Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer. Stillende Arbeitnehmerin. Nachtarbeit. Schichtarbeit, die teilweise in der Nachtzeit verrichtet wird. Risikobeurteilung des Arbeitsplatzes -Vorbeugende Maßnahmen. Anfechtung durch die betroffene Arbeitnehmerin. Gleichbehandlung. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Beweislast
Normenkette
Richtlinie 92/85/EWG Art. 4-5, 7; Richtlinie 2006/54/EG Art. 19
Beteiligte
Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) |
Tenor
1. Art. 7 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz ist dahin auszulegen, dass er auf eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens Anwendung findet, in der die betroffene Arbeitnehmerin Schichtarbeit leistet, in deren Rahmen sie ihre Arbeit nur zum Teil während der Nachtzeit verrichtet.
2. Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) ist dahin auszulegen, dass er auf eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens Anwendung findet, in der eine Arbeitnehmerin, der die Ausstellung eines ärztlichen Attests über das Vorliegen eines ihrem Arbeitsplatz innewohnenden Risikos für das Stillen versagt und in der Folge die Geldleistung wegen des Risikos während der Stillzeit verwehrt wurde, die Beurteilung der Risiken ihres Arbeitsplatzes vor einem nationalen Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle des betreffenden Mitgliedstaats anficht, wenn die Arbeitnehmerin Tatsachen vorbringt, die vermuten lassen, dass diese Beurteilung keine spezifische Prüfung unter Berücksichtigung ihrer individuellen Situation umfasst hat und dass daher eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne der Richtlinie 2006/54 vorliegt; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts. Es obliegt dann dem Beklagten, den Beweis dafür beizubringen, dass die Beurteilung der Risiken tatsächlich eine solche konkrete Prüfung umfasst hat und dass daher keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de Galicia (Obergericht Galizien, Spanien) mit Entscheidung vom 30. Dezember 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Januar 2017, in dem Verfahren
Isabel González Castro
gegen
Mutua Umivale,
Prosegur España SL,
Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça sowie der Richter E. Levits, A. Borg Barthet, der Richterin M. Berger und des Richters F. Biltgen (Berichterstatter),
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS), vertreten durch P. García Perea und A. Lozano Mostazo als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García als Bevollmächtigten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und D. Klebs als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Pardo Quintillán und A. Szmytkowska als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 26. April 2018
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) (ABl. 2006, L 204, S. 23), sowie der Art. 4, 5 und 7 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (ABl. 1992, L 348, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Isabel González Castro auf der einen und Mutua Umivale (Berufsgenossenschaft Umivale, im Folgenden: Mutua Umivale), ihrer Arbeitgeberin, der Prosegur España SL (im Folgenden: Prosegur), und dem Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) (Nationales Institut der sozialen Sicherheit, Spanien, im Folgenden: INSS) auf der anderen Seite wegen der Weigerung, ihr Arbeitsverhältnis ruhen zu lassen und ihr eine Geldleistung wegen Risiken während der Stillzeit zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 92...