Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Regelung zum Weitersenderecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. Urheberrechtsgesetz (UrhG).
1. Die Beschwerdeführerin nimmt als Verwertungsgesellschaft für zahlreiche private Hörfunk- und Fernsehsender unter anderem das Recht zur Weitersendung von Funksendungen durch Kabelsysteme (Kabelweitersenderecht) wahr.
Die Beklagte des Ausgangsverfahrens betreibt ein Hotel. Mehrere Gastzimmer des Hotels sind mit Fernsehgeräten ausgestattet, mit denen die Programme privater Fernsehsender über Kabel empfangen werden können. Die Beklagte hat mit dem Kabelnetzbetreiber Tele Columbus West GmbH & Co. KG (im Folgenden: Tele Columbus) einen Kabelanschlussvertrag geschlossen, nach dem Tele Columbus dem Hotel die Programme der Fernsehsender zuleitet. Tele Columbus übernimmt die Programmsignale an der Grundstücksgrenze von dem überregionalen Kabelnetzbetreiber ish NRW GmbH (im Folgenden: ish GmbH; inzwischen: Unity Media) und führt sie über eine hausinterne Verteileranlage in die einzelnen Hotelzimmer. Die ish GmbH hat – wie andere Kabelnetzbetreiber – mit der Beschwerdeführerin im Jahr 2003 einen „Vertrag über die Vergütung der Nutzung der terrestrisch und satellitär herangeführten Programme der Hörfunk- und Fernsehunternehmen in den Breitbandkabeln der Kabelnetzbetreiber” (nachfolgend: Regio-Vertrag) geschlossen, der im streitgegenständlichen Zeitraum noch in Kraft war.
Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, die Beklagte verletze das von ihr wahrgenommene Kabelweitersenderecht diverser Fernsehsender, weil sie deren Fernsehprogramme mittels einer Kabelverteileranlage an die Empfangsgeräte in ihren Gastzimmern weiterleite, ohne hierzu nach dem Regio-Vertrag berechtigt zu sein. Der deswegen erhobenen Klage auf Unterlassung (§ 97 Abs. 1 UrhG) gaben Land- und Oberlandesgericht im Jahr 2007 statt (ZUM 2007, S. 403 bzw. S. 918).
2. Auf die Revision hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (GRUR 2010, S. 530 = ZUM 2010, S. 588).
Der Bundesgerichtshof hat die von den Instanzgerichten bejahte Frage offengelassen, ob die Beschwerdeführerin berechtigt (aktivlegitimiert) ist, den erhobenen Unterlassungsanspruch wegen einer Verletzung des Weitersenderechts der Sendeunternehmen geltend zu machen. Die Klageabweisung wird darauf gestützt, dass die Beklagte das Weitersenderecht der Sendeunternehmen nicht verletzt habe. Denn allein Tele Columbus habe die Funksendungen der Sendeunternehmen über eine Verteileranlage in die Hotelzimmer im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. UrhG weitergesendet. Hierzu sei Tele Columbus berechtigt, da die ish GmbH ihr die erforderlichen Rechte aufgrund des Regio-Vertrags wirksam eingeräumt habe.
„Sendender” einer Kabelweitersendung sei derjenige, der darüber entscheide, welche Funksendungen in das Kabel eingespeist und an eine Öffentlichkeit weitergeleitet würden (somit Tele Columbus), nicht dagegen derjenige, der lediglich die hierfür erforderlichen technischen Vorrichtungen bereitstelle und betreibe. Unter Verweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) vom 7. Dezember 2006 – C-306/05 SGAE/Rafael – (Slg. 2006, S. I-11519) führt der Bundesgerichtshof aus, die Ausstattung von Hotelzimmern mit Fernsehgeräten reiche für sich genommen nicht aus, um eine urheberechtliche Verantwortlichkeit für die Weitersendung zu begründen. Die Beklagte sei für den Eingriff in das Weitersenderecht der Sendeunternehmen auch nicht deshalb verantwortlich, weil sie Tele Columbus mit der Weiterleitung der Sendesignale beauftragt habe, denn Tele Columbus habe eigenständig entschieden, welche Programme in das Verteilernetz eingespeist und an die Empfangsstellen weitergeleitet würden.
