Verfahrensgang
VG Leipzig (Aktenzeichen 7 K 1589/97) |
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 und 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 21. November 2000 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladenen zu 1 und 2 tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3 und 4, die diese selbst tragen.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 53 840 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beigeladenen zu 1 und 2 wenden sich gegen die vermögensrechtliche Rückübertragung des Eigentums an dem Flurstück Nr. 58/1 der Gemarkung Q. an den Kläger. Das Verwaltungsgericht hat einen redlichen Erwerb des Beigeladenen zu 1 und dessen Ehefrau verneint. Es seien greifbare Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Eigentumserwerb gegen das Verbot der Konzentration von Grundbesitz gemäß § 5 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung über den Verkehr mit Grundstücken in der hier maßgeblichen Fassung vom 11. Januar 1963 (GBl DDR II S. 159) verstoßen habe und der Beigeladene zu 1 und dessen Ehefrau durch falsche Angaben über ihr Eigentum an einem weiteren, mit einem Eigenheim bebauten Grundstück den Erwerbsvorgang gezielt beeinflusst hätten. Das Verwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 und 2 gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Weder liegen die gerügten Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor (1) noch weicht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab (2). Auch kommt der Rechtssache nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu (3).
1. Das Verwaltungsgericht hat weder seine Aufklärungspflicht verletzt noch den Beschwerdeführern das rechtliche Gehör versagt oder gegen den Überzeugungsgrundsatz verstoßen.
a) Die Beschwerde sieht eine Verletzung der Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) zu Unrecht darin, dass das Verwaltungsgericht kein Sachverständigengutachten zur Bebaubarkeit des Grundstücks eingeholt hat. Eine solche – in erster Instanz nicht beantragte – Beweiserhebung musste sich dem Verwaltungsgericht nicht aufdrängen. Eine fehlende Bebaubarkeit des Grundstücks wegen einer früheren Nutzung als Müllkippe ist von den Beigeladenen lediglich darauf gestützt worden, dass sie dies von Nachbarn – so der Beigeladene zu 1 – oder von „alteingesessenen Einwohnern” – so die Beigeladene zu 4 – erfahren hätten. Angesichts dieser unsubstantiierten Angaben lediglich vom Hörensagen konnte sich das Verwaltungsgericht auf die Feststellung beschränken, dass sich aus der Bauakte keine Hinweise auf eine fehlende oder eingeschränkte Bebaubarkeit ergebe und im Jahr 1973 den Beigeladenen zu 3 und 4 noch die behördliche Genehmigung zur Errichtung eines Gartenbungalows auf dem Flurstück Nr. 58/2 erteilt worden sei. Da das Grundstück im Kaufvertrag als „Eigenheimgrundstück” bezeichnet worden war, sich als Baulücke in einem Wohngebiet darstellte und nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts der vereinbarte Kaufpreis dem Bodenwert für Bau- und nicht für Gartenland entsprach, liegt die Annahme mehr als nahe, dass jedenfalls in dem Genehmigungsverfahren eine eingeschränkte oder fehlende Bebaubarkeit des Grundstücks, wäre sie den Beteiligten bewusst gewesen, zur Sprache gekommen wäre und Niederschlag in der Bauakte gefunden hätte.
Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, dass der damals für die Übertragung des Grundstücks zuständige Sachbearbeiter des Rates der Gemeinde L. nicht vernommen worden sei, genügt diese Rüge nicht den Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Hierzu bedarf es der substantiierten Darlegung, hinsichtlich welcher konkreten tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf besteht (stRspr; z.B. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14). Dem trägt die allgemeine Angabe, dass es der weiteren Aufklärung der Umstände des Grundstückskaufs bedurft hätte, nicht Rechnung.
b) Auch ist den Beschwerdeführern nicht das rechtliche Gehör versagt worden (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Nach ihrer Auffassung stellt sich das Urteil des Verwaltungsgericht als „Überraschungsurteil” dar; das Verwaltungsgericht habe mit der Begründung, der Beigeladene zu 1 und dessen Ehefrau hätten, um eine Unredlichkeit auszuschließen, eine Verzichtserklärung auf eine Bebauung des Grundstücks abgeben müssen, einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht.
Eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass jeder Verfahrensbeteiligte auch zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Deshalb obliegt es dem Gericht, Hinweise auf Überlegungen des Gerichts zu geben, aus denen sich für die Beteiligten die Notwendigkeit zu neuen tatsächlichen Ausführungen ergeben könnte, weil etwa ein noch nicht erörterter Gesichtspunkt zur Grundlage der Entscheidung gemacht werden soll, der dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der selbst bei gewissenhafter Prozessführung niemand rechnen musste (Urteil vom 28. Oktober 1998 – BVerwG 8 C 30.96 – Buchholz 401.64 § 9 AbwAG Nr. 4 S. 7 f. m.w.N.; auch BVerfG, NJW 1991, 2823 ≪2824≫). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Aufgrund der mündlichen Verhandlung war den Beschwerdeführern bewusst, dass das Verwaltungsgericht die Konzentration bebaubarer Wohngrundstücke in ihrer Hand als entscheidungserheblich ansah. Sie war ein wesentlicher Gegenstand der Anhörung der Beigeladenen zu 1 und 4 in der mündlichen Verhandlung am 21. November 2000. Dementsprechend haben die Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung auch darauf abgestellt, dass die Flurstücke wegen einer angeblichen früheren Nutzung als Müllkipppe nicht bebaubar (gewesen) seien. Auch für die in erster Instanz anwaltlich nicht vertretenen Beschwerdeführer lag es danach auf der Hand, dass es darauf ankommen kann, ob im Falle der tatsächlichen Bebaubarkeit des Grundstücks die Konzentration solcher Grundstücke in ihrer Hand aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen war. Insofern hat das Verwaltungsgericht mit der Feststellung, dass eine Bebauung nicht in rechtsverbindlicher Weise, etwa durch eine entsprechende Aufnahme einer Klausel im Kaufvertrag, ausgeschlossen gewesen sei, dem Rechtsstreit keine „überraschende” Wendung gegeben.
Die Rüge greift auch aus einem weiteren Grund nicht durch. Es ist nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise substantiiert dargelegt worden, was die Beschwerdeführer bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätten und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung der Redlichkeit des Rechtserwerbs geeignet gewesen wäre (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 15). Auf die Absicht, lediglich einen Kleingarten betreiben zu wollen, und die tatsächlich durchgeführte kleingärtnerische Nutzung haben die Beschwerdeführer bereits im erstinstanzlichen Verfahren hingewiesen. Was sie darüber hinaus vorgetragen hätten und ihnen durch eine Versagung rechtlichen Gehörs abgeschnitten worden ist, legen sie nicht dar.
c) Nach Meinung der Beschwerde hat das Verwaltungsgericht dadurch gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verstoßen, dass es die tatsächliche Unbebaubarkeit des Grundstücks ebenso unberücksichtigt gelassen habe wie den Weiterverkauf eines Teils des Grundstücks an die Beigeladenen zu 3 und 4 als Gartengrundstück. Auch diese Rüge hat keinen Erfolg. Das Gebot der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Beweiswürdigung ist verletzt, wenn ein Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, es insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen (Urteil vom 31. Oktober 1994 – BVerwG 9 C 25.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 261 S. 5). Soweit es die behauptete Unbebaubarkeit des Grundstücks betrifft, scheidet ein Verfahrensfehler bereits deshalb aus, weil sich das Verwaltungsgericht mit der angeblichen Unbebaubarkeit und den hierfür angeführten Gründen in dem angefochtenen Urteil näher befasst hat. Die Veräußerung des Flurstücks Nr. 58/2 als „Gartengrundstück” an die Beigeladenen zu 3 und 4 ist in dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils erwähnt; in den Entscheidungsgründen ist das Verwaltungsgericht hierauf jedoch nicht ausdrücklich eingegangen. Hierfür bestand auch keine Notwendigkeit. Maßgeblich war für das Verwaltungsgericht der Vertrag des Beigeladenen zu 1 und dessen Ehefrau mit dem Rat der Gemeinde L. als staatlichem Verwalter, in dem das Grundstück als „Eigenheimgrundstück” bezeichnet worden war, und insbesondere die Eignung des Grundstücks zur Bebauung mit einem Eigenheim. Dagegen kam es für das Verwaltungsgericht auf die tatsächliche oder die beabsichtigte Nutzung nicht an.
2. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts weicht nicht von dem Urteil des Senats vom 10. Dezember 1998 – BVerwG 7 C 42.97 – (Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 63) ab. Der von dem Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Rechtssatz, dass eine Konzentration von Eigentums- und Nutzungsrechten an Grundstücken in der Regel erst dann entstand, wenn der Eigentümer oder Nutzungsberechtigte eines Wohn- oder Erholungsgrundstücks, das nur von ihm oder seiner Familie genutzt wurde, das Eigentums- oder Nutzungsrecht an einem weiteren gleichartigen oder ähnlichen Grundstück erwerben wollte, steht nicht im Widerspruch zu dem erwähnten Urteil des Senats vom 10. Dezember 1998, sondern entspricht ihm. Das Verwaltungsgericht hat diesen Rechtssatz wörtlich aus Abschnitt III Nr. 12 der Gemeinsamen Richtlinie der Ministerien des Innern und der Finanzen in der Fassung vom 19. Mai 1983 (abgedruckt in der Schriftenreihe des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen, Heft 1, 1991, S. 369) übernommen. Der Senat hat in dem Urteil vom 10. Dezember 1998 diesen Text der Gemeinsamen Richtlinie als Beleg dafür zitiert, dass die Rechtspraxis den in dem Urteil zuvor genannten Rechtsvorschriften entsprach. Er diente als zusammenfassende Beschreibung der Voraussetzungen für eine Konzentration von Grundbesitz.
3. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
a) Die Beschwerdeführer möchten geklärt wissen, ob das schuldhafte Verschweigen eines erwerbsrelevanten Umstandes durch die Erwerber überhaupt von § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG erfasst wird oder ob ein solches Verhalten als ein den gesetzlichen Regelbeispielen vergleichbarer Fall unredlichen Erwerbs einzuordnen wäre. Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es nicht der Durchführung des Revisionsverfahrens. Sie ist zum einen nicht klärungsbedürftig, da in beiden Alternativen der Rechtserwerb als unredlich anzusehen wäre. Davon abgesehen ist die Frage, die der Senat in dem Urteil vom 10. Dezember 1998 – BVerwG 7 C 42.97 – (a.a.O., S. 148) offen lassen konnte, weil nach dem damaligen Sachverhalt kein schuldhaftes Verschweigen eines erwerbsrelevanten Umstandes vorlag, im Sinne der ersten Alternative zu beantworten. Zwar muss der Erwerber bei der Fallgruppe des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG nicht aktiv an der Manipulation mitwirken; es genügt, dass er die Manipulation auf Seiten der staatlichen Stellen kannte oder hätte kennen müssen (Urteil vom 19. Januar 1995 – BVerwG 7 C 42.93 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 12 S. 25). Weder der Wortlaut noch der Zweck der Vorschrift schließen es aber aus, die Vorschrift auf eine gezielte Beeinflussung des Erwerbsvorgangs durch die Erwerber anzuwenden. Die Voraussetzung, dass der Erwerber von dem Verstoß gegen Rechtsvorschriften „wusste”, erfasst – anders als die Alternative des Kennenmüssens – auch Manipulationen durch den Erwerber selbst. Auch in diesem Fall liegt der eigentliche manipulative Vorgang in dem mit dem Erwerb verbundenen Verstoß gegen allgemeine Rechtsvorschriften. Die weitere Voraussetzung, dass die Abweichung die Absicht erkennen lassen muss, den Erwerbsvorgang gezielt zu beeinflussen, kann, wie der vorliegende Sachverhalt zeigt, auch durch ein Verhalten der Erwerber erfüllt werden.
b) Die von den Beschwerdeführern aufgeworfene Frage, ob es zur Annahme unredlichen Erwerbs, insbesondere der gezielten Beeinflussung des Erwerbsvorgangs führt, wenn der Eigentümer eines Eigenheimgrundstücks daneben ein weiteres Eigenheimgrundstück, allerdings nur zur Nutzung als Gartengrundstück, erwirbt, würde sich nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass es sich bei dem Grundstück um ein Wohngrundstück handelt; hiervon geht auch die Frage der Beschwerdeführer aus, die von dem Erwerb eines Eigenheimgrundstücks spricht. Als maßgeblich für die Qualifizierung des Grundstücks hat das Verwaltungsgericht in Anwendung nicht revisibler Rechts- und Verwaltungsvorschriften der DDR angesehen, dass das Grundstück zur Bebauung mit einem Wohngebäude geeignet und die Bebaubarkeit nicht durch vertragliche Vereinbarungen oder Rechtsvorschriften ausgeschlossen war. Wenn danach die Absicht, das Grundstück als Garten zu nutzen, für die Anwendung des Verbots der Konzentration von Grundbesitz nicht erheblich war, folgt hieraus ohne weiteres, dass diese Nutzungsabsicht der Annahme einer gezielten Beeinflussung des Erwerbsvorgangs nicht entgegensteht.
c) Die weitere von den Beschwerdeführern als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob der Erwerb eines Grundstücks, dessen tatsächliche Nutzungsmöglichkeit lediglich in der gärtnerischen Nutzung bestanden habe, den allgemeinen Rechtsvorschriften der DDR oder der seinerzeitigen Verwaltungspraxis widersprochen habe, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Denn das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass das Grundstück nicht nur als Garten genutzt werden konnte, sondern mit einem Wohngebäude bebaubar war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes, die nur den Verkehrswert des Flurstücks Nr. 58/1 berücksichtigt, beruht auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Franßen, Gödel, Neumann
Fundstellen