Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbraucherschutz. Vorlage zur Vorabentscheidung. Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen. Rücktritt von einem Pauschalreisevertrag. Unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände. Covid-19-Pandemie. Erstattung der vom Reisenden für die Pauschalreise getätigten Zahlungen. Erstattung in Geld oder Erstattung durch eine gleichwertige Ersatzleistung in Form eines Guthabens (‚Gutschein‘). Verpflichtung, dem Reisenden die getätigten Zahlungen innerhalb von spätestens 14 Tagen nach Beendigung des Pauschalreisevertrags zu erstatten. Vorübergehende Befreiung von der Verpflichtung zur Erstattung. Anpassung der Wirkungen einer nach nationalem Recht ergehenden Entscheidung, mit der eine nationale Regelung, die gegen die Verpflichtung zur Erstattung verstößt, für nichtig erklärt wird, in zeitlicher Hinsicht

 

Normenkette

EURL 2015/2302 Art. 12 Abs. 2, 4

 

Beteiligte

UFC - Que choisir und CLCV

Union fédérale des consommateurs – Que choisir (UFC – Que choisir)

Consommation, logement et cadre de vie (CLCV)

Premier ministre

Ministre de l’Économie, des Finances et de la Relance

 

Tenor

1.Art. 12 Abs. 2 und 3 der Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG

ist dahin auszulegen, dass,

wenn der Reiseveranstalter nach dieser Bestimmung im Fall des Rücktritts von einem Pauschalreisevertrag verpflichtet ist, dem Reisenden alle für die Pauschalreise getätigten Zahlungen voll zu erstatten, unter einer solchen Erstattung ausschließlich eine Erstattung der Zahlungen in Geld zu verstehen ist.

2.Art. 12 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie 2015/2302 in Verbindung mit deren Art. 4

ist dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Pauschalreiseveranstalter im Kontext des Ausbruchs einer weltweiten gesundheitlichen Notlage, wegen derer Pauschalreiseverträge nicht erfüllt werden können, vorübergehend von ihrer Verpflichtung befreit sind, den Reisenden innerhalb von spätestens 14 Tagen nach Beendigung des Pauschalreisevertrags alle für die Pauschalreise getätigten Zahlungen voll zu erstatten, und zwar auch dann, wenn die Regelung dazu dient, zu verhindern, dass wegen der hohen Zahl der zu erwartenden Erstattungsforderungen die Liquidität der Reiseveranstalter derart beeinträchtigt wird, dass deren Existenz bedroht ist, und damit dazu, die Lebensfähigkeit der betreffenden Branche zu erhalten.

3.Das Unionsrecht, insbesondere der in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerte Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit,

ist dahin auszulegen, dass

ein nationales Gericht, das über eine Klage auf Nichtigerklärung einer nationalen Regelung zu entscheiden hat, die gegen Art. 12 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie 2015/2302 verstößt, danach nicht befugt ist, die Wirkungen seiner Entscheidung, mit der die nationale Regelung für nichtig erklärt wird, in zeitlicher Hinsicht anzupassen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-407/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) mit Entscheidung vom 1. Juli 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Juli 2021, in dem Verfahren

Union fédérale des consommateurs – Que choisir (UFC – Que choisir),

Consommation,logement et cadre de vie (CLCV)

gegen

Premier ministre,

Ministre de l’Économie, des Finances et de la Relance

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal (Berichterstatterin), der Richterin M. L. Arastey Sahún sowie der Richter F. Biltgen, N. Wahl und J. Passer,

Generalanwältin: L. Medina,

Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juni 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • –        der Union fédérale des consommateurs – Que choisir (UFC – Que choisir) und von Consommation, logement et cadre de vie (CLCV), vertreten durch R. Froger und A. Londoño López, Avocats,
  • –        der französischen Regierung, vertreten durch A. Daniel und A. Ferrand als Bevollmächtigte,
  • –        der belgischen Regierung, vertreten durch S. Baeyens, P. Cottin und T. Willaert als Bevollmächtigte,
  • –        der tschechischen Regierung, vertreten durch S. Šindelková, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • –        der dänischen Regierung, vertreten durch V. Pasternak Jørgensen und M. Søndahl Wolff als Bevollmächtigte,
  • –        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. Severi und M. Cherubini, Avvocati dello Stato,
  • –        der slowakischen Regierung, vertreten durch E. V. Drugda, S. Ondrášiková und B. Ricziová als Bevollmächtigte,
  • –        der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann, I. Rubene und C. Valero als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. September 2022

folgendes

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