Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Arzneimittel und kosmetische Mittel. Humanarzneimittel. Leitlinien für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln. Vertriebsnetz für Arzneimittel. Inhaber einer Großhandelsgenehmigung, der Arzneimittel von Personen beschafft, die zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit befugt sind, ohne Inhaber einer Großhandelsgenehmigung zu sein oder von der Pflicht zur Erlangung einer solchen Genehmigung befreit zu sein. Begriffe ‚ausreichend fachkundiges Personal‘ und ‚Verantwortlicher‘. Aussetzung oder Widerruf der Großhandelsgenehmigung

 

Normenkette

Richtlinie 2001/83/EG Art. 77 Abs. 1, Art. 79 Buchst. b, Art. 80 Buchst. b

 

Beteiligte

Apotheke B.

Apotheke B.

Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG)

 

Tenor

1.Art. 80 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2011/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 geänderten Fassung

ist wie folgt auszulegen:

Ein Inhaber einer Großhandelsgenehmigung für Arzneimittel darf Arzneimittel nicht von anderen Personen beschaffen, die nach den nationalen Regelungen zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit ermächtigt oder befugt, jedoch selbst nicht Inhaber einer solchen Genehmigung und nicht gemäß Art. 77 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 in geänderter Fassung von der Pflicht zur Erlangung einer solchen Genehmigung befreit sind. Dies gilt auch dann, wenn die Beschaffung nur in geringfügigem Ausmaß erfolgt und wenn die so beschafften Arzneimittel nur dazu bestimmt sind, an Personen weiterverkauft zu werden, die zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit ermächtigt oder befugt oder selbst Inhaber einer Großhandelsgenehmigung sind.

2.Art. 79 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2011/62 geänderten Fassung

ist wie folgt auszulegen:

Die in dieser Bestimmung vorgesehenen Anforderungen an die Personalausstattung sind erfüllt, wenn der vom Großhändler benannte Verantwortliche während einer Inspektion nicht im Betrieb anwesend ist, sofern er telefonisch erreichbar ist und die im Betrieb anwesenden Mitarbeiter in der Lage sind, dem Inspektionsorgan unmittelbar die geforderte Auskunft über die ihren Zuständigkeitsbereich betreffenden Verfahren zu erteilen. Bei der Beurteilung der Frage, ob einem Großhändler ausreichend fachkundiges Personal zur Verfügung steht, sind gegebenenfalls die Tätigkeiten zu berücksichtigen, die er ausgelagert hat, und die Zahl der Mitarbeiter, die an diesen Tätigkeiten beteiligt sind.

3.Art. 77 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2011/62 geänderten Fassung

ist wie folgt auszulegen:

Die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, die darüber zu entscheiden hat, ob die Großhandelsgenehmigung für Arzneimittel wegen Verstößen gegen die Verpflichtungen aus den Art. 79 und 80 der Richtlinie 2001/83 in geänderter Fassung auszusetzen oder zu widerrufen ist, berücksichtigt bei ihrer Prüfung Art und Schwere der Verstöße. Hierbei widmet sie dem in der Richtlinie verankerten hohen Sicherheitsniveau bei der Arzneimittelbeschaffung besondere Aufmerksamkeit. Um die Verhältnismäßigkeit der gegebenenfalls ergriffenen Maßnahme zu wahren, berücksichtigt sie gegebenenfalls auch, ob diese Mängel so schnell wie möglich behoben wurden und ob es sich um wiederholte oder systematische Mängel handelte.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-47/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Österreich) mit Beschluss vom 20. Januar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Januar 2022, in dem Verfahren

Apotheke B.

gegen

Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter D. Gratsias, M. Ilešič (Berichterstatter), I. Jarukaitis und Z. Csehi,

Generalanwalt: P. Pikamäe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • –        von Apotheke B., vertreten durch Rechtsanwalt G. Dilger,
  • –        des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG), vertreten durch T. Reichhart als Bevollmächtigten,
  • –        der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, J. Schmoll und A. Kögl als Bevollmächtigte,
  • –        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und T. Machovičová als Bevollmächtigte,
  • –        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • –        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Noll-Ehlers und A. Sipos als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. März 2023

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 77 Abs. 6, Art. 79 Buchst. b und Art. 80 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und d...

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