Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Freier Warenverkehr. Geistiges Eigentum. Marken- Unionsmarke. Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken. Recht aus der Marke. Erschöpfung des Rechts aus der Marke. Parallelimport von Arzneimitteln. Umpacken der mit der Marke versehenen Ware. Neue äußere Umhüllung. Ersetzung der Marke auf der äußeren Originalumhüllung durch einen anderen Produktnamen. Wiederanbringen der produktspezifischen Marke des Inhabers auf der äußeren Originalumhüllung unter Ausschluss anderer Marken oder Unterscheidungszeichen auf dieser äußeren Originalumhüllung. Widerspruch des Markeninhabers. Künstliche Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten. Humanarzneimittel. Sicherheitsmerkmale. Ersetzung. Gleichwertige Sicherheitsmerkmale. Vorrichtung gegen Manipulation
Normenkette
AEUV Art. 34, 36; EUVO 2016/161 Art. 3 Abs. 2; Richtlinie 2001/83/EG Art. 47a; Richtlinie (EU) 2015/2436 Art. 10 Abs. 2, Art. 15; Verordnung (EU) 2017/1001 Art. 9 Abs. 2, Art. 15
Beteiligte
Tenor
1. Art. 9 Abs. 2 und Art. 15 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke und Art. 10 Abs. 2 und Art. 15 der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken in Verbindung mit den Art. 34 und 36 AEUV
sind dahin auszulegen, dass
der Inhaber einer Marke berechtigt ist, sich dem Vertrieb eines Arzneimittels, das in eine neue äußere Umhüllung umgepackt wird, auf der diese Marke angebracht wird, durch einen Parallelimporteur zu widersetzen, wenn die Ersetzung der Vorrichtung gegen Manipulation der äußeren Originalumhüllung dieses Arzneimittels gemäß Art. 47a Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 geänderten Fassung sicht- oder tastbare Öffnungsspuren auf dieser Umhüllung hinterlassen würde, sofern
- kein Zweifel besteht, dass diese Öffnungsspuren auf das Umpacken des Arzneimittels durch den Parallelimporteur zurückzuführen sind, und
- diese Spuren auf dem Markt des Einfuhrmitgliedstaats oder auf einem beträchtlichen Teil dieses Marktes keinen derart starken Widerstand eines nicht unerheblichen Teils der Verbraucher gegen die so umgepackten Arzneimittel hervorrufen, dass er ein Hindernis für den tatsächlichen Zugang zu diesem Markt darstellen würde.
2. Die Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2012/26 geänderten Fassung und die Delegierte Verordnung (EU) 2016/161 der Kommission vom 2. Oktober 2015 zur Ergänzung der Richtlinie 2001/83
sind dahin auszulegen, dass
sie es einem Mitgliedstaat verwehren, vorzuschreiben, dass parallelimportierte Arzneimittel grundsätzlich in eine neue Umhüllung umgepackt werden müssen und dass auf eine Neuetikettierung und das Anbringen neuer Sicherheitsmerkmale auf der äußeren Originalumhüllung dieser Arzneimittel nur nach Antragstellung und in außergewöhnlichen Fällen, wie z. B. der Gefährdung der Versorgung mit dem betreffenden Arzneimittel, zurückgegriffen werden kann.
3. Art. 9 Abs. 2 und Art. 15 der Verordnung 2017/1001 sowie Art. 10 Abs. 2 und Art. 15 der Richtlinie 2015/2436 in Verbindung mit den Art. 34 und 36 AEUV
sind dahin auszulegen, dass
eine Regelung eines Mitgliedstaats, die vorschreibt, dass parallelimportierte Arzneimittel grundsätzlich in eine neue Umhüllung umgepackt werden müssen und dass auf eine Neuetikettierung und das Anbringen neuer Sicherheitsmerkmale auf der äußeren Originalumhüllung dieser Arzneimittel nur nach Antragstellung und in außergewöhnlichen Fällen zurückgegriffen werden kann, den Inhaber einer Marke nicht daran hindert, sein Recht auszuüben, sich dem Vertrieb eines Arzneimittels, das in eine neue äußere Umhüllung umgepackt wird, auf der diese Marke angebracht wird, durch einen Parallelimporteur zu widersetzen.
4. Art. 9 Abs. 2 und Art. 15 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 sowie Art. 10 Abs. 2 und Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2015/2436 in Verbindung mit den Art. 34 und 36 AEUV
sind dahin auszulegen, dass
die erste der fünf in Rn. 79 des Urteils vom 11. Juli 1996, Bristol-Myers Squibb u. a. (C-427/93, C-429/93 und C-436/93, EU:C:1996:282), genannten Voraussetzungen – wonach der Inhaber einer Marke sich rechtmäßig dem weiteren Vertrieb eines mit dieser Marke versehenen und aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführten Arzneimittels in einem Mitgliedstaat widersetzen kann, wenn der Importeur dieses Arzneimittels dieses umgepackt und diese Marke erneut darauf angebracht hat und dieses Umpacken des Arzneimittels in eine neue...