Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Unionsmarke. Rechte aus der Unionsmarke. Begriff ‚Benutzung’. Betreiber einer Online-Verkaufsplattform mit integriertem Online-Marktplatz. Anzeigen, die auf diesem Marktplatz von Drittanbietern veröffentlicht werden, die in diesen Anzeigen ein mit einer fremden Marke identisches Zeichen für Waren benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die diese Marke eingetragen ist. Wahrnehmung dieses Zeichens als fester Bestandteil der kommerziellen Kommunikation dieses Betreibers. Präsentationsweise der Anzeigen, die es nicht ermöglicht, die Angebote des Betreibers klar von denen der Drittanbieter zu unterscheiden
Normenkette
Verordnung (EU) 2017/1001 Art. 9 Abs. 2 Buchst. a
Beteiligte
Amazon Services Europe Sàrl |
Tenor
Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke
ist wie folgt auszulegen:
Es kann davon ausgegangen werden, dass der Betreiber einer Online-Verkaufsplattform, die neben den eigenen Verkaufsangeboten dieses Betreibers einen Online-Marktplatz umfasst, ein Zeichen, das mit einer fremden Unionsmarke identisch ist, für Waren, die mit denjenigen identisch sind, für die diese Marke eingetragen ist, selbst benutzt, wenn Drittanbieter ohne die Zustimmung des Inhabers dieser Marke solche mit diesem Zeichen versehenen Waren auf dem betreffenden Marktplatz zum Verkauf anbieten, sofern ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Nutzer dieser Plattform eine Verbindung zwischen den Dienstleistungen dieses Betreibers und dem fraglichen Zeichen herstellt, was insbesondere dann der Fall ist, wenn ein solcher Nutzer in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls den Eindruck haben könnte, dass dieser Betreiber derjenige ist, der die mit diesem Zeichen versehenen Waren im eigenen Namen und für eigene Rechnung selbst vertreibt. Insoweit ist relevant, dass dieser Betreiber die auf seiner Plattform veröffentlichten Angebote einheitlich präsentiert, indem er die Anzeigen für die im eigenen Namen und für eigene Rechnung verkauften Waren zusammen mit den Anzeigen für die von Drittanbietern auf dem betreffenden Marktplatz angebotenen Waren einblendet, dass er bei all diesen Anzeigen sein eigenes Logo als renommierter Vertreiber erscheinen lässt und dass er Drittanbietern im Rahmen des Vertriebs der mit dem fraglichen Zeichen versehenen Waren zusätzliche Dienstleistungen anbietet, die u. a. darin bestehen, diese Waren zu lagern und zu versenden.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal d'arrondissement de Luxembourg (Bezirksgericht Luxemburg, Luxemburg) und vom Tribunal de l'entreprise francophone de Bruxelles (französischsprachiges Unternehmensgericht von Brüssel, Belgien) mit Entscheidungen vom 5. März 2021 und vom 22. März 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 8. März 2021 bzw. am 24. März 2021, in den Verfahren
Christian Louboutin
gegen
Amazon Europe Core Sàrl (C-148/21),
Amazon EU Sàrl (C-148/21),
Amazon Services Europe Sàrl (C-148/21),
Amazon.com Inc. (C-184/21),
Amazon Services LLC (C-184/21)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, der Kammerpräsidentinnen A. Prechal und K. Jürimäe, der Kammerpräsidenten C. Lycourgos, M. Safjan, P. G. Xuereb und D. Gratsias, der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún, der Richter M. Ilešič (Berichterstatter) und F. Biltgen, der Richterin I. Ziemele sowie des Richters J. Passer,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: V. Giacobbo, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2022,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Christian Louboutin, vertreten durch M. Decker, N. Decker und T. van Innis, Avocats,
- der Amazon Europe Core Sàrl, der Amazon EU Sàrl und der Amazon Services Europe Sàrl, vertreten durch Rechtsanwältin S. Ampatziadis, Rechtsanwälte H. Bälz, A. Conrad und F. Seip sowie E. Taelman, Advocaat,
- der Amazon.com Inc. und der Amazon Services LLC, vertreten durch L. Depypere, Advocaat, R. Dupont, Avocat, und T. Heremans, Advocaat,
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, U. Bartl und M. Hellmann als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch É. Gippini Fournier, S. L. Kalėda und J. Samnadda als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Juni 2022
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1).
Rz. 2
Sie ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten, in denen Herr Christian Louboutin zum einen (Rechtssache C-148/21) der Amazon Europe Core Sàrl, d...