Die Beklagte sei auch nicht als Teilnehmer oder Störer für eine Verletzung des Weitersenderechts durch Tele Columbus verantwortlich. Tele Columbus sei zur Weitersendung der Funksendungen über eine Verteileranlage in die Hotelzimmer berechtigt gewesen, weil ihr die ish GmbH die erforderlichen Rechte eingeräumt habe und hierzu aufgrund des mit der Beschwerdeführerin geschlossenen Regio-Vertrags befugt gewesen sei. Es fehle damit an einer rechtswidrigen Haupttat von Tele Columbus, an der die Beklagte beteiligt sein könnte. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Laufzeit des Regio-Vertrags über den 31. Dezember 2008 hinaus verlängert worden sei. Denn es sei nicht vorgetragen, dass Tele Columbus überhaupt über diesen Zeitpunkt hinaus Funksendungen in die Hotelzimmer weitergesendet habe.
3. Gegen dieses Urteil erhob die Beschwerdeführerin zweimalige Anhörungsrüge.
Der Bundesgerichtshof verwarf die erste dieser Rügen als unzulässig, denn vor Zustellung des vollständig abgefassten Urteils allein in Kenntnis des Entscheidungstenors sei eine Anhörungsrüge nicht in der gesetzlichen Form erhoben (§ 321a Abs. 4 ZPO). Einer solchen Anhörungsrüge fehle zwangsläufig der ordnungsgemäße Vortrag einer Gehörsverletzung und deren Entscheidungserheblichkeit. Die weitere Anhörungsrüge sei unbegründet, weil eine entscheidungserhebliche Verletzung rechtlichen Gehörs nicht vorliege.
Entscheidungsgründe
II.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG.
1. Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig, insbesondere könne sich die Beschwerdeführerin auch auf das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG und die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG berufen. Denn sie mache die Vergütungsansprüche ihrer Wahrnehmungsberechtigten geltend und handle im Rahmen einer (eigenen) wirtschaftlichen Erwerbstätigkeit. Dabei sei die Rechtslage wegen des Kontrahierungszwangs gemäß § 87 Abs. 5 Satz 2 UrhG einer Verwertungsgesellschaftspflicht vergleichbar.
2. Die Beschwerdeführerin sei in verschiedener Hinsicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
a) Die Verwerfung der ersten Anhörungsrüge als unzulässig verstoße gegen Art. 103 Abs. 1 GG, weil die Auffassung, die Erhebung der Rüge setze die Zustellung der vollen Urteilsgründe voraus, die Bedeutung des Anspruchs auf rechtliches Gehör verkenne. Diese Auffassung sei nicht damit zu vereinbaren, dass gemäß § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO die Frist zur Erhebung der Rüge von der Kenntnis der Verletzung des rechtlichen Gehörs abhänge. Insbesondere im Fall eines Überraschungsurteils könne es vorkommen, dass die Partei bereits nach Verkündung der Urteilsformel Kenntnis von der Gehörsverletzung habe, diese aber nicht fristgerecht rügen könne.
b) Mangels entsprechenden Hinweises überraschend sei, dass der Bundesgerichtshof für die Bestimmung, wer Sendender im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 1, § 20 UrhG sei, auf das Kriterium der Programmauswahl abstelle, womit ein gewissenhafter und kundiger Beteiligter nach dem vorherigen Prozessverlauf nicht habe rechnen können. Denn bis dahin hätten die höchstrichterliche Rechtsprechung und der Gerichtshof darauf abgestellt, wer die Empfangsgeräte zur Verfügung stelle und wer bei wertender Betrachtung einen vermögenswerten Vorteil aus der Verwertung des Senderechts ziehe. Ebenso überraschend sei, dass der Bundesgerichtshof als Revisionsgericht – inhaltlich unzutreffend – davon ausgehe, dass Tele Columbus die Programmauswahl vornehme. Insoweit habe das Gericht aus den Feststellungen der Vorinstanzen falsche Schlüsse gezogen.
Schließlich habe es eines Hinweises insofern bedurft, als der Bundesgerichtshof dahinstehen gelassen habe, ob der Regio-Vertrag ausgelaufen sei, weil eine Weitersendung nach dem etwaigen Auslaufen des Vertrags ohnehin nicht behauptet werde. Denn die Beschwerdeführerin hätte in der Revision dazu vorgetragen, dass Tele Columbus weiterhin gesendet habe, nachdem der Vertrag Ende 2008 ausgelaufen sei und jedenfalls dann eine Rechtsverletzung nicht mehr habe rechtfertigen können.
c) Des Weiteren habe der Bundesgerichtshof Vortrag der Beschwerdeführerin übergangen, indem er den Vorläufervertrag zum Regio-Vertrag fehlerhaft ausgelegt habe, was auch zu einem falschen Verständnis des Regio-Vertrags selbst geführt habe.
