Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfanderhebungspflicht für Bier- und Mineralwasser-Einweggetränkeverpackungen
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Pfanderhebungspflicht für Bier- und Mineralwasser-Einweggetränkeverpackungen sowie die Verpflichtung zur Rücknahme und Verwertung entsprechender gebrauchter Verpackungen.
I.
Die Beschwerdeführerinnen – es handelt sich um zehn Unternehmen, die in der Bundesrepublik Deutschland in Einwegverpackungen abgefülltes Bier und Mineralwasser herstellen beziehungsweise derartig verpackte Getränke vertreiben – wollen verhindern, dass sie ab Anfang nächsten Jahres auf Einwegverpackungen für Bier und Mineralwasser Pfand erheben sowie die gebrauchten und restentleerten Verpackungen zurücknehmen und einer Verwertung zuführen müssen. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sie sich unmittelbar gegen vorläufigen Rechtsschutz verweigernde Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Berlin und des Oberverwaltungsgerichts Berlin, mittelbar auch gegen die zugrunde liegenden Vorschriften der Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung – VerpackV) vom 21. August 1998 (BGBl I S. 2379; im Folgenden: VerpackV).
1. a) Bereits mit Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung – VerpackV) vom 12. Juni 1991 (BGBl I S. 1234; im Folgenden: VerpackV a.F.) hatte die Bundesregierung auf der Grundlage des § 14 des Abfallgesetzes vom 27. August 1986 (BGBl I S. 1410) den Vertreibern von Getränke-Einwegverpackungen auferlegt, vom Endverbraucher gebrauchte Verpackungen zurückzunehmen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 VerpackV a.F.). Hersteller und Vertreiber waren verpflichtet, diese Verpackungen einer erneuten Verwendung oder einer stofflichen Verwertung außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung zuzuführen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 VerpackV a.F.). Allerdings entfielen gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VerpackV a.F. diese Verpflichtungen für solche Hersteller und Vertreiber, die sich an einem System beteiligten, das flächendeckend im Einzugsgebiet des Letztvertreibers eine regelmäßige Abholung gebrauchter Verpackungen beim Endverbraucher gewährleistete. War ein solches System eingerichtet und von der zuständigen Landesbehörde festgestellt (so genannte Systemfeststellung), entfiel für Vertreiber in dem entsprechenden Einzugsgebiet nach § 9 Abs. 1 VerpackV a.F. auch die in § 7 VerpackV a.F. statuierte Verpflichtung, von ihrem jeweiligen Abnehmer ein Pfand in Höhe von 0,50 DM zu erheben. Allerdings galt diese Befreiung von der Pfanderhebungspflicht gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 VerpackV a.F. in Bezug auf Einwegverpackungen für Bier und Mineralwasser sowie andere im Einzelnen aufgeführte Getränke nur solange, wie der Anteil der Mehrwegverpackungen dieser Getränke im jeweiligen Einzugsgebiet nicht unter den im Jahre 1991 im Einzugsgebiet bestehenden Anteil, unabhängig davon aber insgesamt im Geltungsbereich des Abfallgesetzes nicht unter 72 vom Hundert sank. § 9 Abs. 3 VerpackV a.F. sah vor, dass die Bundesregierung die nach Absatz 2 der Vorschrift erheblichen Mehrweganteile jeweils zur Mitte des Jahres bekannt zu machen habe. Sollte die maßgebliche Quote an Mehrwegverpackungen unterschritten sein, war eine erneute Erhebung in einem zeitlichen Abstand von sechs Monaten (so genannte Nacherhebung) vorgesehen. Wenn auch nach dieser Nacherhebung der maßgebliche Mehrweganteil unterschritten würde, sollte die Pfanderhebungspflicht sechs Monate nach Bekanntmachung der Nacherhebungsergebnisse wirksam werden.
b) § 22 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz – KrW-/AbfG) vom 27. September 1994 (BGBl I S. 2705) normiert nunmehr eine besondere Produktverantwortung zur Erfüllung der Ziele der Kreislaufwirtschaft für denjenigen, der Erzeugnisse entwickelt, herstellt, be- und verarbeitet oder vertreibt. § 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG ermächtigt die Bundesregierung, zur Festlegung der Anforderungen nach § 22 des Gesetzes durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, dass Hersteller oder Vertreiber bestimmte Erzeugnisse zurückzunehmen und die Rückgabe durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch Rücknahmesysteme oder durch Erhebung eines Pfandes, sicherzustellen haben. Auf der Grundlage des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes hat die Bundesregierung die nunmehr geltende Verpackungsverordnung vom 21. August 1998 erlassen, die – wie zuvor – an die Bekanntgabe der wiederholten Unterschreitung der festgelegten Mehrwegquote den sechs Monate danach wirksam werdenden Widerruf der Befreiung von den Pfanderhebungs-, Rücknahme- sowie Verwertungspflichten knüpft.
