Leitsatz (amtlich)

Ein Bewerber um das Amt des Insolvenzverwalters kann nicht bereits deshalb von der Aufnahme in die Vorauswahlliste gem. § 56 InsO ausgeschlossen werden, weil er für die Anfahrt von seinem Büro bis zum Gerichtsbezirk des Insolvenzgerichts mit dem Pkw eine Fahrtzeit von anderthalb bis zwei Stunden benötigt.

 

Tenor

Der Bescheid des Antragsgegners vom 12.7.2010 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an den Antragsgegner zurückverwiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Geschäftswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt die Aufnahme in die bei dem AG Charlottenburg geführte Vorauswahlliste für die Bestellung von Sachverständigen, Treuhändern und Insolvenzverwaltern. In dem zu diesem Zwecke ausgefüllten Fragebogen des AG Charlottenburg hatte der Antragsteller als Anschrift der Kanzlei angegeben

"F., 1... B.; G., 0... D.".

Ferner hatte er folgende Angabe gemacht:

"In der Berliner Niederlassung sind folgende Mitarbeiter/innen tätig, die in der Abwicklung von IK-Verfahren oder kleineren IN-Verfahren geschult und erfahren sind und zwar: Assessorin N.B.".

In dem Anschreiben vom 18.2.2010 führte er dazu aus, dass er aus Kostengründen unter der Anschrift F.vorerst nur die Möglichkeit zur Entgegennahme von Post, von Telefonaten und zur Durchführung von Besprechungen geschaffen habe. Es handele sich bei der angegebenen Anschrift um ein Dienstleistungszentrum der Firma R. Er sei dort sofort arbeitsfähig und von Dresden aus in der Lage, innerhalb von zwei Stunden vor Ort zu sein. Er sichere zu, ein ständig besetztes Büro in Berlin einzurichten, sobald eine entsprechende Anzahl von Insolvenzverfahren dort zu bearbeiten sei. Bis dahin würde die Betreuung von Dresden aus erfolgen.

Der Antragsgegner teilte dem Antragsteller mit Bescheid vom 7.5.2010 - zugestellt am 19.5.2010 - mit, dass die Insolvenzrichter ihn nicht in die Vorauswahlliste der Insolvenzrichter/Treu-händer aufgenommen hätten, da ihm nach Auswertung der eingereichten Bewerbungsunterlagen die hinreichenden Kenntnisse bzw. Erfahrungen im Bereich der Insolvenzverwaltung fehlten. Hiergegen richtete sich der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung vom 16.6.2010, der an diesem Tag bei dem KG einging.

Mit Bescheid vom 12.7.2010 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass im Rahmen der für das gerichtliche Verfahren abzugebenden Stellungnahme aufgefallen sei, dass dem Antragsteller aufgrund eines gerichtsinternen Übertragungsfehlers eine unzutreffende Ablehnungsbegründung mitgeteilt worden sei. Tatsächlich sei die Ablehnung nicht wegen fehlender fachlicher Eignung, sondern aufgrund des Fehlens eines hinreichend ausgestatteten ortsnahen Büros erfolgt.

Der Antragsteller ist der Ansicht, die mit dem Stellungnahmeschriftsatz vom 15.7.2010, in dem der Antragsgegner zum Kriterium der Ortsnähe ausführt, konkretisierte Begründung des ablehnenden Justizverwaltungsaktes stelle ein unzulässiges Nachschieben von Gründen gem. § 28 Abs. 3 EGGVG dar. Die Auswechslung der Begründung führe zu einer neuen Entschließung des Antragsgegners und damit zu einem selbständigen Justizverwaltungsakt, der nunmehr zum Gegenstand des Antrags auf gerichtliche Entscheidung gemacht werde.

Der Antragsteller ist ferner der Ansicht, die Frage der Ortsnähe stelle für sich genommen kein geeignetes Auswahlkriterium für die Aufnahme des Insolvenzverwalters in die Vorauswahlliste dar. Allenfalls könne bei der konkreten Bestellung des Verwalters bei pflichtgemäßer Ermessensausübung im Einzelfall demjenigen Insolvenzverwalter mit der größeren Ortsnähe der Vorzug gewährt werden. Zudem stehe die Begründung der Ablehnung im Widerspruch zur gängigen Bestellpraxis des Antragsgegners.

Der Antragsteller trägt vor, der Zuständigkeitsbereich Berlin sei von Dresden aus insbesondere mit dem Auto über die A13 innerhalb von höchstens anderthalb Stunden erreichbar.

Der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner unter Aufhebung der Entscheidung vom 12.7.2010 zu verpflichten, den Antragsteller in die Vorauswahlliste für die Bestellung zum Insolvenzverwalter bei dem Antragsgegner aufzunehmen.

Der Antragsgegner beantragt, den geänderten Antrag zurückzuweisen.

II.1. Der Antrag auf gerichtlichen Entscheidung ist zulässig, §§ 23 ff. EGGVG. Der Antragsgegner hat durch die Nichtaufnahme des Antragstellers in die Vorauswahlliste als Justizbehörde im funktionellen Sinne gehandelt, ohne dass es sich dabei um einen Rechtsprechungsakt handelt. Gegen die Entscheidung ist deshalb der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 23 EGGVG gegeben (vgl. BVerfG NJW 2004, 2725; BGH, NZI 2008, 161).

Der Antrag ist zutreffend gegen den Antragsgegner gerichtet, da dieser den angefochtenen Justiz-verwaltungsakt - in Absprache mit den Insolvenzrichtern - erlassen hat.

Die Monatsfrist des § 26 EGGVG ist eingehalten, und zwar unabhängig davon, ob als Gegenstand des Verfahrens der Bescheid vom 7.5.2010 mit korrigi...

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