3. Der Beschwerdeführerin sei ferner der gesetzliche Richter entzogen worden, weil der Bundesgerichtshof trotz ihrer entsprechenden Hinweise kein Vorabentscheidungsverfahren zum Gerichtshof eingeleitet habe. Der Gerichtshof habe mit seinem – einen gleichgelagerten Sachverhalt betreffenden – Urteil vom 7. Dezember 2006 in der Sache SGAE (a.a.O.) die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001, ABl EG Nr. L 167, S. 10 (im Folgenden: Urheberrechtsrichtlinie), festgelegt, wonach die Verbreitung eines Signals mittels in den Hotelzimmern aufgestellter Fernsehapparate, die ein Hotel für seine Gäste vornehme, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie darstelle (a.a.O., Rn. 47). Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, damit habe der Gerichtshof auch entschieden, wer für eine solche öffentliche Wiedergabe verantwortlich sei, nämlich das Hotel. Der Bundesgerichtshof sei hiervon bewusst abgewichen und habe keine Gründe angegeben, die dem Bundesverfassungsgericht eine Kontrolle am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ermöglicht hätten.
4. Auch das Grundrecht auf Eigentum sei verletzt. Indem der Bundesgerichtshof die europarechtliche Bedeutung und die Auslegung durch den Gerichtshof verkenne, verkürze er mittelbar den Eigentumsschutz, da in die existenzielle Vergütungsgrundlage der Sendeunternehmen eingegriffen werde. Solle es von der Entscheidungshoheit über die Programmauswahl abhängen, wem das Leistungsschutzrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 UrhG gewährt werde, wären letztlich nur die Sendeunternehmen selbst Anspruchsinhaber, jedoch zugleich die Berechtigten. Das Weitersenderecht als Leistungsschutzrecht liefe somit vollständig leer.
5. Schließlich verletze das angegriffene Urteil die grundrechtliche Berufsfreiheit der Leistungsschutzberechtigten als Mitglieder der Beschwerdeführerin, da es sie in ihrer Berufsausübung ohne verfassungsrechtliche Rechtfertigung einschränke. Die Geltendmachung und Administrierung der Kabelweitersenderechte ihrer Mitglieder stelle sich als eine treuhänderische Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin für ihre Mitglieder dar. Die Argumentation des Bundesgerichtshofs führe zu einer Aushöhlung des urheberrechtlichen Beteiligungsgrundsatzes, denn sie verhindere, dass die Mitglieder der Beschwerdeführerin für die von ihnen erwerbswirtschaftlich erbrachten Sendeleistungen in angemessener Weise vergütet würden.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie ist teilweise bereits unzulässig. Auch soweit sie zulässig ist oder ihre Zulässigkeit dahinstehen kann, hat sie in der Sache selbst keine Aussicht auf Erfolg.
1. Eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG kann die Beschwerdeführerin mit Erfolg nicht rügen; ihre Verfassungsbeschwerde ist insoweit unzulässig.
a) Ihr Vortrag ist, soweit sie eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG geltend macht, ohne Substanz (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG) und widersprüchlich insofern, als sie einmal von einer Beeinträchtigung ihrer eigenen Erwerbstätigkeit, ein anderes Mal von einer Verletzung der Berufsausübungsfreiheit ihrer Mitglieder (der Sendeunternehmen) spricht. Das Vorliegen eines berufsbezogenen Eingriffs in die eigene Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin wird in der Verfassungsbeschwerde nicht hinreichend dargelegt. Ein solcher Eingriff ergibt sich nicht schon daraus, dass das angegriffene Urteil für eine bestimmte Sachverhaltskonstellation ein Leistungsschutzrecht der Sendeunternehmen verneint, für die die Beschwerdeführerin als Verwertungsgesellschaft tätig ist.
b) Im Übrigen kommt der Beschwerdeführerin als Verwertungsgesellschaft keine Beschwerdebefugnis zu, soweit sie nicht behauptet, in eigenen Rechten betroffen zu sein. Die gewillkürte Prozessstandschaft ist vor dem Bundesverfassungsgericht unzulässig (vgl. BVerfGE 19, 323 ≪329≫; 25, 256 ≪263≫; 56, 296 ≪297≫; 72, 122 ≪131≫), unabhängig davon, ob sie im fachgerichtlichen Verfahren für zulässig gehalten wurde (vgl. BVerfGE 31, 275 ≪280≫).