2. Im Bundesanzeiger vom 28. Januar 1999 machte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (im Folgenden: BMU) die auf Stichproben und Hochrechnungen beruhenden „Erhebungen der Bundesregierung bezüglich der Mehrweganteile von Getränkeverpackungen in den Jahren 1991 bis 1997 gemäß § 9 Abs. 3 der Verpackungsverordnung vom 21. Januar 1999” bekannt (BAnz 1999, S. 1081 f.). Danach sei der in der Verpackungsverordnung vom 21. August 1998 festgesetzte Mehrweganteil für alle Getränke (ohne Milch) von 72 % im Jahre 1997 zum ersten Mal unterschritten. Es sei bundesweit ein Mehrweganteil von 71,35 % erreicht. Diesem Wert sei eine Fehlermarge von lediglich maximal 1 % zuzuordnen. Daher sei die Wahrscheinlichkeit der Unterschreitung so groß (96 %), dass das in § 9 Abs. 2 VerpackV festgelegte Verfahren (Nacherhebung für den auf die Bekanntmachung folgenden Zeitraum von zwölf Monaten) ausgelöst werde. Die Bekanntmachung enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung. Später wurde der Mehrweganteil für alle Getränke ohne Milch auf den Wert von 71,33 % korrigiert (BAnz 2000, S. 6009).
Das BMU veranlasste aufgrund der Ergebnisse der Regelerhebung für das Jahr 1997 für den Zeitraum von Januar 1999 bis Januar 2000 eine Nacherhebung.
Um die Bekanntgabe der Ergebnisse dieser Nacherhebung, die voraussichtlich erneut eine Mehrwegquote von weniger als 72 vom Hundert ergeben hat, zu verhindern, beantragten die Beschwerdeführerinnen – neben weiteren sechs Unternehmen – beim Verwaltungsgericht im November 2000, dass der Bundesregierung die Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung über eine noch zu erhebende Unterlassungsklage untersagt werde.
Das Verwaltungsgericht wies die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 15. August 2001 zurück.
Die zugelassene Beschwerde der Beschwerdeführerinnen wies das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. Februar 2002 zurück. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Bekanntgabe der ermittelten Mehrweganteile nicht als bloße schlicht-hoheitliche Mitteilung, sondern als feststellender Verwaltungsakt in der Gestalt einer Allgemeinverfügung zu qualifizieren, gegen den die dadurch Belasteten grundsätzlich bei Darlegung eines entsprechenden qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses auch vorbeugend um einstweiligen Rechtsschutz im Verfahren nach § 123 VwGO nachsuchen könnten.
Ob bei Abwägung mit den gegenläufigen Interessen anderer durch die zeitweilige Verhinderung der Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse nachteilig Betroffener und den Allgemeininteressen ein Anordnungsgrund für die erstrebte Regelung gegeben sei, könne letztlich offen bleiben, da jedenfalls die Rechtswidrigkeit der bevorstehenden Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse und damit ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht sei. Ein solcher Anordnungsanspruch hätte bei der vorliegenden Fallkonstellation nur bejaht werden können, wenn im vorläufigen Rechtsschutzverfahren eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit der Erfolgsaussichten der Beschwerdeführerinnen im Hauptsacheverfahren feststellbar wäre. Dieser Maßstab ergebe sich daraus, dass die vorläufige Verhinderung der Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse möglicherweise weit reichende Auswirkungen auf das komplexe Geflecht zum Teil divergierender Interessen und Belange hätte.
Es bestünden jedoch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse mit der Folge, dass bei Unterschreiten der maßgebenden Mehrwegquoten für die Getränkebereiche Bier und Mineralwasser nach dem Ablauf von sechs Monaten die den Herstellern und Vertreibern nach § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 VerpackV gewährte Befreiung von der Rücknahme- und Pfanderhebungspflicht als widerrufen gelte. Die rechtliche Voraussetzung, dass schon bei der vorangegangenen Regelerhebung eine bundesweite Unterschreitung der Mehrwegquote von 72 vom Hundert ermittelt und gemäß § 9 Abs. 3 VerpackV bekannt gegeben sei, sei erfüllt. Zum Vollzug des formalen Akts der Bekanntgabe habe sich die Bundesregierung, der die Bekanntgabe erkennbar materiell zuzurechnen gewesen sei, des BMU bedienen dürfen. Ob es für die der Bekanntgabe zugrunde liegende Feststellung der Erhebungsergebnisse ausreiche, dass sich – wie geschehen – statt des gesamten Kabinetts nur die in ihren Aufgabenbereichen betroffenen Ministerien mit der Sache befasst hätten, könne dahinstehen, da sich die Beschwerdeführerinnen auf einen darin liegenden Rechtsverstoß nunmehr nicht mehr berufen könnten. Denn der in der Bekanntgabe der Erhebung über die Mehrweganteile für 1997 liegende Verwaltungsakt sei bereits in Bestandskraft erwachsen, weil er nicht innerhalb der mangels Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 58 Abs. 2 VwGO laufenden Jahresfrist wirksam angefochten sei. Ein etwaiger Fehler im Rahmen des internen Willensbildungsprozesses der Bundesregierung sei auch nicht im Sinne von § 44 Abs. 1 VwVfG schwerwiegend und offenkundig, so dass er nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führe.
