Verfahrensgang
OLG Celle (Beschluss vom 14.01.2008; Aktenzeichen 1 Ws 465/07 (StrVollz)) |
LG Lüneburg (Beschluss vom 26.10.2007) |
OLG Celle (Beschluss vom 13.09.2007) |
OLG Celle (Beschluss vom 27.08.2007; Aktenzeichen 1 Ws 314/07 (StrVollz)) |
LG Lüneburg (Beschluss vom 25.06.2007; Aktenzeichen 17a StVK 278/07) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob Art. 19 Abs. 4 GG verletzt ist, wenn in einem Verfahren, in dem ein Gefangener sich gegen Inhalte des für ihn erstellten Vollzugsplans wendet, die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil der Rechtsstreit sich durch Fortschreibung des Vollzugsplans erledigt habe und eine Umstellung des Rechtsschutzbegehrens auf Fortsetzungsfeststellung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht möglich sei.
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen Feststellungen in dem für ihn erstellten Vollzugsplan und gegen hierzu ergangene fachgerichtliche Entscheidungen. Mit dem zuletzt ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts wurde seine Rechtsbeschwerde kostenfällig verworfen, da der Rechtsstreit sich durch zwischenzeitliche Fortschreibung des Vollzugsplans bereits vor Einlegung der Rechtsbeschwerde erledigt habe. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats trete in einem solchen Fall Erledigung auch dann ein, wenn der neue Vollzugsplan die konkret angegriffene Regelung des früheren unverändert enthalte. Ferner entspreche es einhelliger Auffassung, dass bei Erledigung der Hauptsache vor Einlegung der Rechtsbeschwerde diese unzulässig sei. Die Rechtsbeschwerde diene zwar nach § 116 Abs. 1 StVollzG der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, setze aber das Fortwirken der zu überprüfenden Entscheidung voraus; die Entscheidung einer abstrakten Rechtsfrage sei dafür nicht geeignet. § 115 Abs. 3 StVollzG gelte dementsprechend nicht für das Rechtsbeschwerdeverfahren. Die Regelung sei weder durch § 116 Abs. 4 StVollzG ausdrücklich für anwendbar erklärt worden noch komme eine entsprechende Anwendung in Betracht. Ihre Anwendung würde nämlich zur Folge haben, dass das Rechtsbeschwerdegericht erstmals über die Zulässigkeit und Begründetheit des Feststellungsantrags befinden müsste, was dem Wesen der Rechtsbeschwerde widerspräche und vom Rechtsbeschwerdegericht, das keine tatsächlichen Feststellungen treffen dürfe, häufig auch nicht zu leisten wäre.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung seines Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG).
Entscheidungsgründe
II.
Die Voraussetzungen, unter denen die Verfassungsbeschwerde gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen wäre, liegen nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a) BVerfGG kommt ihr nicht zu. Obwohl der Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung seines Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG darlegt (1.), ist es nicht gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b) BVerfGG angezeigt, die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen (2.).
1. Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt.
a) Das Oberlandesgericht stützt sich auf die Annahme, dass eine nach eingetretener Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzbegehrens erhobene Rechtsbeschwerde unzulässig sei.
Dies entspricht der herrschenden Auffassung. Die obergerichtliche Rechtsprechung geht einhellig davon aus, dass in der Rechtsbeschwerdeinstanz eine Fortsetzungsfeststellung nicht in Betracht komme (vgl. OLG Koblenz, Beschlüsse vom 13. Juni 1978 – 2 Vollz (Ws) 7/78 –, ZfStrVO 1979 ≪Sonderheft≫, S. 107 ≪108≫, vom 26. März 1981 – 2 Vollz (Ws) 10/81 –, ZfStrVO 1981, S. 315 ≪316≫ und vom 17. April 1997 – 2 Ws 25/97 –, NStZ 1998, S. 400; Hanseatisches OLG in Bremen, Beschluss vom 29. Mai 1979 – Ws 104/79 –, ZfStrVO 1979 ≪Sonderheft≫, S. 108 f.; OLG München, Beschlüsse vom 8. August 1980 – 1 Ws 733/80 –, NStZ 1981, S. 250 und vom 18. November 1985 – 1 Ws 876/85 – NStZ 1986, S. 96; KG, Beschluss vom 24. Juni 1981 – 2 Ws 27/81 Vollz –, Strafverteidiger 1982, S. 79; OLG Hamm, Beschlüsse vom 23. Mai 1985 – 1 Vollz (Ws) 56/85 –, NStZ 1985, S. 576, vom 8. April 1999 – 1 Vollz (Ws) 25/99 –, ZfStrVO 2000, S. 179 f. und vom 4. Oktober 2001 – 1 Vollz (Ws) 201/01 –, ZfStrVO 2002, S. 243 ≪244≫; OLG Stuttgart, Beschluss vom 6. Dezember 1988 – 4 Ws 330/88 –, ZfStrVO 1989, S. 379; OLG Celle, Beschluss vom 4. Januar 1991 – 1 Ws 241/90 –, ZfStrVO 1994, S. 115; OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27. Novem-ber 2000 – 1 Ws 439/00 –, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13. Januar 2004 – 1 Ws 27/03 –, ZfStrVO 2004, S. 304; Thüringer OLG, Beschlüsse vom 24. Juni 2004 – 1 Ws 192/04 –, ZfStrVO 2005, S. 184 und vom 12. Juli 2004 – 1 Ws 135/04 –, ZfStrVO 2005, S. 245 ≪246≫; anders noch OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 1977 – 1 Vollz (Ws) 37/77 –, juris; offenlassend OLG Saarbrücken, Beschluss vom 23. September 1977 – Ws 315/77 –, ZfStrVO 1978 ≪Sonderheft≫, S. 57; vgl. auch Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl. 2008, § 115 Rn. 26; Kamann/Volckart, in: AK-StVollzG, 5. Aufl. 2006, § 115 Rn. 65; Arloth, StVollzG, 2. Aufl. 2008, § 115 Rn. 11 sowie § 116 Rn. 2; Schuler, in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, 4. Aufl. 2005, § 115 Rn. 17 und § 116 Rn. 11; die Zulässigkeit der Umstellung des Rechtsschutzbegehrens auf Fortsetzungsfeststellung jenseits der Tatsacheninstanzen bejahend dagegen BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2009 – 3 C 11/08 –, juris; BVerwG, Urteil vom 2. April 2008 – 8 C 7/07 –, juris).
