Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Niederlassungsfreiheit. Öffentliche Gesundheit. Apotheken. Angemessene Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Bewilligung des Betriebs. Territoriale Verteilung der Apotheken. Ziehung von Grenzen, die im Wesentlichen auf einem demografischen Kriterium beruhen

 

Normenkette

Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; AEUV Art. 49

 

Beteiligte

Sokoll-Seebacher und Naderhirn

Susanne Sokoll-Seebacher

Manfred Naderhirn

 

Tenor

Das Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68), ist so zu verstehen, dass das in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung festgelegte Kriterium einer starren Grenze der Zahl der „weiterhin zu versorgenden Personen” bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke allgemein in keiner konkreten Situation, die einer Prüfung unterzogen wird, Anwendung finden darf.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich mit Entscheidung vom 24. November 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 30. November 2015, in dem Verfahren

Susanne Sokoll-Seebacher,

Manfred Naderhirn,

Beteiligte:

Agnes Hemetsberger,

Mag. Jungwirth und Mag. Fabian OHG u. a.,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. Šváby sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter) und M. Safjan,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht in von Frau Susanne Sokoll-Seebacher und Herrn Manfred Naderhirn angestrengten Verfahren, die die Eröffnung einer neuen öffentlichen Apotheke bzw. die Erweiterung des Standorts der Betriebsstätte einer bestehenden öffentlichen Apotheke betreffen.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

§ 10 des Apothekengesetzes in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: ApG) bestimmt:

„(1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

  1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und
  2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

  1. sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und weniger als zwei Vertragsstellen … (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, oder
  2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 Meter beträgt oder
  3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird.

(3) Ein Bedarf gemäß Abs. 2 Z 1 besteht auch dann nicht, wenn sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke

  1. eine ärztliche Hausapotheke und
  2. eine Vertragsgruppenpraxis befindet, …

(4) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z 3 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.

(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne des Abs. 4 weniger als 5 500, so sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen.

(6) Die Entfernung gemäß Abs. 2 Z 2 darf ausnahmsweise unterschritten werden, wenn es besondere örtliche Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dringend gebieten.

(7) Zur Frage des Bedarfes an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke ist ein Gutachten der österreichischen Apothekerkammer einzuholen. …

…”

Rz. 4

§ 46 Abs. 5 ApG bestimmt:

„Über einen Antrag auf Erweiterung des bei Erteilung der Konzession zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke gemäß § 9 Abs. 2 festgesetzten Standortes oder um nachträgliche Festsetzung des Standortes, wenn dieser bei Erteilung der Konzession nicht gemäß § 9 Abs. 2 bestimmt wurde, ist das für die Konzessionserteilung vorgesehene Verfahren durchzuführen.”

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

Rz. 5

In den Ausgangsverfahren, über die das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich zu entscheiden hat, sind bereits Vorabentscheidungen ergangen, nämlich das Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12...

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