Die Zuweisung der Maßnahmen nach § 9 Abs. 2 und 3 VerpackV an die Bundesregierung sei auch durch eine ungeschriebene Verwaltungskompetenz der Bundesregierung gedeckt, da es einem zwingenden Erfordernis entspreche, dass die Durchführung dieser Aufgaben in der Hand einer den Bundesländern übergeordneten Stelle liege.
Das für das Jahr 1997 bekannt gegebene Ergebnis der Regelerhebung müssten die Beschwerdeführerinnen mit Rücksicht auf die ihnen gegenüber eingetretene Unanfechtbarkeit der darin liegenden Regelung grundsätzlich gegen sich gelten lassen. Im Nachhinein könnten sie diese Zahlen daher nur in Frage stellen, wenn die Feststellung infolge eines schweren und offenkundigen Fehlers im Sinne von von § 44 Abs. 1 VwVfG nichtig wäre. Dies sei jedoch, wie das Oberverwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss im Einzelnen ausführt, nicht der Fall.
Wegen der von der bevorstehenden Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse ausgehenden Belastungen sei zwar – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – auch die Gültigkeit der Verpackungsverordnung zu überprüfen, jedoch seien Rechtsmängel insoweit nicht festzustellen. Insbesondere seien die Verordnungsregelungen auch mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Als ein Allgemeinwohlbelang, der die die Berufsausübungsfreiheit beeinträchtigenden Regelungen zu rechtfertigen vermöge, kämen grundsätzlich die durch Art. 20 a GG in Verfassungsrang erhobenen Gründe des Umweltschutzes in Betracht. Unter Berücksichtigung des dem Normgeber – insbesondere bezüglich der prognostischen Einschätzung künftiger Entwicklungen – zugestandenen Gestaltungsspielraums entsprächen die entscheidungserheblichen Vorschriften der Verpackungsverordnung dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Die Regelung des § 9 Abs. 2 VerpackV sei zumindest nicht offensichtlich oder schlechthin ungeeignet, den im Jahre 1991 traditionell vorhandenen Bestand an Mehrwegverpackungssystemen zu schützen. Denn die Einweg-Getränkeverpackungen würden durch die – bei Absinken des Mehrweganteils drohende – Pfanderhebungspflicht hinsichtlich der Handhabung den bepfandeten Mehrweg-Getränkeverpackungen gleichgestellt, wodurch zugleich der Preisnachteil des Angebots von Mehrweg-Getränkeverpackungen mit Pfand teilweise ausgeglichen und dem Verbraucher ein marktwirtschaftlicher Anreiz zur Wahl der ökologisch vorteilhaften Mehrweg-Getränkeverpackungen geboten würde. Die Pfandpflicht für Einweg-Getränkeverpackungen würde überdies eine Erhöhung der Rücklaufquote und eine Verringerung der Verschmutzung der Landschaft durch weggeworfene Einweg-Getränkeverpackungen mit sich bringen. Die insoweit von den Beschwerdeführerinnen – insbesondere unter Berufung auf das Umweltgutachten 2000 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen (BTDrucks 14/3363, Tz. 870 ff.) – geäußerten Zweifel an der Zwecktauglichkeit der Regelungen könnten die Einschätzung des Verordnungsgebers nicht widerlegen, da sie lediglich die Möglichkeit eines künftig von dessen Prognose abweichenden Verlaufs aufzeigten. Die Darlegungen der Beschwerdeführerinnen ließen nicht den Schluss auf eine den normativen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum des Verordnungsgebers eindeutig überschreitende Fehleinschätzung zu. Eine abschließende Klärung der Frage, ob die Quotenregelung des § 9 Abs. 2 VerpackV die ihr zugedachte Stabilisierungsfunktion erfüllen könne, müsse jedoch – so stellt das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich fest – gegebenenfalls einem Verfahren der Hauptsache vorbehalten bleiben.
Im Hinblick auf die von den Beschwerdeführerinnen angeführten Alternativmaßnahmen – wie die Festlegung von Mindestabfüllmengen für ökologisch vorteilhafte Verpackungen und Mehrwegverpackungen – könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass mit einer solchen Änderung eine nach Abwägung aller zu berücksichtigenden Belange eindeutig mildere Belastung der betroffenen Getränkehersteller und -vertreiber bei mindestens gleicher Effizienz hinsichtlich des angestrebten Ziels zur Verfügung stehe.
