen gegebenenfalls durch Versagung der Erlaubnis oder durch Auflagen entgegenzutreten oder verschiedene, einander widerstreitende Nutzungsinteressen zu einem sachgerechten Ausgleich zu bringen.
Das Verwaltungsgericht hat in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise festgestellt, dass Fallgestaltungen denkbar sind, in denen der Straßenverkauf von Sonntagszeitungen die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs oder andere Nutzungsinteressen beeinträchtigen könnte. Möglich erscheinen insbesondere Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs, etwa soweit das Gericht sich darauf stützt, Kraftfahrer könnten je nach den konkreten Gegebenheiten durch die Zeitungsverkäufer von der Beobachtung des Verkehrsgeschehens abgelenkt werden. Der Erlaubnisvorbehalt ermöglicht es, den Straßenverkauf in seiner konkret beabsichtigten Form auf derartige Gefahren hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu unterbinden oder nur mit Auflagen etwa für die Standorte der Zeitungsverkäufer zuzulassen.
Darüber hinaus kommt in Betracht, dass verschiedene, gleichzeitig beabsichtigte Nutzungen miteinander zu koordinieren sind. Auch insoweit sind Fälle denkbar, in denen eine andere Sondernutzung durch die Anwesenheit von Zeitungsverkäufern beeinträchtigt werden kann, so dass es einer Vorabkoordination bedarf.
(3) Die Maßnahme ist zur Erreichung der verfolgten Zwecke erforderlich. Zwar könnte der Sachverhalt auch dahin geregelt werden, dass der Straßenverkauf erlaubnisfrei zugelassen wird und lediglich bei Feststellung konkreter Gefahren untersagt werden kann. Dieses Mittel wäre aber zur Zielerreichung nicht in gleicher Weise geeignet wie der Erlaubnisvorbehalt, da die Untersagung erst bei Eintritt der Gefahr möglich wäre, die bei Geltung des Erlaubnisvorbehalts von vornherein unterbunden würde. Insbesondere die Möglichkeit, etwaigen Gefahren durch zielgerichtete Auflagen vorzubeugen, entfiele, wenn die Behörde keine Möglichkeit zur Vorabkontrolle hätte.
(4) Schließlich stellt der Erlaubnisvorbehalt für die Beschwerdeführerin keine unangemessene Belastung dar.
Der Straßenverkauf der Zeitungen ist nicht grundsätzlich verboten, sondern nur von einer Kontrollerlaubnis abhängig. Deren Beantragung erfordert zwar eine gewisse Vorausplanung von Seiten der Beschwerdeführerin. Da der Straßenverkauf aber ohnehin nicht spontan, sondern längerfristig an jedem Sonntag stattfinden soll und auch erheblichen organisatorischen Aufwand verursacht, ist die zusätzliche Belastung, die durch den Erlaubnisvorbehalt eintritt, verhältnismäßig gering und tritt in der Abwägung hinter das Interesse an der Vermeidung von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs und an der Koordination konkurrierender Nutzungswünsche zurück.
Die Behauptung der Beschwerdeführerin, angesichts der zu erwartenden Verwaltungsgebühr sei der Straßenverkauf der Zeitungen für sie nicht mehr wirtschaftlich, beruht auf der Annahme, sie habe für jeden ihrer Straßenverkäufer täglich eine Gebühr in Höhe von 80 bis 160 DM zu zahlen. Da eine Erlaubnis noch nicht einmal beantragt worden ist, lässt sich gegenwärtig nicht sicher beurteilen, in welcher Höhe eine Gebühr zu erwarten ist. Die Satzung der Stadt Mannheim sieht einen Rahmen für die Gebühr vor, bei dessen Ausfüllung das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu berücksichtigen ist. Es ist nicht ohne weiteres ersichtlich, nicht einmal nahe liegend, dass die Gebühr, wie die Beschwerdeführerin meint, für jeden ihrer Straßenverkäufer gesondert zu erheben ist.
Der vorliegende Fall unterscheidet sich im Übrigen wesentlich von dem von der Beschwerdeführerin herangezogenen Vergleichsfall (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Oktober 1991 – 1 BvR 1377/91 –, NVwZ 1992, S. 53). Dort ging es um die Untersagung der Verteilung von Flugblättern durch Mitglieder eines Vereins. Der Erlaubnisvorbehalt betraf anders als im vorliegenden Fall unmittelbar die Meinungsäußerung in der von dem Verein gewählten Art. Im Übrigen besteht ein Unterschied darin, dass der Verkauf einer Zeitung wegen des erforderlichen Vertragsschlusses den Straßenraum in stärkerer Weise in Anspruch nimmt als das bloße Verteilen von Flugblättern.
Von einer weitergehenden Begründung wird gem. § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem
Fundstellen