Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 15.05.2020; Aktenzeichen 56 O 124/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten und unter Verwerfung der Anschlussberufung des Klägers als unzulässig wird das am 15. Mai 2020 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 56 O 124/19 - geändert und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass die Formel für die Änderung des Arbeitspreises in § 8 Absatz 4 des zwischen den Parteien am 22. April 2009 geschlossenen Wärmelieferungsvertrags unwirksam ist.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die in ihrem Schreiben vom 24. April 2019 an den Kläger enthaltene Preisanpassungsformel des Arbeitspreises [APW = APWO × (0,5*B/BO + 0,5* BI/BIO] ab dem 1. Mai 2019 in den Wärmelieferungsvertrag vom 22. April 2009 durch einseitige Erklärung einzuführen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben der Kläger 58% und die Beklagte 42% zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweils anderen Seite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die jeweilige andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird wegen der Fragen zugelassen, ob die Unwirksamkeit einer den Arbeitspreis betreffenden Preisanpassungsklausel nach § 139 BGB die Unwirksamkeit der gesamten Preisanpassungsklausel - also beispielsweise hinsichtlich eines Bereitstellungspreises - zur Folge hat, und ob die Beklagte berechtigt ist, die in ihrem Schreiben vom 24. April 2019 enthaltene Preisanpassungsformel in den Wärmelieferungsvertrag durch einseitige Erklärung einzuführen.
Gründe
A. Der Kläger verlangt von der Beklagten Herausgabe wegen ungerechtfertigter Bereicherung. Die Parteien verbindet seit dem 22. April 2009 ein Wärmelieferungsvertrag (im Folgenden: Wärmelieferungsvertrag; Anlage K 2). Der Kläger ist der Ansicht, er hätte der Beklagten für die Jahre 2015 bis 2019 zu viel Entgelt gezahlt. Er meint, die zwischen ihnen vereinbarte Preisänderungsklausel sei in Bezug auf den Arbeits- und den Bereitstellungspreis unwirksam. Für die Berechnung des Arbeitspreises sei als Einsatzfaktor stets 0,059 EUR anzusetzen, beim Bereitstellungspreis 5,04 EUR/m2/a.
Im Überblick ergäben sich daraus für die Abrechnungen 2015 bis 2018 folgende "Überzahlungen":
Bereitstellungskosten in EUR
Arbeitskosten in EUR
Überzahlung in EUR
Kläger
LG
gezahlt
zu zahlen
Differenz
gezahlt
zu zahlen
Differenz
2015
1.347,50
952,77
394,73
1.022,10
721,34
300,76
695,49
695,48
2016
1.363,38
952,77
410,61
1.289,15
913,09
376,06
786,67
786,67
2017
1.395,14
952,77
442,73
1.215,66
864,14
351,52
794,25
793,88
2018
1.474,53
952,77
521,76
964,99
658,81
306,18
827,94
755,81
1.769,83
1.334,52
gesamt
3.104,35
3031,84
Vor diesem Hintergrund hat der Kläger - soweit noch von Interesse - eine Klage auf Rückzahlung von 3.104,35 EUR nebst Zinsen erhoben. Ferner hat er beantragt festzustellen, dass die Preisänderungsklausel in § 8 Absatz 4 des die Parteien verbindenden Wärmelieferungsvertrags vom 17. August 2019 unwirksam ist, bzw. festzustellen, dass die Preisänderungsklausel aus einem Schreiben der Beklagten vom 24. April 2019, mit dem diese angekündigt hat, eine neue Preisänderungsklausel in den Wärmelieferungsvertrag einzuführen, "unwirksam" ist.
Das Landgericht Berlin, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 ZPO Bezug genommen wird, ist der Ansicht, die zwischen den Parteien vereinbarte Preisanpassungsklausel verstoße in Bezug auf den Arbeitspreis gegen das Transparenzgebot des § 24 Absatz 4 Satz 2 AVB-FernwärmeV. Diese Unwirksamkeit habe entsprechend § 139 BGB zur Folge, dass die gesamte Preisänderungsklausel unwirksam ist. Da eine ergänzende Vertragsauslegung nicht möglich sei, träten an die Stelle der unwirksamen Vertragsabreden die vertraglich vereinbarten Anfangspreise (Bereitstellungspreis: 5,04 EUR/m2/a.; Arbeitspreis: 0,059 EUR EUR/kWh). Hiernach hätte der Kläger für die eingeklagten Jahre 2015 bis einschließlich 2018 einen Anspruch auf Herausgabe von insgesamt brutto 3.031,84 EUR (685,48 + 787,67+ 793,88 + 755,81).
Da die Preisänderungsklausel unwirksam sei, sei auch die Zwischenfeststellungsklage in Bezug auf § 8 Absatz 4 des die Parteien verbindenden Wärmelieferungsvertrags begründet. Ferner sei die weitere Feststellungsklage begründet. Denn die Beklagte sei nicht befugt, den zwischen den Parteien geltenden Preis einseitig festzusetzen (Hinweis auf BGH, Urteil vom 19. Juli 2017 - VIII ZR 268/15, Rn. 57). Aus § 4 Absatz 2 AVB-FernwärmeV folge nichts anderes. Diese Bestimmung enthalte keine Befugnis der Beklagten, den Preis einseitig festzusetzen.
Gegen diese ihrer Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 22. Mai 2020 zugestellte Entscheidung, Blatt 135 Band I der Akte, hat die Beklagte mit Schriftsatz v...