Auch eine offensichtliche Unverhältnismäßigkeit der Regelung im Sinne einer übermäßigen, nicht durch Vorteile für die Umwelt aufgewogenen wirtschaftlichen Belastung der Beschwerdeführerinnen und insgesamt der Getränkehersteller und -vertreiber sei nicht dargetan. Der gerichtlichen Beurteilung seien insoweit nicht das aus der Sicht der Beschwerdeführerinnen ohnehin zweifelhafte Lenkungspotenzial der Regelung, sondern die ihr vom Verordnungsgeber zugedachten Wirkungen und die daraufhin objektiv zu erwartenden ökologischen Vorteile zugrunde zu legen.
3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung ihrer Verfassungsrechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG.
a) Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt, da das Oberverwaltungsgericht am Ende der Gründe zu I. wegen der weiteren Sachdarstellung auch auf Akten (einschließlich der dazu eingereichten Verwaltungsvorgänge, Gutachten und Stellungnahmen) zweier Gerichtsverfahren Bezug genommen habe, an denen die Beschwerdeführerinnen nicht beteiligt gewesen seien. Die entsprechenden Vorgänge seien den Beschwerdeführerinnen nicht zur Kenntnis gegeben worden. Aus diesem Grund könnten sie nunmehr auch nicht vortragen, was sie bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs im Ausgangsverfahren vorgebracht hätten.
b) Mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unvereinbar sei, dass das Oberverwaltungsgericht die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs nur bei einer deutlich überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren bejahe. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes verlange zumindest bei drohenden erheblichen Grundrechtsbeeinträchtigungen mit irreversiblen Folgen, es für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes genügen zu lassen, dass der geltend gemachte Anspruch dem jeweiligen Antragsteller voraussichtlich zustehe und ihm ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens unzumutbar sei.
c) Gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoße auch, dass das Oberverwaltungsgericht die Bekanntmachung der Ergebnisse der Regelerhebung für das Jahr 1997 als Verwaltungsakt einstufe, den es aufgrund seiner Bestandskraft lediglich darauf überprüfe, ob er wegen schwerer und offenkundiger Fehler im Sinne von § 44 VwVfG nichtig sei. Diese Auffassung des Oberverwaltungsgerichts führe zu einer schwerwiegenden Rechtsschutzverkürzung für die Beschwerdeführerinnen. Im Sinne einer grundrechtsfreundlichen Auslegung sei es geboten, die Bekanntgabe als Realakt zu qualifizieren, um so deren Rechtmäßigkeit weiterhin umfassend überprüfen zu können. Da nach der äußeren Form der Bekanntgabe unklar sei, welche Rechtsqualität sie habe, müsse dies zu Lasten der Verwaltung gehen mit der Folge, dass bei der Auslegung die für den Betroffenen günstigste Variante anzunehmen sei. Wäre das Oberverwaltungsgericht hiervon ausgegangen, hätte es die Bekanntgabe der Ergebnisse für das Jahr 1997 wegen nicht ausreichender Befassung der Bundesregierung und unter Berücksichtigung der Fehlerquote für rechtswidrig erachten müssen, so dass die Voraussetzungen für die Nacherhebung und damit auch für die Bekanntgabe der so ermittelten Ergebnisse zu verneinen gewesen wären.
d) Soweit das Oberverwaltungsgericht der Bundesregierung bei Feststellung der Ergebnisse der Regelerhebung für das Jahr 1997 eine Einschätzungsprärogative eingeräumt habe, die es auch rechtfertige, eine 96-prozentige Wahrscheinlichkeit für ein tatsächliches Unterschreiten der Mehrwegquote von 72 vom Hundert im Jahre 1997 als ausreichend anzusehen, verstoße die damit einhergehende Rücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte gegen Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG. Für einen derartigen Eingriff in diese Grundrechte fehle die normative Ermächtigung der Bundesregierung. Mangels einer durch den Verordnungsgeber zulässigerweise eingeräumten Einschätzungsprärogative der Bundesregierung sei deshalb verfassungsrechtlich die uneingeschränkte gerichtliche Kontrolle der Frage geboten, ob die Regelerhebung des Jahres 1997 eine Unterschreitung der Mehrwegquote ergeben habe oder nicht. Tatsächlich habe der Soll-Wert von 72 vom Hundert innerhalb der Fehlertoleranz des ermittelten Wertes gelegen, so dass nicht mit der notwendigen Sicherheit feststehe, dass die Regelerhebung für das Jahr 1997 eine Unterschreitung der Mehrwegquote von 72 vom Hundert ergeben habe.
