Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Geistiges Eigentum. Marken. Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken. Rechte aus der Marke. Erschöpfung der Rechte aus der Marke. Parallelimport von Arzneimitteln. Umpacken der mit der Marke versehenen Ware. Neue äußere Umhüllung. Widerspruch des Markeninhabers. Künstliche Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten. Humanarzneimittel. Sicherheitsmerkmale. Ersetzung. Gleichwertige Sicherheitsmerkmale. Vorrichtung gegen Manipulation. Individuelles Erkennungsmerkmal
Normenkette
Richtlinie (EU) 2015/2436 Art. 10 Abs. 2, Art. 15; EUVO 2016/161 Art. 3 Abs. 2; Richtlinie 2001/83/EG Art. 47a
Beteiligte
Bayer Intellectual Property |
Bayer Intellectual Property GmbH |
Tenor
1. Art. 47a der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 geänderten Fassung
ist dahin auszulegen, dass,
sofern alle in diesem Artikel genannten Anforderungen erfüllt sind, das Umpacken in eine neue Umhüllung und die Neuetikettierung von parallel importierten Arzneimitteln in Bezug auf die gleichermaßen gegebene Geeignetheit der in Art. 54 Buchst. o dieser Richtlinie in der durch die Richtlinie 2012/26 geänderten Fassung genannten Sicherheitsmerkmale gleichwertige Formen des Umpackens sind, ohne dass die eine Form der anderen vorgeht.
2. Art. 10 Abs. 2 und Art. 15 der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken
sind dahin auszulegen, dass
der Inhaber einer Marke berechtigt ist, sich dem Vertrieb eines Arzneimittels, das in eine neue äußere Umhüllung umgepackt wird, auf der diese Marke angebracht wird, durch einen Parallelimporteur zu widersetzen, wenn eine Neuetikettierung des betreffenden Arzneimittels unter Beachtung der Anforderungen des Art. 47a der Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2012/26 geänderten Fassung objektiv möglich ist und das in dieser Weise neu etikettierte Arzneimittel tatsächlich Zugang zum Markt des Einfuhrmitgliedstaats erlangen könnte.
3. Art. 10 Abs. 2 und Art. 15 der Richtlinie 2015/2436
sind dahin auszulegen, dass
der Inhaber einer Marke berechtigt ist, sich dem Vertrieb eines Arzneimittels, das in eine neue äußere Umhüllung umgepackt wird, auf der diese Marke angebracht wird, durch einen Parallelimporteur zu widersetzen, wenn die sichtbaren Spuren der Öffnung der äußeren Originalumhüllung, die gegebenenfalls durch eine Neuetikettierung dieses Arzneimittels verursacht wurden, eindeutig auf das so durchgeführte Umpacken durch diesen Parallelimporteur zurückzuführen sind, es sein denn, diese Spuren rufen auf dem Markt des Einfuhrmitgliedstaats oder auf einem beträchtlichen Teil dieses Marktes einen derart starken Widerstand eines nicht unerheblichen Teils der Verbraucher gegen die so umgepackten Arzneimittel hervor, dass er ein Hindernis für den tatsächlichen Zugang zu diesem Markt darstellen würde, was für jeden Einzelfall festzustellen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 2. April 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Mai 2020, in dem Verfahren
Bayer Intellectual Property GmbH
gegen
kohlpharma GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter D. Gratsias, M. Ilešič (Berichterstatter), I. Jarukaitis und Z. Csehi,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Bayer Intellectual Property GmbH, vertreten durch Rechtsanwältin C. Giesen und Rechtsanwalt U. Reese,
- der kohlpharma GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte W. Rehmann und D. Tietjen,
- der dänischen Regierung, vertreten durch M. Jespersen, J. Nymann-Lindegren und M. Søndahl Wolff als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, É. Gippini Fournier und L. Haasbeek als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Januar 2022
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 10 Abs. 2 und Art. 15 der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2015, L 336, S. 1) und Art. 47a der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67) in der durch die Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 g...