Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Sicherungshaft bei passlosen indischen Staatsangehörigen
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 19.08.2003; Aktenzeichen 84 T 383/03 B) |
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 70 XIV 2147/03 B) |
Tenor
1. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Zivilkammer 84 des LG Berlin vom 19.8.2003 - Az. 84 T 383/03 B - wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller hat dem Betroffenen die ihm im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe
I. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.
II. Das Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde ist gem. §§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 1, 29 Abs. 1 und 4 FGG i.V.m. §§ 3 S. 2, 7 Abs 1 und 2 FEVG und § 103 Abs. 2 S. 1 AuslG zulässig. Es ist jedoch nicht begründet. Die tragenden Erwägungen des angefochtenen Beschlusses lassen einen Rechtsfehler, auf den die weitere Beschwerde gem. § 27 Abs. 1 FGG i.V.m. § 559 Abs. 2 ZPO mit Erfolg allein gestützt werden kann, nicht erkennen.
Das LG hat die Frage des Vorliegens eines Haftgrundes nach § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AuslG bzw. nach § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AuslG dahinstehen lassen. Es hat die Haftanordnung als unzulässig erachtet, da bereits jetzt erkennbar sei, dass auch eine Haftdauer von sechs Monaten (§ 57 Abs. 3 S. 1 AuslG) nicht ausreichend sein werde, um die Abschiebung durchzuführen. Diese Wertung des LG, die sich letztlich darauf gründet, dass eine Sicherungshaft unverhältnismäßig und damit unzulässig ist, wenn sie ihren Zweck verfehlt, begegnet keinen durchgreifenden Rechtsbedenken.
Das LG hat zunächst verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass es in den letzten beiden Jahren nicht gelungen sei, einen passlosen indischen Staatsangehörigen innerhalb von sechs Monaten abzuschieben.
Nach § 12 FGG, der gem. § 3 FEVG Anwendung findet, hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeigneten Beweise aufzunehmen. Das LG hat in den Verfahren Az. 84 F 207/03 und 84 T 220/03 dem Antragsteller aufgegeben, die Dauer der Passbeschaffung für indische Staatsangehörige mitzuteilen, bezüglich derer seit dem 1.1.2002 Beschwerdeverfahren vor dem Gericht anhängig waren. Der Antragsteller hat, wie dem Senat insb. aus den Beschwerdeverfahren zu den Geschäftsnummern 25 W 113-115/03 bekannt ist, zu den insgesamt 47 Fällen Auskunft erteilt. Aus dieser hat sich ergeben, dass es dem Antragsteller in keinem der aus der Aufstellung ersichtlichen Fälle gelungen ist, innerhalb von sechs Monaten ein Passersatzpapier zu beschaffen. Nur in einem Fall ist die Beschaffung überhaupt - außerhalb jener Frist - gelungen. Die Feststellung des LG, dass danach in Berlin jedenfalls derzeit eine Passbeschaffung von sechs Monaten nicht möglich sei, ist deshalb nicht zu beanstanden.
Es verfängt nicht, wenn der Antragsteller im Rahmen der sofortigen weiteren Beschwerde die Ansicht vertritt, dass die vom LG vorgenommene Datenerhebung unzureichend sei. Der Antragsteller hat keine über die Auskunft hinausgehenden Fälle dargelegt, aus denen sich ergibt, dass im Gegensatz zu den aufgelisteten Fällen die Passbeschaffung für andere indische Staatsangehörige ohne Pass innerhalb der Frist während der vergangenen zwei Jahre gelungen wäre. Der Senat hat bereits in früheren Entscheidungen (s. z.B. KG, Beschl. v. 20.11.2000 - 25 W 9020/00) ausgeführt, dass es wegen der bestehenden Mitwirkungspflichten der Beteiligten geboten sein könne, dass der Antragsteller seine Erfahrungen zur Passbeschaffung für den hier gegebenen Personenkreis aus den letzten Monaten im Einzelnen darlege.
Der Hinweis des Antragstellers auf die Erhebungen der Zentralen Ausländerbehörde der Stadt Köln (vom 27.12.2002, die dem Senat bekannt sind; vgl. bereits KG, Beschl. v. 31.3.2003 - 25 W 8/03, 39/03), steht der getroffenen Wertung ebenfalls nicht entgegen. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 2.5.2003 - 25 W 611/03 - darauf hingewiesen, dass Anlass bestehen könne, die Übertragbarkeit der Passbeschaffungsdauer auf das Land Berlin eingehend zu prüfen (s.a. o.g. KG, Beschl. v. 31.3.2003 - 25 W 8/03). Dem entspricht die angefochtene Entscheidung, wenn ausschließlich auf die Situation in Berlin abgestellt wird. Maßgebend ist gerade nicht, ob die Passbeschaffung für passlose indische Staatsangehörige im übrigen Bundesgebiet gelingt, sondern ob dies in Berlin der Fall ist.
Soweit sich der Antragsteller in diesem Zusammenhang ferner darauf bezieht, dass es bei drei in Haft befindlichen minderjährigen Staatsangehörigen innerhalb von vier bzw. sechs Wochen jedenfalls gelungen sei, Geburtsurkunden und Schulbescheinigungen aus Indien zu beschaffen, ist dies für die hier zu beurteilende Frage der Möglichkeit der Beschaffung eines Passersatzpapieres irrelevant. Das LG hat rechtsfehlerfrei diesbezüglich darauf hingewiesen, dass aus der Möglichkeit zur Beschaffung von Schulbescheinigungen etc. nicht auf die Möglichkeit bzw. ...