Dabei wird regelmäßig angenommen, dass für den Fall des Eintritts der Erledigung im Zeitraum zwischen erstinstanzlicher Entscheidung und Einlegung der Rechtsbeschwerde diese als unzulässig zu verwerfen ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 8. April 1999 – 1 Vollz (Ws) 25/99 –, ZfStrVO 2000, S. 179 f.; Thüringer OLG, Beschluss vom 24. Juni 2004 – 1 Ws 192/04 –, ZfStrVO 2005, S. 184, jeweils mit Kostenentscheidung nach § 121 StVollzG i.V.m. § 473 StPO), während bei Erledigungseintritt nach Einlegung der Rechtsbeschwerde das Gericht nur noch die Erledigung auszusprechen und über die Kosten zu entscheiden hat (vgl. etwa KG, Beschluss vom 24. Juni 1981 – 2 Ws 27/81 Vollz –, Strafverteidiger 1982, S. 79; OLG München, Beschluss vom 18. November 1985 – 1 Ws 876/85 –, NStZ 1986, S. 96; OLG Celle, Beschluss vom 4. Januar 1991 – 1 Ws 241/90 –, ZfStrVO 1994, S. 115; OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27. November 2000 – 1 Ws 439/00 –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 4. Oktober 2001 – 1 Vollz (Ws) 201/01 –, ZfStrVO 2002, S. 243 ≪244≫; Thüringer OLG, Beschluss vom 12. Juli 2004 – 1 Ws 135/04 –, ZfStrVO 2005, S. 245 ≪246≫; a.A. zur Kostenfrage früher OLG Koblenz, Beschluss vom 13. Juni 1978 – 2 Vollz (Ws) 7/78 –, ZfStrVO 1979 ≪Sonderheft≫, S. 107 ≪108≫, vgl. dazu Volckart, Anmerkung zu KG, Beschluss vom 24. Juni 1981 – 2 Ws 27/81 Vollz –, Strafverteidiger 1982, S. 79, m.w.N.; a.A. hinsichtlich der Rechtsfolgen im Übrigen OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13. Januar 2004 – 1 Ws 27/03 –, ZfStrVO 2004, S. 304).
b) Weiter geht das Oberlandesgericht davon aus, dass der Rechtsstreit sich mit der Fortschreibung des Vollzugsplans erledigt habe (a.A. HansOLG Hamburg, Beschluss vom 13. Juni 2007 – 3 Vollz (Ws) 26/07 u.a. –, StraFo 2007, S. 390 ≪391≫).
c) Dies wirft die Frage auf, ob die genannten Annahmen, jedenfalls in ihrer Kombination, den Erfolg von Rechtsbeschwerden eines Gefangenen, die Vollzugsplaninhalte betreffen, prinzipiell in die Hand der jeweiligen Antragsgegnerin legen, weil diese, ohne dem Begehren des Gefangenen abzuhelfen, seiner Rechtsbeschwerde die Erfolgsaussicht entziehen kann, indem sie nach Ergehen der erstinstanzlichen Entscheidung den Vollzugsplan fortschreibt, ohne ihn in den beanstandeten Punkten zu verändern. Hiermit und mit der weiteren Frage, ob es mit Art. 19 Abs. 4 GG – der nicht mehrere Instanzen, wohl aber die Wirksamkeit des Rechtsschutzes für jede einfachgesetzlich eröffnete Instanz gewährleistet (vgl. BVerfGE 117, 244 ≪268≫, stRspr) – vereinbar ist, wenn über den Erfolg von Rechtsmitteln in dieser Weise die Gegenseite verfügen kann, hat sich das Gericht nicht auseinandergesetzt. Auch auf die Frage, ob eine Pflicht zur Vorlage gemäß § 121 Abs. 2 GVG bestand, ist es nicht eingegangen.
2. Die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen, ist jedoch bereits deshalb nicht angezeigt, weil der Rechtsweg nicht erschöpft ist. Der Beschwerdeführer macht geltend, in seinem grundrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt zu sein, hat hiergegen aber keine Abhilfe mit einer Anhörungsrüge gemäß § 120 Abs. 1 StVollzG, § 33a StPO gesucht. Die Anhörungsrüge gehört zum Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 BVerfGG (vgl. BVerfGK 5, 337 ≪338≫; 9, 28 ≪33≫). Da der Beschwerdeführer keine Angaben zu den Gründen gemacht hat, deretwegen ein Gehörsverstoß vorliegen soll, und keine Gründe ins Auge fallen, deretwegen ein solcher Verstoß von vornherein ausgeschlossen erschiene, kann nicht festgestellt werden, dass die Erhebung einer Anhörungsrüge offensichtlich aussichtslos gewesen und daher entbehrlich (vgl. BVerfGK 7, 115 ≪116≫; 7, 403 ≪407≫; 9, 390 ≪394≫) wäre.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Voßkuhle, Mellinghoff, Lübbe-Wolff
Fundstellen