e) Die Beschwerdeführerinnen rügen weiterhin, dass § 9 Abs. 2 und 3 VerpackV insoweit mit Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar seien, als diese Verordnungsregelungen zu unbestimmt seien. Sie seien daher nichtig. Aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebe sich, dass eine Ermächtigungsgrundlage derart bestimmt sein müsse, dass die Gerichte die Rechtmäßigkeit des Eingriffshandelns nachprüfen könnten. Je intensiver der Eingriff sei, zu dem die Norm ermächtige, umso höher seien die Bestimmtheitsanforderungen. Da die Auferlegung der Pfanderhebungspflicht insbesondere wegen der damit verbundenen Kosten einen schwerwiegenden Eingriff in die Berufsfreiheit darstelle, wäre es erforderlich gewesen, dass der Verordnungsgeber auch das Verfahren, in dem der Mehrweganteil ermittelt werde, die Bewertung des Ermittlungsergebnisses und die Berücksichtigung der Fehlermarge normativ geregelt hätte. Tatsächlich sei dies nicht geschehen. Nicht einmal der Kreis der Mehrwegverpackungen, für die die Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV gelte, sei hinreichend bestimmt.
f) Gemessen an dem sich aus § 9 Abs. 3 VerpackV ergebenden Ziel des Verordnungsgebers, ökologisch vorteilhafte Getränkeverpackungen zu schützen, sei es im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigen, die als ökologisch vorteilhaft erkannten Getränkekartons – anders als die Schlauchbeutel-Verpackungen aus Polyethylen für Milch – nicht den Mehrwegverpackungen gleichzustellen. Die Erhebung des Zwangspfandes auf ökologisch vorteilhafte Getränkekartons verletze, weil diese Maßnahme zu dem angestrebten Zweck weder geeignet noch erforderlich sei, auch Art. 12 Abs. 1 GG. Unter Einbeziehung der als ökologisch vorteilhaft zu bewertenden Getränkekartons betrüge die Quote für das Jahr 1997 80,41 vom Hundert.
g) Schließlich verletze § 9 Abs. 2 und 3 VerpackV das Grundrecht der Beschwerdeführerinnen aus Art. 12 Abs. 1 GG, da Rücknahmepflicht und Pfanderhebung weder geeignet noch erforderlich seien, um das Regelungsziel der Verpackungsverordnung zu erreichen. Außerdem führe es zu einer unverhältnismäßigen Belastung der Beschwerdeführerinnen. Das Oberverwaltungsgericht habe in diesem Zusammenhang die für die Kontrolle von Eingriffen in die Berufsausübungsfreiheit maßgebenden Grundsätze verkannt, indem es nur bei einem zwingenden Schluss auf eine eindeutige Überschreitung der Einschätzungsprärogative des Verordnungsgebers im Hinblick auf die Eignung des gewählten Mittels einen Rechtsmangel annehme. Der Verordnungsgeber selbst habe nicht einmal bei Erlass der Verpackungsverordnung im Jahre 1991 beziehungsweise bei deren Änderung im Jahre 1998 eine sachkundige Prognose unter Ausschöpfung des erreichbaren Materials über die Lenkungswirkung des Zwangspfandes erstellt. Indem das Oberverwaltungsgericht insoweit – entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerinnen im Ausgangsverfahren – ohne Nachweis und Begründung von dem Gegenteil ausgehe, verletze es zugleich Art. 19 Abs. 4 GG. Das Umweltbundesamt (UBA) habe zwar im Januar 2001 festgestellt, dass die Pflichtbepfandung von Einweg-Getränkeverpackungen das Potenzial für eine positive ökologische Lenkungswirkung habe, jedoch könne diese – im Übrigen den vorliegenden wissenschaftlichen Studien nicht gerecht werdende – Einschätzung angesichts der Schwere des Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht genügen, um die Eignung des Mittels zu bejahen. Dies gelte zumal, da aus Sicht des Umweltrates die tatsächliche Wirkung der Einführung eines Zwangspfandes auf Einweg-Getränkeverpackungen von einer Reihe von Faktoren abhänge, deren Ausprägung nur schwer prognostiziert werden könne. Eine weitere Studie komme sogar zu dem Ergebnis, dass die Mehrwegquote bei der Einführung eines Zwangspfandes noch stärker fallen werde als ohne Einführung des Zwangspfandes. Es verletze den durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich fundierten Kontrollauftrag der Verwaltungsgerichtsbarkeit, wenn das Oberverwaltungsgericht ohne jede Auseinandersetzung und Begründung die Ergebnisse dieser beiden Gutachten lediglich unter Bezug auf eine ihrerseits nicht begründete Kritik des UBA als unerheblich betrachte.
