Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftfahrtunternehmen und Luftfahrzeugbetreiber. Versicherungen. Anforderungen. Begriffe ‚Fluggast’ und ‚Besatzungsmitglied’. Hubschrauber. Beförderung eines Sachverständigen für Lawinensprengungen. Während eines Arbeitsflugs eingetretener Schaden. Schadensersatz
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 785/2004
Beteiligte
Wucher Helicopter und Euro-Aviation Versicherung |
Euro-Aviation Versicherungs AG |
Tenor
1. Art. 3 Buchst. g der Verordnung (EG) Nr. 785/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Versicherungsanforderungen an Luftfahrtunternehmen und Luftfahrzeugbetreiber ist dahin auszulegen, dass der Insasse eines von einem Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft gehaltenen Hubschraubers, der aufgrund eines zwischen seinem Arbeitgeber und diesem Luftfahrtunternehmen geschlossenen Vertrags zum Zweck der Wahrnehmung einer besonderen Aufgabe wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden befördert wird, „Fluggast” im Sinne dieser Bestimmung ist.
2. Art. 17 des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, das am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossen, am 9. Dezember 1999 von der Europäischen Gemeinschaft auf der Grundlage von Art. 300 Abs. 2 EG unterzeichnet und durch den Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 in ihrem Namen genehmigt wurde, ist dahin auszulegen, dass eine Person, die unter den Begriff „Fluggast” im Sinne von Art. 3 Buchst. g der Verordnung Nr. 785/2004 fällt, auch unter den Begriff „Reisender” im Sinne von Art. 17 des Übereinkommens fällt, sofern sie aufgrund eines „Beförderungsvertrags” im Sinne von Art. 3 des Übereinkommens befördert wurde.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 19. Dezember 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Januar 2014, in dem Verfahren
Wucher Helicopter GmbH,
Euro-Aviation Versicherungs AG
gegen
Fridolin Santer
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano sowie der Richter S. Rodin (Berichterstatter), A. Borg Barthet, E. Levits und F. Biltgen,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2014,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Wucher Helicopter GmbH und der Euro-Aviation Versicherungs AG, vertreten durch Rechtsanwalt J. J. Janezic,
- von Herrn Santer, vertreten durch die Rechtsanwälte C. Schlechl und M. Peter,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von C. Colelli, avvocato dello Stato,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls, G. Braun und F. Wilman als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Buchst. g der Verordnung (EG) Nr. 785/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Versicherungsanforderungen an Luftfahrtunternehmen und Luftfahrzeugbetreiber (ABl. L 138, S. 1) und von Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, das am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossen, am 9. Dezember 1999 von der Europäischen Gemeinschaft auf der Grundlage von Art. 300 Abs. 2 EG unterzeichnet und durch den Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 (ABl. L 194, S. 38) in ihrem Namen genehmigt wurde (im Folgenden: Übereinkommen von Montreal).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht in einem Revisionsverfahren zwischen der Wucher Helicopter GmbH (im Folgenden: Wucher), einem österreichischen Luftfahrtunternehmen, und der Euro-Aviation Versicherungs AG (im Folgenden: Euro-Aviation), einem deutschen Versicherungsunternehmen, einerseits und Herrn Santer andererseits wegen des Ersatzes des Schadens, der Herrn Santer durch eine bei einem Luftverkehrsunfall erlittene Verletzung entstanden ist.
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
Rz. 3
Art. 3 Abs. 1, 2 und 5 des Übereinkommens von Montreal bestimmt:
„(1) Bei der Beförderung von Reisenden ist ein Einzel- oder Sammelbeförderungsschein auszuhändigen; er muss enthalten:
- die Angabe des Abgangs- und Bestimmungsorts;
- falls Abgangs- und Bestimmungsort im Hoheitsgebiet desselben Vertragsstaats liegen, jedoch eine oder mehrere Zwischenlandungen im Hoheitsgebiet eines anderen Staates vorgesehen sind, die Angabe von zumindest einem dieser Zwischenlandepunkte.
(2) Jede andere Aufzeichnung, welche die in Absatz 1 genannten Angaben enthält, kann anstelle des in jenem Absatz genannten Beförderungsscheins verwendet werden. Werden derartige andere Aufzeichnungen verwendet, so m...