Die Beschwerdeführerin könnte die Rechte der Sendeunternehmen dann wahrnehmen, wenn insoweit die für Verwertungsgesellschaften wie die VG Bild-Kunst entwickelten Grundsätze anwendbar wären (vgl. BVerfGE 77, 263 ≪269 f.≫). Danach beruht die Zuerkennung der Beschwerdebefugnis auf dem Umstand, dass aufgrund der Verwertungsgesellschaftspflicht gewisser urheberrechtlicher Ansprüche überhaupt nur die Verwertungsgesellschaft, nicht aber der einzelne Urheber diese Ansprüche geltend machen kann. Eine solche Konstellation ist hier nicht gegeben. § 20b Abs. 1 Satz 2 UrhG macht für Sendeunternehmen eine Ausnahme von der Verwertungsgesellschaftspflicht. Zwar statuiert § 87 Abs. 5 UrhG einen Kontrahierungszwang; dieser gilt aber nur im Verhältnis zwischen Sende- und Kabelunternehmen. Die Verwertungsgesellschaften werden inzwischen über die Regelung des § 87 Abs. 5 Satz 2 UrhG mittelbar in die zu schließenden Verträge eingebunden. Diese Vorschrift ist jedoch erst mit Wirkung vom 1. Januar 2008 durch das Gesetz vom 26. Oktober 2007 (BGBl I S. 2513) eingefügt worden. Zuvor bestand für Verwertungsgesellschaften kein Kontrahierungszwang (vgl. nur Ehrhardt, in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 2. Aufl. 2006, § 87 Rn. 21). Die Verfassungsbeschwerde legt nicht dar, inwiefern die von ihr vertretenen Sendeanstalten daran gehindert sein sollten, Ansprüche nach dem Urheberrechtsgesetz selbst geltend zu machen, wie es für eine Verwertungsgesellschaftspflicht kennzeichnend ist.
2. Die Rüge einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist ebenfalls mangels Substantiierung unzulässig und jedenfalls ohne sachliche Erfolgsaussicht.
a) Der Gerichtshof der Europäischen Union ist gesetzlicher Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das nationale Gericht ist unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV (hierzu EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, – Rs. 283/81 C.I.L.F.I.T. –, Slg. 1982, S. 3415, Rn. 21) von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof anzurufen. Das Bundesverfassungsgericht überprüft allerdings nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 82, 159 ≪194 ff.≫; 126, 286 ≪315 ff.≫). Dabei kommt es nicht in erster Linie auf die Vertretbarkeit der fachgerichtlichen Auslegung des für den Streitfall maßgeblichen materiellen Unionsrechts an, sondern auf die Vertretbarkeit der Handhabung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 25. Januar 2011 – 1 BvR 1741/09 –, juris, Rn. 104 f.). Das Fachgericht muss Gründe angeben, die zeigen, ob es sich hinsichtlich des europäischen Rechts ausreichend kundig gemacht hat, und die so dem Bundesverfassungsgericht eine Kontrolle am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ermöglichen (vgl. BVerfGK 8, 401 ≪405≫; 10, 19 ≪31≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. August 2010 – 1 BvR 1631/08 –, GRUR 2010, S. 999, Rn. 49).
b) Danach liegt jedenfalls keine unhaltbare Handhabung der Vorlagepflicht vor. Ob eine Vorlage hier überhaupt nahelag (zu diesem Prüfungsmaßstab vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. August 2010, a.a.O., Rn. 50), bleibt trotz der Ausführungen in der Verfassungsbeschwerde fraglich, weil die Beschwerdeführerin wesentliche Aspekte unberücksichtigt lässt. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob der Bundesgerichtshof von der Rechtsprechung des Gerichtshofs abweicht.
Nach der SGAE-Entscheidung des Gerichtshofs (Urteil vom 7. Dezember 2006, a.a.O., Rn. 31) ist der Begriff der Öffentlichkeit in Art. 3 der Urheberrechtsrichtlinie autonom und einheitlich auszulegen. Unter Berücksichtigung von Wortlaut, Zusammenhang und Zielen der Regelung sowie deren völkerrechtlichen Grundlagen in Art. 11 Abs. 1 Ziffer 2 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass der Begriff „öffentliche Wiedergabe” weit in dem Sinne zu verstehen sei, dass zwar das bloße körperliche Bereitstellen von Einrichtungen keine öffentliche Wiedergabe im Sinne der Richtlinie sei, wohl aber, „wenn das Hotel durch so aufgestellte Fernsehapparate das Signal an die in den Zimmern dieses Hotels wohnenden Gäste verbreitet” (Rn. 46).