Indem das Oberverwaltungsgericht davon ausgehe, dass die Quotenregelung ihre den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigende Funktion nur dann einbüßen würde, wenn aus gesamtökologischer Sicht die Stützung und Förderung von Mehrweg-Getränkeverpackungen „eindeutig keine ökologischen Vorteile mehr brächte”, unterschiebe es dem Verordnungsgeber eine Zielsetzung, die dieser nicht gehabt habe. Nach dessen Willen sollte § 9 Abs. 2 und 3 VerpackV nämlich ökologisch vorteilhafte Getränkeverpackungen stützen und fördern. Maßgebend für die Frage, ob die Regelung geeignet sei, das Ziel des Verordnungsgebers zu erreichen, sei deshalb die Eignung der Regelung, ökologisch vorteilhafte Getränkeverpackungen zu stabilisieren und zu fördern. Auf eine Verringerung der Gesamtabfallmenge und Erhöhung der Rücklaufquote komme es daher nur im Rahmen der Gesamtbewertung der ökologischen Vorteilhaftigkeit an. Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts müssten daher alle ökologisch vorteilhaften Getränkeverpackungen von der Regelung des Zwangspfandes ausgenommen werden, weil die Bepfandung dieser Verpackungen zur Förderung und Stabilisierung ökologisch vorteilhafter Verpackungen nicht erforderlich sei. Das Oberverwaltungsgericht verkenne Art. 12 Abs. 1 GG, wenn es die Eignung der Pfanderhebungspflicht auch im Hinblick auf die PET-Einwegflaschen bejahe, nur weil bis heute ein sicherer Nachweis der ökologischen Gleichwertigkeit der PET-Einwegflaschen mit entsprechenden Mehrwegflaschen fehle. Denn die Eignung eines Eingriffs zur Förderung des angestrebten Ziels setze den Nachweis voraus, dass die Verpackungen, für die Rücknahme- und Pfanderhebungspflichten begründet würden, ökologisch nicht vorteilhaft seien.
Die vom Bundesrat im Juli 2001 beschlossene, von der Bundesregierung jedoch abgelehnte Änderung der Verpackungsverordnung (BRDrucks 361/01), nicht mehr eine Mehrwegquote festzulegen, sondern Mindestabführmengen für ökologisch vorteilhafte Verpackungen und Mehrwegverpackungen festzulegen, sei auch als milderes Mittel der derzeitigen Regelung vorzuziehen.
Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne verkenne das Oberverwaltungsgericht bereits den verfassungsrechtlichen Maßstab, wenn es auf die vom Verordnungsgeber der Regelung zugedachten Wirkungen und nicht auf die objektiv zu erwartenden Wirkungen abstelle. Maßgebend seien nämlich nicht die vom Verordnungsgeber angenommenen Wirkungen, sondern die bei vernünftiger Betrachtung tatsächlich zu erwartenden Wirkungen. Bei der vorzunehmenden Abwägung stünden dem schwerwiegenden Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung durch die Auferlegung von kostspieligen Handlungspflichten keine angemessenen Vorteile gegenüber, sondern allenfalls ein Potenzial für eine positive Lenkungswirkung.
4. Die Bundesregierung hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Sie ist insbesondere der Auffassung, dass die Verfassungsbeschwerde aus Gründen der Subsidiarität unzulässig sei, weil die Beschwerdeführerinnen nach Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse ausreichenden fachgerichtlichen Rechtsschutz erlangen könnten. Im Übrigen sei die Verfassungsbeschwerde auch unbegründet.
5. Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2002 haben die Beschwerdeführerinnen den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da die Voraussetzungen für ihre Annahme nicht vorliegen. Weder kommt der Verfassungsbeschwerde grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Verfassungsrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫). Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.
1. Soweit die Beschwerdeführerinnen einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG rügen, genügt ihr Vorbringen nicht den gesetzlichen Substantiierungsanforderungen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG.
Zwar haben die Beschwerdeführerinnen vorgetragen, dass das Oberverwaltungsgericht zur weiteren Sachdarstellung auf Akten anderer Verfahren, an denen sie nicht beteiligt gewesen seien, verwiesen habe, ohne ihnen vor Erlass der Entscheidung Gelegenheit zur Kenntnisnahme dieser Akten zu geben. Ein solches Vorgehen des Gerichts ist grundsätzlich mit Art. 103 Abs. 1 GG unvereinbar. Denn eine dieser Verfassungsbestimmung genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligten zu erkennen vermögen, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Sie müssen sich bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt über den gesamten Verfahrensstoff informieren können (vgl. BVerfGE 84, 188 ≪190≫; 86, 133 ≪144≫; 89, 28 ≪35≫).
Die Beschwerdeführerinnen haben jedoch nicht dargelegt, was sie bei vorheriger Kenntnis der in Bezug genommenen Akten vorgetragen hätten. Es hätte ihnen oblegen, nach Zugang des angegriffenen Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts bei diesem Einsicht in diese Akten zu beantragen. Insoweit gilt zwar § 100 Abs. 1 VwGO nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens nicht mehr. Es steht jedoch im Ermessen des jeweiligen Gerichts, ob danach den ehemaligen Prozessbeteiligten Einsicht auch in beigezogene Akten gewährt wird. Entscheidend ist, ob für diese ein anerkennenswertes rechtliches Interesse an einer solchen nachträglichen Einsicht besteht (vgl. Geiger, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 100 Rn. 8). Es kann zumindest nicht unterstellt werden, dass das Oberverwaltungsgericht, gerade wenn es unzulässigerweise einen vorherigen Hinweis auf die Einbeziehung der Akten der anderen Verfahren unterlassen haben sollte, nun den Beschwerdeführerinnen die Einsicht zur Vorbereitung des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens verweigert hätte.
