Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Rechtsangleichung. Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen. Abschalteinrichtung. Kraftfahrzeuge. Dieselmotor. Emissionskontrollsystem. In das Motorsteuergerät integrierte Software. Abgasrückführventil (AGR-Ventil). Durch ein ‚Thermofenster’ begrenzte Reduzierung der Stickstoffoxid (NOx)-Emissionen. Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung der Emissionskontrollsysteme verringern. Ausnahme von diesem Verbot. Verbraucherschutz. Verbrauchsgüterkauf und Garantien für Verbrauchsgüter. Begriff ‚[Güter, die] eine Qualität und Leistungen aufweisen, die bei Gütern der gleichen Art üblich sind und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, wenn die Beschaffenheit des Gutes … in Betracht gezogen [wird]’. Fahrzeug mit EG-Typgenehmigung. Begriff der ‚geringfügigen Vertragswidrigkeit’
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 715/2007 Art. 5 Abs. 2 Buchst. a; Richtlinie 1999/44/EG Art. 2 Abs. 2 Buchst. d, Art. 3 Abs. 6
Beteiligte
Porsche Inter Auto und Volkswagen |
Porsche Inter Auto GmbH & Co. KG |
Tenor
1. Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ist dahin auszulegen, dass ein Kraftfahrzeug, das in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge fällt, nicht die Qualität aufweist, die bei Gütern der gleichen Art üblich ist und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, wenn es, obwohl es über eine gültige EG-Typgenehmigung verfügt und daher im Straßenverkehr verwendet werden kann, mit einer Abschalteinrichtung ausgestattet ist, deren Verwendung nach Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung verboten ist.
2. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 ist dahin auszulegen, dass eine Abschalteinrichtung, die insbesondere die Einhaltung der in dieser Verordnung vorgesehenen Emissionsgrenzwerte nur gewährleistet, wenn die Außentemperatur zwischen 15 und 33 Grad Celsius liegt, nach dieser Bestimmung allein unter der Voraussetzung zulässig sein kann, dass nachgewiesen ist, dass diese Einrichtung ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführungssystems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden, Risiken, die so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen. Eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist, kann jedenfalls nicht unter die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 vorgesehene Ausnahme fallen.
3. Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie 1999/44 ist dahin auszulegen, dass eine Vertragswidrigkeit, die darin besteht, dass ein Fahrzeug mit einer Abschalteinrichtung ausgerüstet ist, deren Verwendung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 verboten ist, nicht als „geringfügig” eingestuft werden kann, selbst wenn der Verbraucher – falls er von der Existenz und dem Betrieb dieser Einrichtung Kenntnis gehabt hätte – dieses Fahrzeug dennoch gekauft hätte.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 17. März 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 24. März 2020, in dem Verfahren
DS
gegen
Porsche Inter Auto GmbH & Co. KG,
Volkswagen AG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentinnen A. Prechal und K. Jürimäe, des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Kammerpräsidentin I. Ziemele sowie der Richter M. Ilešič, J.-C. Bonichot, F. Biltgen, P. G. Xuereb (Berichterstatter), N. Piçarra und N. Wahl,
Generalanwalt: A. Rantos,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von DS, vertreten durch Rechtsanwalt M. Poduschka,
- der Porsche Inter Auto GmbH & Co KG sowie der Volkswagen AG, vertreten durch die Rechtsanwälte H. Gärtner, F. Gebert, F. Gonsior, C. Harms, N. Hellermann, F. Kroll, M. Lerbinger, S. Lutz-Bachmann, L.-K. Mannefeld, K.-U. Opper, H. Posser, J. Quecke, K. Schramm, P. Schroeder, W. F. Spieth, J. von Nordheim, K. Vorbeck, B. Wolfers und B. Wollenschläger,
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und D. Klebs als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Huttunen, M. Noll-Ehlers und N. Ruiz García als Bevollmächtigte...