Entscheidungsstichwort (Thema)

"Rollern" eines Radfahrers auf dem Fußgängerüberweg

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 17.01.2003; Aktenzeichen 24 O 439/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 17.1.2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin - 24 O 439/01 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 11.866,82 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 30.10.2000 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dieser aus dem Verkehrsunfall mit dem Kraftfahrzeug ... am 9.4.1999 auf der H.-Straße in der Höhe der R.-Straße entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritten übergegangen sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 52 % und die Beklagten 48 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin 46 % und den Beklagten 54 % zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

1. Die Berufung der Beklagten ist nur insoweit teilweise erfolgreich, als sich die Beklagten mit ihrem Rechtsmittel gegen die Höhe des vom LG zugesprochenen Schmerzensgeldes wenden. Im Übrigen ist die Berufung nicht begründet.

a) Das Berufungsgericht folgt dem LG darin, dass die Klägerin entgegen der Ansicht der Beklagten kein Mitverschulden an dem streitigen Verkehrsunfall trifft. Zwar trifft es zu, dass die Klägerin, wenn sie mit ihrem Fahrrad den parallel zur R.-Straße verlaufenden Radweg in Richtung Osten benutzt hätte, die durch Verkehrszeichen 306 angeordnete Vorfahrt des Beklagten zu 1) ggü. Fahrzeugen aus der R.-Straße zu beachten gehabt hätte. Es stand der Klägerin jedoch frei, von ihrem Fahrrad abzusteigen und sodann als Fußgängerin die Fußgängerfurt über die H.-Straße im südlichen Bereich der Einmündung der R.-Straße in die H.-Straße zu benutzen. Dass die Klägerin sodann bei dem Versuch, die H.-Straße zu überqueren, wie das LG festgestellt hat, mit einem Fuß auf das Pedal gestiegen und gerollt ist, führt noch nicht dazu, dass sie den Fußgängerüberweg nicht benutzen durfte. Jedenfalls ist dem LG darin zu folgen, dass eine Unfallursächlichkeit des von den Beklagten beanstandeten Verhaltens der Klägerin nicht festgestellt werden kann. Die Beklagten tragen selbst nicht vor, der Unfall hätte dann vermieden werden können, wenn die Klägerin bei Überquerung der H.-Straße nicht mit einem Fuß auf eines der Pedale gestiegen und gerollt wäre, sondern das Fahrrad geschoben hätte.

Auch soweit die Beklagten meinen, die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass der Beklagte zu 2), um an dem haltenden Van des Zeugen vorbeizukommen, die durchgezogene Linie (Zeichen 295) auf der H.-Straße überfahren hat, folgt das Gericht dem nicht. Zwar trifft es zu, dass derartige Fahrbahnbegrenzungen in erster Linie dem Schutz des Gegenverkehrs dienen, doch durfte die Klägerin grundsätzlich auf die Beachtung der Verkehrszeichen durch den Beklagten zu 2) vertrauen. Der vorliegende Sachverhalt ist nach Auffassung des Gerichts nicht anders zu beurteilen, als diejenigen Fälle, in denen ein Kraftfahrer auf einer wartepflichtigen Straße darauf vertraut, dass der Fahrzeugverkehr auf der bevorrechtigten Straße das Rotlicht einer in unmittelbarer Nähe der Kreuzung befindlichen Fußgängerampel beachten werde (vgl. OLG Hamm VersR 1972, 378; OLG Köln v. 6.2.2002 - 11 U 143/01, OLGReport Köln 2002, 215 = VersR 2002, 1302).

b) Auch die Einwendungen der Beklagten hinsichtlich des vom LG zuerkannten Haushaltsführungsschadens greifen i.E. nicht durch. Allerdings beanstanden die Beklagten zu Recht, dass das LG unter Berufung auf § 287 ZPO pauschal einen Stundensatz von 10 Euro zugrunde gelegt hat. Bei der Berechnung des sog. Haushaltsführungsschadens hat sich die Anwendung der einschlägigen Tabellen (Schulz-Borck/Hofmann, Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 6. Aufl.) weitgehend durchgesetzt. Da es sich bei dem Haushalt der Klägerin um einen Durchschnittshaushalt ohne Kinder handelt, ist grundsätzlich die Vergütungsgruppe VIII BAT-O einschlägig. Danach beträgt die Stundenvergütung 15,97 DM brutto. Hiervon sind noch Abzüge für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge vorzunehmen. Gleichwohl ist der vom LG der Klägerin als Haushaltsführungsschaden zugesprochene Betrag nicht zu beanstanden. Denn das LG hat auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens eine Wochenarbeitszeit von lediglich 10,6 Stunden zugrunde gelegt. Tatsächlich beträgt jedoch der Arbeitszeitaufwand einer erwerbstätigen Ehefrau in einem Zweipersonenhaushalt durchschnittlich 27,1 Stunden (vgl. Schulz-Borck/Hofmann, Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 6. Aufl., Tabelle 8 Nr. 11). Bei einer Wochenarbeitszeit von 27 Stunden ergibt sich jedoch eine...

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