Unabhängig davon haben die Beschwerdeführerinnen nicht dargelegt, dass das Oberverwaltungsgericht im Rahmen der rechtlichen Begründung seiner Entscheidung auf tatsächliche Umstände, Stellungnahmen oder Gutachten Bezug genommen hätte, die ihnen unbekannt geblieben wären. Es ist deshalb nicht ersichtlich, inwieweit der angegriffene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts auf der unterbliebenen Information über die Einbeziehung der Akten anderer Verfahren beruhen könnte.
2. Einer Prüfung in der Sache steht im Übrigen teilweise der Grundsatz der Subsidiarität entgegen, weil die Beschwerdeführerinnen es unterlassen haben, das verwaltungsgerichtliche Klageverfahren durchzuführen.
Sind im Eilverfahren ergangene Entscheidungen Gegenstand der Verfassungsbeschwerde, verlangt § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht ohne weiteres, dass der Rechtsweg im Verfahren der Hauptsache erschöpft wird (vgl. BVerfGE 69, 315 ≪339 f.≫ m.w.N.). Der in dieser Norm zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität fordert zwar, dass der Beschwerdeführer über das Gebot der Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne hinaus die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen oder sie gar zu verhindern. Das bedeutet, dass auch die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache geboten ist, wenn sich dort nach der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Chance bietet, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen (vgl. BVerfGE 79, 275 ≪278 f.≫; 86, 15 ≪22 f.≫; Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Oktober 2001 – 1 BvR 622/01 –, NJW 2002, S. 741). Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn und soweit mit der Verfassungsbeschwerde Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auf die Hauptsache beziehen (vgl. BVerfGE 86, 15 ≪22≫; Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Oktober 2001 – 1 BvR 622/01 –, NJW 2002, S. 741). Die Notwendigkeit, vorab das Klageverfahren zu betreiben, entfällt nur, wenn dies für den Beschwerdeführer nicht zumutbar ist. Das ist der Fall, wenn eine Klage im Hinblick auf entgegenstehende Rechtsprechung der Fachgerichte von vornherein als aussichtslos erscheinen muss, wenn die Verletzung von Grundrechten durch die Eilentscheidung selbst geltend gemacht wird, wie etwa bei der Versagung rechtlichen Gehörs oder einer Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG durch die Verweigerung einstweiligen Rechtsschutzes, oder wenn die Entscheidung von keiner weiteren tatsächlichen Aufklärung abhängt und diejenigen Voraussetzungen gegeben sind, unter denen gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung abgesehen werden kann (vgl. BVerfGE 79, 275 ≪278 f.≫ m.w.N.).
a) Soweit die Beschwerdeführerinnen vortragen, dass das Oberverwaltungsgericht die Anforderungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Lasten der Beschwerdeführerinnen rechtsschutzverkürzend bemessen und damit gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verstoßen habe, machen sie einen dem Eilverfahren eigenen Verfassungsverstoß geltend. Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde zulässig.
b) Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde jedoch unzulässig. Die Beschwerdeführerinnen haben bisher keine vorbeugende Unterlassungsklage gegen die bevorstehende Bekanntmachung der Nacherhebungsergebnisse anhängig gemacht. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund es ihnen nach der Bekanntmachung der Ergebnisse der Regelerhebung für das Jahr 1997 im Januar 1999 unzumutbar gewesen sein sollte, diesen Klageweg zu beschreiten. Aufgrund dieser Bekanntmachung war ihnen bewusst, dass eine Nacherhebung durchgeführt würde. Auch waren sie im Klaren darüber, welche Rechtsfolgen sich bei gleichbleibender Rechtslage aus der nochmaligen Feststellung des Unterschreitens der Mehrwegquote ergeben würden. Obwohl mangels entgegenstehender Rechtsprechung der Fachgerichte eine Unterlassungsklage nicht von vornherein aussichtslos erscheinen musste, haben die Beschwerdeführerinnen – entgegen ihrer eigenen Ankündigung in ihrem das Ausgangsverfahren einleitenden Schriftsatz vom 20. November 2000 – von der Erhebung einer Klage abgesehen und ihr Begehren ausschließlich im Eilverfahren verfolgt. Hätten die Beschwerdeführerinnen zu gegebener Zeit, jedenfalls aber bei Stellung ihres Antrages nach § 123 Abs. 1 VwGO im November 2000, auch Klage erhoben, wäre es den Gerichten möglich gewesen, den Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht weiter aufzuklären. Das Oberverwaltungsgericht hat im angegriffenen Beschluss die entscheidungserhebliche und zwischen den Beteiligten des Ausgangsverfahrens höchst umstrittene Frage, ob die Quotenregelung des § 9 Abs. 2 VerpackV die ihr zugedachte Funktion zur Stabilisierung der Mehrwegverpackungssysteme erfüllen kann, nicht abschließend