Entscheidungsstichwort (Thema)
keine Kostenerstattung bei Erledigung einer unzulässigen Verfassungsbeschwerde
Leitsatz (redaktionell)
Eine Kostenerstattung ist unbillig, wenn eine Verfassungsbeschwerde bereits bei ihrer Einlegung wegen Nichtbeachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes unzulässig war (vgl. Entscheidung des BVerfG vom 19.11.1991, 1 BvR 1521/89, BVerfGE 85, 109, 114ff).
Normenkette
GKG § 25 Abs. 2 S. 3; BVerfGG § 34a Abs. 3, § 90 Abs. 2 S. 1, § 93 Abs. 1
Beteiligte
Rechtsanwälte Dr. Wolfgang Philipp und Koll. |
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erstattung der notwendigen Auslagen für die Durchführung des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens wird abgelehnt.
Tatbestand
I.
Die Beschwerdeführerin hatte im Verfassungsbeschwerde-Verfahren gerügt, der Bundesgerichtshof habe gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstossen, weil er den vom Oberlandesgericht festgesetzten Streitwert ohne vorherige Anhörung erhöht habe. Im Hinblick auf die sachliche Bescheidung ihrer zeitgleich mit der Verfassungsbeschwerde erhobenen Gegenvorstellung gegen den Streitwertbeschluss des Bundesgerichtshofs hat die Beschwerdeführerin das Verfassungsbeschwerde-Verfahren für erledigt erklärt; sie beantragt, ihr die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Entscheidungsgründe
II.
Aufgrund der Erledigungserklärung ist über die Verfassungsbeschwerde nicht mehr zu entscheiden. Es entspricht nicht der Billigkeit im Sinne des § 34 a Abs. 3 BVerfGG (vgl. BVerfGE 85, 109 ≪114 ff.≫), der Beschwerdeführerin die ihr im Verfassungsbeschwerde-Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten, weil die Verfassungsbeschwerde gegen den Grundsatz der Subsidiarität (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) verstieß und daher unzulässig war (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 23. Juni 1994 – 2 BvR 117/94, vom 31. Oktober 1995 – 2 BvR 1182/95 und vom 2. Juli 1998 – 2 BvR 989/98).
Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt von einem Beschwerdeführer, Gegenvorstellung gegen eine unanfechtbare gerichtliche Entscheidung zu erheben, um eine Korrektur der geltend gemachten Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erwirken, sofern diese Möglichkeit der Selbstkorrektur nicht von vornherein verschlossen ist (vgl. BVerfGE 63, 77 ≪78 f.≫; 73, 322 ≪326 f.≫). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die innerhalb der Frist des § 25 Abs. 2 Satz 3 GKG erhobene Gegenvorstellung gegen eine von ihm erlassene Streitwertfestsetzung grundsätzlich sachlich beschieden (Beschluss vom 30. Juni 1977 – VIII ZR 111/76 –, MDR 1977, S. 925; vom 12. Februar 1986 – IV a ZR 138/83 –, MDR 1986, S. 654; vom 8. Februar 2000 – VI ZR 283/99 –, NJW 2000, S. 1343; vom 31. August 2000 – XII ZR 103/98 –). Danach war die Beschwerdeführerin gehalten, mit der Einlegung der Verfassungsbeschwerde zuzuwarten, bis der Bundesgerichtshof über ihre Gegenvorstellung entscheidet. Ein solches Zuwarten war ihr zumutbar. Wie dargelegt, war eine Heilung des von ihr gerügten Gehörsverstoßes durch eine sachliche Bescheidung der Gegenvorstellung keineswegs ausgeschlossen. Zu Unrecht geht die Beschwerdeführerin davon aus, sie habe die Verfassungsbeschwerde vorsorglich zur Wahrung der Frist für den Fall einlegen müssen, dass der Bundesgerichtshof nicht sachlich über ihre Gegenvorstellung entscheide. Denn selbst wenn der Bundesgerichtshof entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung die Gegenvorstellung für unstatthaft gehalten hätte, hätte die Frist erst mit Zugang dieses Beschlusses zu laufen begonnen. Bis zu diesem Beschluss jedenfalls wäre die Statthaftigkeit der Gegenvorstellung aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht einmal zweifelhaft gewesen. Im Blick auf den Grundsatz der Subsidiarität (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) muss der Beschwerdeführer von einem Rechtsbehelf grundsätzlich selbst dann Gebrauch machen, wenn dessen Statthaftigkeit zweifelhaft ist (vgl. BVerfGE 91, 93 ≪106≫).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Haas, Hohmann-Dennhardt
Fundstellen
NJW 2002, 3387 |
NVwZ 2003, 342 |
KammerForum 2003, 68 |