Damit hat der Gerichtshof zugleich darüber entschieden, wer im Sinne der Urheberrechtsrichtlinie die öffentliche Wiedergabe veranstaltet und damit im urheberrechtlichen Sinne verantwortlich ist. In einem Sachverhalt wie dem des SGAE-Urteils, der dadurch gekennzeichnet ist, dass der Hotelbetreiber selbst das Signal in die mit Empfangsgeräten ausgestatteten Hotelzimmer verbreitet, ist „Sendender” der Hotelbetreiber. Im Streitfall hingegen übernahm Tele Columbus an der Grundstücksgrenze die Signale von der ish GmbH und verteilte sie – im Auftrag des Hotels – in die Zimmer. Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass nur Tele Columbus über die Programmauswahl entschieden habe; dies unterscheidet den Streitfall vom Fall SGAE. Gegen diese tatsächliche Annahme sind zwar Zweifel erhoben worden (vgl. Riesenhuber, ZUM 2011, S. 134 ≪134 f.≫). Doch könnte ein etwa fehlerhaft zugrunde gelegter Sachverhalt, jedenfalls solange insoweit nicht ein willkürliches Vorgehen des Gerichts anzunehmen ist, eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht begründen.
Hieraus folgt, dass der Bundesgerichtshof von der SGAE-Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht – insbesondere nicht „bewusst” – abweicht. Vielmehr entwickelt er sie für eine spezielle Sachverhaltskonstellation weiter. Dazu, ob diese Weiterentwicklung möglicherweise eine Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV erfordert hätte, weil es sich nicht um eine eindeutig aus der Richtlinie und der Rechtsprechung des Gerichtshofs ableitbare Antwort auf eine unionsrechtlich determinierte Auslegungsfrage handelt (so Riesenhuber, ZUM 2011, S. 134 ≪140≫), verhält sich die Verfassungsbeschwerde nicht.
c) Die Rüge einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist in einer weiteren Hinsicht unsubstantiiert. So erscheint fraglich, wie weit eine richtlinienkonforme Auslegung im Streitfall gehen könnte. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie bezieht sich nur auf die Urheber von Werken, somit nicht auf die Sendeunternehmen als Rechteinhaber von Weitersenderechten im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. UrhG; diese können lediglich ein Leistungsschutzrecht in Anspruch nehmen (vgl. v. Ungern-Sternberg, in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl. 2010, § 87 Rn. 1 m.w.N.). Sendeunternehmen sind hingegen in Art. 3 Abs. 2 Buchstabe b der Urheberrechtsrichtlinie genannt. Ihnen muss in Bezug auf Aufzeichnungen ihrer Sendungen das Recht eingeräumt werden, die öffentliche Zugänglichmachung zu erlauben oder zu verbieten. Bei der hier betroffenen Weitersendung von Kabelfernsehen im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. UrhG handelt es sich jedoch nicht um Aufzeichnungen, sondern um die zeitgleiche, unveränderte Simultanausstrahlung der ursprünglichen Sendung (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2009 – I ZR 216/06 –, GRUR 2009, S. 845, Rn. 29).
3. Schließlich ist auch Art. 103 Abs. 1 GG nicht verletzt.
a) Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet jedem Verfahrensbeteiligten einen Anspruch darauf, sich vor dem Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem ihr zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern (vgl. BVerfGE 67, 39 ≪41≫; 69, 145 ≪148≫; 86, 133 ≪144≫; 89, 381 ≪392≫; 101, 106 ≪129≫). Der Anspruch beinhaltet ferner, dass das Gericht die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen muss (vgl. BVerfGE 11, 218 ≪220≫; 83, 24 ≪35≫; 96, 205 ≪216≫). Das Bundesverfassungsgericht kann allerdings nur dann feststellen, dass ein Gericht seine Pflicht, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, verletzt hat, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl. BVerfGE 22, 267 ≪273 f.≫; 70, 288 ≪293 f.≫).
Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt auch voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachen- und Rechtsvortrag es für die Entscheidung ankommen kann (vgl. BVerfGE 84, 188 ≪190≫; 86, 133 ≪144≫). Dabei kann es in besonderen Fällen geboten sein, auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will. Auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss allerdings ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich alle vertretbaren tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (vgl. BVerfGE 86, 133 ≪145≫; 98, 218 ≪263≫).
Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann schließlich nur festgestellt werden, wenn die Entscheidung hierauf beruht (vgl. BVerfGE 86, 133 ≪147≫).
b) Zunächst wendet sich die Beschwerdeführerin erfolglos gegen die Verwerfung der ersten von ihr eingelegten Anhörungsrüge als unzulässig.
§ 321a ZPO gehört zu den Vorschriften, die die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. BVerfGE 107, 395 ≪408 ff.≫) im zivilgerichtlichen Verfahren gewährleisten sollen. Die Norm schafft bei behaupteten Gehörsverletzungen die Möglichkeit einer zumindest einmaligen Kontrolle durch ein Zivilgericht, indem § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO die Anhörungsrüge als statthaften Rechtsbehelf vorsieht, wenn kein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung gegeben ist. Eine fehlerhafte Handhabung des Anhörungsrügeverfahrens durch die Gerichte kann im Ergebnis bewirken, dass der verfassungsrechtlich gebotene fachgerichtliche Schutz vor Gehörsverletzungen nicht wirksam wird (vgl. BVerfGK 10, 397 ≪400 f.≫; 11, 13 ≪17 f.≫).
Da die Zweiwochenfrist zur Einlegung der Anhörungsrüge (§ 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO) erst mit Kenntnis von der Gehörsverletzung zu laufen beginnt, ist die Auffassung des Bundesgerichtshofs, dass eine vor Kenntnis der Urteilsgründe erhobene Anhörungsrüge unzulässig ist (vgl. auch Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 321a Rn. 14), von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Soweit die Beschwerdeführerin es als denkbaren Fall bezeichnet, dass bei einem „Überraschungsurteil” die Partei bereits aufgrund der Urteilsformel sicher wisse, dass ein rechtlicher Hinweis zu Unrecht unterlassen worden sei, verkennt sie, dass sich die Notwendigkeit eines rechtlichen Hinweises (§ 139 Abs. 2, 3 ZPO) nicht auf den beabsichtigten Inhalt der Urteilsformel, sondern auf entscheidungserhebliche Gesichtspunkte bezieht, welche bei einem am Schluss der Sitzung verkündeten Urteil noch nicht niedergelegt und der Partei bekannt sein können.
c) Ebenfalls ohne Erfolg macht die Beschwerdeführerin geltend, der Bundesgerichtshof habe für die Bestimmung, wer Sendender im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 1, § 20 UrhG sei, überraschend auf das Kriterium der Programmauswahl abgestellt und insofern einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt.
Jedenfalls solange nicht ein willkürliches Vorgehen des Gerichts anzunehmen ist, stellt ein fehlerhaft zugrunde gelegter Sachverhalt keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG dar. Die Beschwerdeführerin ist mit ihrer Rüge im Übrigen schon deswegen ausgeschlossen, weil sie versäumt hat, diesen Einwand rechtzeitig im Rahmen des Anhörungsrügeverfahrens zu erheben. Damit steht der Rüge aus Art. 103 Abs. 1 GG der Grundsatz der Subsidiarität entgegen, demzufolge der Beschwerdeführer einer Verfassungsbeschwerde, über die bloße formelle Erschöpfung des Rechtswegs hinaus, vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen muss, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 112, 50 ≪60≫; stRspr). Dazu gehört auch das ordnungsgemäße Betreiben des Verfahrens nach § 321a ZPO.
d) Ein Hinweis des Bundesgerichtshofs zu seiner Auffassung, das etwaige Auslaufen des Regio-Vertrags könne dahinstehen, weil eine Weitersendung nach dem fraglichen Zeitpunkt ohnehin nicht behauptet sei, war nach den Maßstäben des Art. 103 Abs. 1 GG nicht zwingend. Jedenfalls in einer Konstellation wie der des Ausgangsverfahrens ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn der Bundesgerichtshof bei Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs für den gesamten im Streit stehenden Zeitraum den Vortrag einer Verletzungshandlung verlangt.
e) Schließlich wendet sich die Beschwerdeführerin ohne Erfolg gegen das angebliche Übergehen von Vortrag zum Vorläufervertrag des Regio-Vertrags. Der Bundesgerichtshof konnte sich insoweit auf unbestrittenes Vorbringen der Beklagten stützen. Etwaiges Bestreiten in der Revisionsinstanz war – von Verfassungs wegen einwandfrei – nicht mehr zu berücksichtigen (§ 559 ZPO).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Gaier, Paulus, Britz
Fundstellen
NJW-RR 2011, 1608 |
ZUM 2011, 835 |
MMR 2011, 827 |