geklärt. Es hat ausdrücklich festgestellt, dass diese Klärung gegebenenfalls einem Verfahren der Hauptsache vorbehalten bleiben müsse. Eine solche abschließende Klärung würde eine eingehende Auseinandersetzung mit den divergierenden Studien, auf die sich die Beteiligten des Ausgangsverfahrens jeweils berufen hatten, erfordern (vgl. zu der unter Sachverständigen höchst umstrittenen Einschätzung der Folgen einer Pfanderhebung: Umweltgutachten 2000 und Bericht der Bundesregierung vom 28. Mai 2001 einschließlich Stellungnahme des Umweltbundesamtes vom 30. Januar 2001, BRDrucks 425/01). Nur auf einer solchen im Klageverfahren zu gewinnenden Grundlage könnte abschließend entschieden werden, ob die Regelung des § 9 VerpackV eine zur Zielerreichung geeignete Maßnahme und ein im verfassungsmäßigen Sinne verhältnismäßiger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerinnen darstellt. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, diese notwendige und im Klageverfahren zu leistende Aufklärung im Rahmen des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens erstmalig vorzunehmen.
Unabhängig davon, dass im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich nur eine summarische Prüfung der Rechtslage erfolgt, hätte ein Klageverfahren zudem auch die Möglichkeit geboten, dass sich das Bundesverwaltungsgericht mit den aufgeworfenen, zum Teil rechtlich schwierigen und bisher in der fachgerichtlichen Rechtsprechung höchstrichterlich nicht entschiedenen Fragen hätte befassen können.
In Anbetracht dessen mag dahinstehen, ob nunmehr – wie von den Beschwerdeführerinnen vorgetragen – die Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG gegeben sind.
3. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie jedoch unbegründet.
Die Voraussetzungen für die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs sind in dem angegriffenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts nicht in einer solchen Weise verschärft worden, dass dies dem sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergebenden Gebot des effektiven Rechtsschutzes widerspräche.
Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verpflichtet nicht nur den Gesetzgeber – wie für die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit § 123 VwGO geschehen –, eine Regelung vorzusehen, aufgrund deren die Gerichte vorläufigen Rechtsschutz gewähren können. Vielmehr sind auch die diese Vorschrift anwendenden Gerichte gehalten, bei ihrer Auslegung und Anwendung der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 79, 69 ≪74≫). Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es insoweit, wenn ein Verwaltungsgericht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes davon abhängig macht, dass der Beschwerdeführer das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes glaubhaft macht (vgl. BVerfGE 79, 69 ≪74≫).
Das Oberverwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Beschluss bei Bestimmung seines Prüfungsmaßstabes dargelegt, dass es wegen der divergierenden Allgemein- und Drittinteressen für die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches nicht genüge, wenn lediglich rechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der künftigen Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse beständen oder ein Obsiegen der Beschwerdeführerinnen in der Hauptsache ebenso wahrscheinlich wäre wie ein Unterliegen. Vielmehr sei die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren mögliche Feststellung einer deutlich überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Erfolgsaussichten der Beschwerdeführerinnen im Verfahren der Hauptsache notwendig.
Ob dieser Maßstab frei von verfassungsrechtlichen Bedenken ist, mag hier dahinstehen. Denn das Oberverwaltungsgericht hat sich nachfolgend eingehend mit den vorgetragenen Zweifeln an der Recht- und insbesondere auch Verfassungsmäßigkeit der entscheidungserheblichen Regelungen der Verpackungsverordnung sowie des Handelns der Bundesregierung beziehungsweise des BMU auseinander gesetzt. Es ist aufgrund dieser Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass zwar eine abschließende Bewertung gerade der Verhältnismäßigkeit der in der Verpackungsverordnung auferlegten Pflichten aufgrund der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu gewinnenden Erkenntnisse nicht möglich, wohl aber nach der vorläufigen Beurteilung der Sach- und Rechtslage ein Obsiegen der Beschwerdeführerinnen im Klageverfahren unwahrscheinlich sei. Für die konkrete Entscheidung kam es daher auf die vom Oberverwaltungsgericht eingangs angenommenen erhöhten Anforderungen an die Erfolgsaussichten in einem Klageverfahren nicht an.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Hoffmann-Riem
Fundstellen
Haufe-Index 771815 |
NVwZ 2002, 1230 |
NVwZ 2002, 969 |
GewArch 2002, 373 |
VR 2003, 209 |
DVBl. 2002, 1112 |
UPR 2002, 309 |
www.judicialis.de 2002 |